Das Leben im Kongo ist nicht nur traurig, aber immer ganz ernst nehmen darf man es erst recht nicht. Am kältesten ist es auf dem Friedhof, und weil gleich zwei gute Freunde von uns in letzter Zeit beerdigt wurden, habe ich mal an Richard im Kongo geschrieben.

„Ich hau hier ab und versteck mich bei euch. Es ist mir hier erstens zu kalt, und zweitens wird hier im Moment gestorben. Ich bin jetzt 80, und wer weiß, wer hier jetzt der Nächste ist.“

Prompt schrieb Richard zurück

„Wir freuen uns alle, wenn du endlich mal wieder kommst. Aber vor dem Tod kannst du dich auch hier nicht verstecken, weil hier ja auch alle mal sterben. Wenn du aber trotzdem versuchen willst, vor dem Tod zu flüchten, bist du so bekloppt wie das alte Krokodil, das sich am Ufer sonnte und plötzlich eine dicke schwarze Wolke über sich sah. Aus Angst, vom Regen nass zu werden, ist es schnell in den Fluss gesprungen, wo es immer meinte, sicher zu sein! Ihr in Europa wollt gerne unser schönes Sonnenwetter haben. Vor allem jetzt in der Trockenzeit, wenn die Kinder auf den großen Sandbänken im Fluss spielen und die Frauen so viele Fische aus den Pfützen und Teichen im Dschungel holen, dass man sie gar nicht alle essen kann. Gott gibt uns Sonne satt und versorgt uns gut hier, und wenn die Fische fertig sind, kommt die Zeit der leckeren Binzuraupen. Eine Saison kommt immer nach der anderen, mal mehr und auch mal weniger.“

Richard hat aber auch noch geschrieben, dass wir Europäer doll auf die Sonne seien und gerne nach Süden reisen würden. Sie, die Menschen im Kongo, seien aber fasziniert von der Technik und allem hier bei uns, und sie flögen am liebsten alle nach Norden. Afrikaner denken, hier im Norden wäre das Paradies oder sogar der Himmel.

Komisch, jeder will unbedingt das haben, was er gerade nicht hat!

Zu wem hat Jesus früher wohl mal gesagt: Sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für sich selber sorgen. Es ist doch genug, dass jeder Tag seine eigene Last mit sich bringt.

Ich bleib, wenn ER will, jedenfalls erst mal noch hier.

Peter Gohl

Bei uns Zuhause im Wohnzimmer in Wermelskirchen erinnert uns eine Konga nicht nur an Daddy. Solch ein Kupferring wiegt über zwei Kilogramm. Kongas machen im Urwald das Familienvermögen aus. Und eine Konga hat den Wert eines Menschenlebens. Wenn jemand ermordet wird, gibt man zuletzt eine Konga an die geschädigte Sippe. 

Zwei Leute heiraten nicht alleine, sondern ihre Sippen. Bei der großen Hochzeitsfeier gibt der Vater dem Bräutigam eine Konga und sagt: „Mein Sohn ist ein zuverlässiger Mann. Seht, ich vertraue ihm unser Vermögen an!“ Der Sohn gibt sie seiner Braut: „Ich liebe diese Frau und gebe ihr hier das Wertvollste, was ich habe!“ Die Braut wiederum gibt sie ihrem Vater und sagt: „Ich liebe diesen Mann und gehe mit ihm weg, aber ich gehöre immer zu euch. Diese Konga soll bei euch immer als mein Zeichen bleiben!“

Daddy lebte in Ikau als Nachbarkind von uns, das allerdings niemand haben wollte. Er lag dauernd kurz vor dem Sterben, und er hatte nicht mal einen richtigen Namen. Elisabeth hat sich dann über ihn erbarmt und ihn so lange behandelt, bis man ihn richtig knuddeln und knutschen konnte. Wir liebten ihn wie ein eigens Kind. Später wollte Elisabeth, dass Daddy mit uns nach Deutschland kommt. Aber ich war dagegen. Deutschland wäre sicherlich schlecht für ein lernbehindertes schwarzes Kind. Und dabei gab es die Pegida damals noch nicht einmal.

Mama Nsimba, eine Lehrerin aus dem Bongandostamm, 600 Kilometer weit von Ikau entfernt, hat ihn schließlich adoptiert. Und ich brauchte alle meine Überwindung, den Jungen dahin zu bringen und ihn dann auch wirklich dazulassen. Nicht mal seinen Hund gibt man so weg. Aber Mama Nsimbas Sippe hat ihn in einer schönen Zeremonie feierlich aufgenommen. Zuletzt ist der alte Bofaso aufgestanden und wollte mir diese Konga geben, aber ich lehnte ab, weil ich ja schon längst verheiratet war. „Nein, du sollst die Konga nehmen, denn du hast uns deinen Jungen gegeben, den du so liebst. Du hast uns ein Menschenleben gegeben. Dieser Junge bleibt bei uns als Zeichen deines Vertrauens zu uns, und die Konga soll bei dir in Europa immer das Zeichen unserer Verbundenheit bleiben. Eine Konga rostet oder verfault nie. Geld verliert seinen Wert, aber die Konga hält immer den Wert eines Menschenlebens.“ Dann sagte er noch: „Eine andere Sache hat ebenso viel Wert. Lies in der Bibel: Christus hat dich losgekauft, und das nicht mit vergänglichem Papiergeld oder Silber oder Gold, sondern mit seinem eigenen wertvollen Blut! Wenn Sorgen oder böse Fehler dich mal belasten, schau auf die Konga. Sie ist unser Preis für den Jungen. Aber Jesu Blut ist der Preis für dich, und du gehörst so immer Jesus!“ Mit der Konga und diesem Spruch bin ich dann die 600 km Dschungelpfade alleine mit dem Motorrad zurück gecrosst und empfand eine Sicherheit, als ob ich eine ganze Kompanie Engel als Bodyguards hätte und in Deutschland auf der A1 unterwegs wäre.

Dann kam Ende der 1990er Jahre der Krieg in unser Gebiet im Kongo. Nach 19 Jahren Trennung habe ich Daddy schließlich wieder getroffen. Er hatte inzwischen eine Frau und ein kleines Mädchen. Sie leben von ihren Maniokfeldern.

Heute erinnert mich die Konga in unserem Wohnzimmer an Daddy und Bofasos Spruch: Ich bin frei durch und für Christus. Da kann ich doch nur noch sagen: Ich bin denn mal so frei!

Peter Gohl

 

Lieber Ezali Mokili (gemeint ist Peter Gohl, d. Red), ich wünsche dir und deiner ganzen Sippe Frohe Weihnachten und viel Segen im neuen Jahr, und ich schreibe dir mal meine Weihnachtspredigt. Lukas 2,7: Maria gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge.

Elielo na Banyama, Krippe, ist da, wo Tiere Nahrung finden. Hier bei uns ist der Urwald die Krippe. Da finden Antilopen und Affen, aber auch Schlangen und der Leopard seine Mahlzeit. Bäume und Gestrüpp ernähren die einen und verstecken die anderen, so dass alle irgendwie satt werden können. Ein anderer Elielo na Banyama ist das Wasser in den großen und kleinen Flüssen. Das ist der Lebensraum von vielen Fischen und allerlei großen und kleinen Tieren. Im Wasser finden selbst lange Krokodile ihre Nahrung. Fressen und gefressen werden, heißt es also an der Krippe. Man kann da Beute machen, man kann da aber auch zur Beute werden.

Wenn Jesus wirklich freiwillig dahin gegangen ist, war das ein großes Risiko für ihn, aber auch eine Erniedrigung. Denn wer im Wald lebt, lebt in Gefahr und ebenso in Verachtung, weil man da fast nackt lebt und auch immer schmutzig und stinkig ist. Wer dagegen im Büro oder einer Kanzlei arbeitet, hat schöne Kleidung und wird geschätzt. Aber in einer Kanzlei wurde Jesus verachtet und verurteilt.

Krippe ist also da, wo wir Nahrung bekommen, ist aber auch ein Ort des Kampfes. Jesus hat auch in seinem Leben geheilt und geholfen, und er wurde zum Opfer. Elielo na Banyama ist aber auch der Platz der Versöhnung. Denn wer sich wirklich erniedrigt bis zur Krippe und zu Jesus kommt, der hat anderen ja längst vergeben. Wer wirklich bis ganz, ganz nach unten kommt, findet dort keine Gegner mehr. Und nur da, beim Elielo na Banyama, können wir Jesus wirklich finden. So wollen wir hier in unserm Dorf Mondjondjo jeden Tag neu zur Krippe, wollen Probleme und Erniedrigung annehmen – wie Jesus, um wirklich bei ihm sein zu können am Elielo na Banyama.

Ich, Pastor Nkoso ea Lokilo

Foto: Fotolia

Im Kongo gibt es keine Bild-Zeitung, sonst würde Sarahs Geschichte sicher auch darin stehen.

Sarahs Eltern starben beide, als sie noch ein Baby war. Eine Tante nahm das Kind auf und versorgte es wie ein eigenes. Die Tante war aber auch sehr arm, und als sie krank wurde, war kein Geld für eine Behandlung da. Irgendwann ist sie dann wohl gestorben.

Eine Freundin von Sarahs Tante, kümmerte sich dann um das Mädchen. Aber nach einiger Zeit bekam sie Malaria. Fünf Tage lang versuchte man ihr mit Homöopathie oder Zaubermitteln zu helfen. Am sechsten Tag brachte man sie ins Krankenhaus, wo sie dann gestorben ist. Ihr letztes Wort war: „Sarah hat ein Ndoki! Der Geist in ihr tötet alle. Sie hat ihre Eltern getötet, und dann ihre Tante, und jetzt bin ich dran.“

In der Nacht fingen die Leute bei der Trauerfeier an, Sarah zu beschimpfen und dann auch zu schlagen. Sie hätten sie totgeschlagen, wenn nicht ein paar kräftige Jungs gekommen wären und sie gerettet hätten. Aber die brachten sie anschließend zum Chef der berüchtigten Kuluma-Bande.

Der vergewaltigte sie, und sie wurde schwanger, als sie eben 16 Jahre alt war. Irgendwann konnte sie fliehen und lebte – wie so viele Mädchen dort – auf der Straße. Als die Wehen eintraten, versteckte sie sich in einem Verschlag, in dem man sich sonst wäscht. Ihr Gejammer weckte die Hausbesitzerin, eine Krankenschwester, die ihr auch half. Zwei Wochen lang lebte Sarah mit ihrem Baby in Frieden bei dieser Schwester, aber dann kam eine der Frauen, die auf sie eingeprügelt hatten, und erzählte Sarahs ganze Ndoki-Geschichte und wie gefährlich Sarah sei.

Vor lauter Angst warf die Schwester Sarah samt Ndoki und Baby aus dem Haus. Wieder war sie auf der Straße, mit Baby, drei Wochen lang. Dann kam eine gute Nachricht (Evangelium). Jemand erzählte ihr von einem Ehepaar, das schon mal Waisenkinder aufgenommen und ein Herz wie Jesus hätte.

Dieses Ehepaar nahm sich tatsächlich der beiden an, und das Kind bekam erst mal einen Namen – Ivette.

Sarahs Problem war, dass sie kaum Milch für ihr Baby hatte. Man musste Milchpulver kaufen, sonst brüllt klein Ivette die ganze Nacht und niemand kriegt ein Auge zu. Aber Milchpulver ist da auf Dauer teuer.

Wenn irgendwo auf der Welt Menschen ein Herz wie Jesus haben, sind die mehr wert als alle Entwicklungshilfe. Sie sind Licht – mitten in der Nacht. Ein Herz wie Jesus überwindet alle finsteren Geister. Es ist einfach nur Geschenk und nicht zu kopieren. Egal mit welcher Konfession, das Evangelium der Barmherzigkeit ist echt weit gekommen.

Peter Gohl

„Papa Ezali Mokili (Peter Gohls Name im Kongo, d. Red.), ich will dir von unserm Land und unserer Kirchengemeinde berichten.

Hier im Kongo herrscht überall Unsicherheit, und unser Staat kümmert sich um nichts. Einige unserer Freunde betreiben einen Handel auf dem Ruki-Fluß. Jetzt sind sie kurz hinter Ingende von Banditen überfallen und ausgeraubt worden. Zwei Menschen wurden dabei getötet, und alle Sachen, auch die beiden Außenbordmotoren, wurden geraubt. In unserer Gemeinde haben wir dann am Sonntag nach den schlimmen Ereignissen für diese Armen eine Kollekte gesammelt.

Du kennst unsere Gemeinde und weißt, wie sie entstanden und gewachsen ist. Aber nachdem du uns im vorigen Jahr besucht hast, hat man uns die Kirche abgenommen, weil sie auf fremdem Grundstück stand. So mussten wir uns beim Beten mit einer Plane vor der Sonne schützen. Dann hast du uns geholfen, ein eigenes Grundstück zu kaufen. Darauf haben wir aus Knüppeln und Palmblättern erst mal ein Dach gegen die Sonne gebaut. Wir wollen ja auch mal eine richtige Kirche aus festem Material bauen. Ja, wir wollen mal eine feste Kirche haben, aber Gott will uns anscheinend erst mal so segnen. Im Februar fingen wir mit 68 Besuchern hier an, aber zuletzt waren es bereits 188.

Weil alles so offen ist, müssen Nachbarn ungewollt unsern ganzen Gottesdienst mit anhören. Moise und Pauline haben neun Kinder und waren noch nie in einer Kirche, kannten Jesus überhaupt nicht. Aber sie haben bei uns so lange zugehört, bis sie sich bekehrten, sich taufen ließen und Mitglieder in unserer Gemeinde wurden.

Die Mama Debora ist 47 und hat am Sonntag erzählt, dass sie nie an Jesus gedacht habe. Als sie 17 war, starben ihre Eltern und hinterließen ihr das Haus, in dem sie so lebte und neun Kinder von vier verschiedenen Männern bekam. Aber dann kam unser Gottesdienst in ihre Nähe, und sie musste zum ersten Mal von Jesus hören, dass der für alles Alte gestorben und auferstanden sei, um in uns alles ganz neu zu machen. Sie gab ihm ihr Leben und will ihm jetzt dienen, solange sie lebt. Die Gemeinde hat sich sehr darüber gefreut und für den Herrn gesungen und getanzt.

Es gibt hier so viele unversorgte Waisenkinder, und da hat sich unsere Frauengruppe wieder mit den Frauen der Nachbargemeinde zusammengetan. Sie haben ein richtiges Fest allein für die vielen Waisenkinder gemacht. Jede Frau hat Essen zubereitet, und dann sind alle zusammen mit ihren Töpfen dahin gegangen, um den Kindern einmal ein bisschen Freude im Herzen und auch im Bauch zu bereiten.

Wir haben hier aber ja auch noch unser kleines Waisenhaus, und Mama Lionie sorgt dafür. Kürzlich ist sie zum Markt gegangen, um Lebensmittel für ihre Waisenkinder zu kaufen. Wegen der vielen Sachen ist sie auf dem Rückweg mit einem Motorradtaxi gefahren. Unterwegs sind sie verunglückt. Der Fahrer war sofort tot, aber Mama Lionie ist völlig unverletzt geblieben. Es ist ja traurig, dass der Fahrer sterben musste, aber unsere Freude darüber, dass Lionie gänzlich unversehrt blieb, ist doch viel größer als unsere Trauer.

Ich, dein Bruder, Pastor Jérémie Nkole Ekombe

Immer wenn ich bei Richard wohnte, kamen die Kranken, Behinderten und Armen zu mir so wie früher Menschen zu Jesus. Nur, ich kann niemanden heilen wie Jesus. Ich kann höchstens vertrösten.

2011 kam Mama Boketsu und zeigte mir Jean, ihren Enkel, der schreckliche Geschwülste am Kopf und auf dem Rücken hatte. Ich sollte ein Heilungs- oder Zauberwort sprechen oder besser noch: den Jungen mit nach Europa nehmen. Ich war total entsetzt und absolut hilflos. Als Richard aber meinte, dass der Doktor das operieren könne, wurde die Mama schlimm böse und schrie, dass die Leute beim Doktor nur sterben und der Junge da ganz sicher umgebracht werden würde. Es wurde heftig diskutiert. Doch als ich weg war, hat Richard den Jungen wohl heimlich entführt und in die „Klinik“ gebracht.

In Basankusu braucht man beim Operieren vor allem eine Taschenlampe aus China. Aber der gute Junge hat alles überlebt, und ich habe damals 350 $ gezahlt. Danach habe ich nichts mehr davon gehört.

Jetzt schrieb Richard, Jean sei zu ihm gekommen und hat ihm drei Eier gegeben. Ein Ei sollte er mir nach Europa schicken. Richard war wohl erst völlig verdutzt, wieso der ihm die Eier geben wollte, aber dann schob Jean sein Hemd hoch und zeigte ihm die riesige Narbe auf seinem Rücken.

Ich habe mich ja längst daran gewöhnt, dass viele Leute im Urwald nicht schnell mal eben Danke sagen wie wir Deutschen. Die können ihren Dank über Jahre im Herzen tragen, ohne ein Wort darüber zu verlieren. Sie würden aber immer zu mir stehen, wenn ich wieder nach Basankusu komme. Wir hier haben als Kinder gelernt, Danke zu sagen, selbst wenn wir nur ein Bonbon bekamen. Damit war das Bonbon dann aber auch abgegolten. Jean kam jetzt nach fünf Jahren zu Richard, um sich zu bedanken, und gab ihm die drei Eier, die er wahrscheinlich geklaut hatte. Er hat ja keine Eltern und haust bei seiner Oma.

Ich habe überlegt, dass wir hier versuchen, uns schnell gegenseitig selbst zu entschuldigen – und das oft sogar bei Christus. Aber kann man das denn überhaupt? 350 $ habe ich für Jeans OP bezahlt, und sein Dank waren jetzt drei kleine Eier. Damit ist doch überhaupt nichts abgegolten! Ob ich hier nun mit viel oder wenig Wasser getauft wurde und Danklieder singe oder auch mal Armen helfe, mein Dank gegen Jesus, der sich für mich kreuzigen ließ, ist ja immer noch viel ärmer als die drei Eier gegen 350 US-Dollar.

Jeder hat ja seine persönliche Art und Weise, aber ich möchte meinen Dank gegen Christus am Kreuz immer in meinem Herzen tragen, egal, was kommt – oder auch nicht kommt.

Peter Gohl

Lieber Ezali Mokili (gemeint ist Peter Gohl, die Red.), das Thema unserer Sitzung war: Wer im reichen Europa könnte unsere Kirche wohl noch unterstützen?

Wir, hier im Urwald, haben nie Geld. Die Angestellten der Kirche müssen oft lange auf ihr Gehalt warten. Wer krank wird und nicht beten kann, ist ganz arm dran. Anweisungen und Finanzspritzen von Deutschen und Engländern haben wir schon oft bekommen, trotzdem leben wir immer um Null rum. Eigentlich sollte sich unsere Kirche ja finanziell selbst tragen, aber unsere Mitglieder im Urwald leben doch fast ganz ohne Geld, und von nichts kann man nichts nehmen.

Es gab viele Ideen, die aber auch wieder verworfen wurden. Aber dann sagte jemand: Wir hier sind keine Firma oder Gesellschaft! Wir sind die Kirche von Jesus! Was sagt der denn eigentlich zu alledem? Wir blicken nach Europa wie das Volk Israel in der Wüste nach Ägypten. Ja, damals bei den Weißen gab es keine Finanzprobleme, aber diese Zeit ist vorbei.

Wir wissen, was wir brauchen und wollen. Aber wer fragt schon danach, was Gott eigentlich will? Am Ende der Sitzung beten wir immer: Unser Vater im Himmel! … Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden! Wer erst mal in Gottes Willen und Plan ist, dessen Wünsche können dann auch angehört werden!

Also, außer Gott fanden wir im Moment noch keinen Helfer. Bevor aber die Sitzung mit Lied und Gebet geschlossen wurde, fragte jemand nach aktuellen Anliegen. Da sagte Richard, dass du im Badezimmer gestürzt bist und dich verletzt hast. Die meisten hier wissen ja nicht, was ein Badezimmer ist. Aber als wir dein Foto sahen, haben wir alle für dich gebetet.

Zuletzt hat der Generalsekretär ein langes Gebet gesprochen. Er hat dich mit der Tabita verglichen, die starb und durch Gebet wieder auferweckt wurde, Apg. 9, 36. Du hast hier wie Tabita den Armen geholfen, du wirst also gesund. Zuletzt haben wir noch 20 Dollar für deine Behandlung gesammelt.

Die 20 Dollar kommen natürlich nicht nach Deutschland, sondern hier in die Diakoniekasse.

Gott, der HERR tötet und macht lebendig, führt hinab zu den Toten und wieder herauf. Er macht arm und macht reich; er erniedrigt und erhöht. Er hebt den Dürftigen aus dem Staub und erhöht den Armen aus der Asche, dass er ihn setze zu den Fürsten. Gott wird unserer Kirche den Weg zeigen. Sei sicher, dass er dich auch wieder gesund macht.

Ich, dein Freund Isifelo Botay

Elisabeth und ich waren 1982 erst drei Monate im Zaïre, da erlebten wir abends einen Überfall. 

Wir waren gerade mal aus dem Haus rausgegangen, als Elfenbeinjäger das Haus mit ihren Gewehren durch alle Verandafenster und Türen durchschossen. Der Hund, den wir verwahrten, bellte. Es fiel noch ein Schuss, dann war auch der still, und wir sind auf allen Vieren durchs hohe Gras bis in die nächste Lehmhütte geflüchtet. „Kommt schnell rein“, sagte die Frau, „ich versteck euch hinten in der Kammer.“

Weil ein Nachbar ein Gewehr und zwei Patronen dazu hatte, schoss er damit in die Luft, um Abwehr zu demonstrieren. Dann wurde es so still, dass man nur noch unser ängstliches Zähneklappern hörte. Ein ganz Mutiger fuhr mit dem Fahrrad in die Stadt, um die Polizei zu alarmieren.

Als die da war, gingen wir auch wieder in unser Haus und sahen die Verwüstung. Alles war durchwühlt worden, und unsere zwei Koffer waren aufgeschlitzt. Überall waren Einschusslöcher in den Wänden, und auf dem Boden lag der tote Hund in seinem Blut. Die Banditen hatten offensichtlich nur nach dem Projektgeld gesucht, das wir aber noch gar nicht hatten.

Die Polizisten machten einen sehr langen Bericht und räumten ein bisschen auf, wie man denn da so aufräumt. Unser gutes Brotmesser fand ich später bei jemandem, der es gekauft hatte, und die Taschenlampe habe ich ein halbes Jahr später einem Polizisten am Hafen abgenommen. Damals konnte ich schon ziemlich auf Lingala schimpfen.

Wir hatten noch kein Fahrzeug, wegen Niedrigwasser konnte kein Schiff auf dem Fluss fahren, und die Air Zaïre war in Reparatur. Wir konnten also gar nicht weg.

Tagsüber hatten wir genug zu tun, wenn es aber dunkel wurde und die vielen für uns fremdartigen Laute aus dem Dschungel auf uns einwirkten, schlich sich auch die Angst bei uns ein. Wir fantasierten, sahen dunkle Gestalten auf der Wiese hinter dem Haus. Eins war klar: So können wir hier nicht weiterleben!

Aber jeden Abend, wenn es dämmerte, kamen alte und junge Leute aus dem Dorf, um nach uns zu sehen. Sie sangen ihre alten Kirchenlieder, bis wir fast mitsingen konnten. Am Ende, wenn es schon lange dunkel war, segneten sie uns und beteten für uns und unsere Kinder in Europa.

Wie alle Weißen waren wir ja als Belehrende nach Zaire gekommen, um zu bauen und zu helfen. Aber jetzt wurden wir plötzlich deren Kinder, denen sie helfen mussten. Hilfloser als wir konnte aber auch kaum jemand sein… Nie werden wir vergessen, wie Nachbar Itaka uns zeigte, dass wir in der Bibel Psalm 146 lesen sollten. Wir lasen – und Itaka kommentierte: Der HERR behütet die Fremdlinge. – „Das hat er getan. Ihr lebt noch!“ Er erhält Waisen und Witwen. – „Eure Kinder sind wie Waisen in Europa, und er erhält sie!“ Die Gottlosen führt er in die Irre. – „Die Banditen schossen, als ihr gerade draußen wart!“ Der HERR ist König ewiglich. – „Darauf könnt ihr euch immer und ewig verlassen!“

Wir sahen, dass es pechschwarze Engel gibt, ganz und gar ohne Flügel auf dem Rücken.

1982 sind wir mitten im Urwald so liebevoll integriert worden, und damals ist da mehr als nur Freundschaft entstanden.

Einheimische, Flüchtlinge und Asylanten brauchen doch mehr als nur Wohnung und Arbeit. Elisabeth und ich haben damals etwas von der Energie gespürt, die in ganz einfachen gesprochenen und gesungenen Gebeten steckt. Von dieser Erfahrung leben wir immer noch.

Wir wünschen allen für 2016 auch eine ganz neue Gebetserfahrung.

Peter Gohl

„Biso tobangaka te, kasi tobangisaka.“ Das ist ein Spruch der kleinen Kongo-Jungs, heißt auf Deutsch: „Wir fürchten uns vor nichts, aber wir können euch das Fürchten lehren!“ Aber unser Freund Richard, der hatte Angst, als er im Stammesgebiet der Ngombe für Diakonie werben und Bibeln verkaufen wollte.

„Nach einer langen Bootsfahrt setzten sie mich mit dem Motorrad nachts um 3 Uhr im Stockdunklen am Ufer ab. Ich fand auch den Fußweg zum Dorf Mowaka und dachte, die 8 km dahin zu fahren sind doch ein Klacks, aber der Weg war schlimm. Elefantengras und Sträucher schlugen mir ständig ins Gesicht. Zuletzt hing ich in der Dunkelheit im Sumpf so im Morast fest, dass ich erst mal die Morgendämmerung abwartete. Alleine im dunklen Urwald hat man allerlei Gedanken über Schlangen und anderes Viehzeug.

Die Ngombe-Leute waren früher unsere schlimmsten Feinde. Aber wir wurden alle Christen und auch Kongolesen und kennen die Einheitssprache Lingala. Theoretisch ist es ja auch so. Umso mehr freute ich mich, gegen 7 Uhr in Mowaka freundlich aufgenommen zu werden. In den anderen Dschungeldörfern, Boso-Modanda 130 km und Boso-Likolo 211 km entfernt, waren sie genauso freundlich. Es war auffällig sauber und ordentlich. Aber wer so in der Isolierung lebt, verwildert auch, und alle waren fast immer ein bisschen besoffen. Es gibt ja kaum Kontakt zur Außenwelt und keine Korrektur, nur Dschungel. Sie arbeiten fleißig auf ihren Feldern, aber niemand holt die Sachen ab. So brennt man am besten Schnaps davon und merkt nicht mehr alles.

Wer mal Erdnüsse oder Maniokmehl verkaufen will, muss sein beladenes Fahrrad 430 km weit bis Bumba am Kongo-Fluss schieben, um Aspirin-Tabletten oder so etwas zu bekommen. Aber in Boso-Modanda gibt es bereits ein Einkaufzentrum. Es gibt hier alles im Überfluss, nur kein Geld. Am meisten gibt es hier wunderschöne Kinder, die aber nie zur Schule gehen. Ich habe ihren Schnaps probiert, um mich nicht abzugrenzen. Der war gut, mir aber zu stark. In der Kirche war alles anders. An einem Mittwoch zählte ich 123 Leute im Gottesdienst. Mein Predigtthema war: „Wenn Gott dir das Leben gegeben hat, sag ihm mal Dankeschön, aber nicht mit dem Mund alleine – tu auch etwas!“ Aber ich fand dort wirklich aktive Christen. Alleine der „Pastor“ hatte noch eine Bibel, in der aber bereits Genesis und Offenbarung fehlten. Da freuten sich alle über die Bibeln, die ich mitgebracht hatte. Die Enttäuschung war aber groß, weil ich die Bibeln ja nicht wie wertloses Zeug einfach weggeben, sondern nur verkaufen wollte. Hier konnte niemand 10 $ auftreiben. Als ich aber die Bibeln gegen Naturalien, wie Hühner oder Enten, anbot, wurden alle total munter. Leider konnte ich in jeder Gemeinde nur drei Bibeln verkaufen, weil ich mit dem Motorrad ja nicht so viel transportieren kann. In ihrer Gemeinde gab es auch längst Diakonie und Nächstenliebe, und ich habe gerne alles überprüft. Die Alten, Kranken, Witwen und Waisen waren regelmäßig besucht und mit Lebensmitteln versorgt worden. Man reparierte auch immer wieder deren Hüttendächer und -wände ganz ordentlich. Darüber habe ich mich sehr gefreut und zuletzt nur noch ein paar organisatorische Tipps gegeben. Aber ich habe auch schlimmes Elend gesehen und konnte 92000 Francs, 100 $, geben. Wenn mal jemand zum ‚Doktor‘ müsste. In den andern Dörfern war es ähnlich.

Schlimm waren die Wege. Oft sah man 30 km keinen Menschen, nur Wald und Dreck, und ich hatte oft Angst hier im Gebiet der Ngombe, wenn da plötzlich jemand mit Buschmesser und Speer bewaffnet im Gebüsch stand. Auf dem Weg nach Boso-Likolo war ich 40 km weit gekommen, als mein Motorrad plötzlich stotterte. Mühsam und ratlos kam ich bis zu einer Hütte. Ein Mann sagte, dass er Ahnung habe, und fing direkt an, an meinem Motorrad rumzufummeln. Ich roch seine schlimme Schnapsfahne, aber er ließ sich nicht abwehren und nahm den ganzen Vergaser auseinander. Ich stand hilflos, hoffnungslos betend dabei, aber er setzte im besoffenen Kopf alles wieder zusammen. Niemand kann sich mein Gotteslob ausmahlen, als die Maschine wieder einwandfrei lief.

Ich bin unterwegs so oft gestürzt, aber nur einmal hat’s mich so hingeworfen, dass die Lampe kaputt ging, und ich auch etwas Verbandstoff brauchte.

Viele Leute haben sich in ihrer Isolierung über meinen Besuch gefreut und wurden getröstet. Wer geht sonst schon dahin? Neun Bibeln habe ich verkauft, und die Hühner und Enten konnte ich direkt an Hungrige weitergeben.

Richard Iyema

Das war ein Sonntag voller großer Freude, mit Peter Imponge in Kelzenberg am Gottesdienst teilzunehmen und auch ein kleines Statement geben zu dürfen. Peter war begeistert von dem Gottesdienst. In Deutschland hatte er bisher nur immer ganz ausgetrocknete erlebt, wie er freimütig gestand.

Wir kennen uns schon viele Jahre aus dem Kongo-Zaïre. 1984 tauchten Papa (8) und Mami (5), zwei total verwahrloste Waisenkinder voller Geschwüre und Ausschlag, in unserm Dorf Ikau mit anderen Kindern auf. Die Eltern waren in Kinshasa gestorben, und man schickte die beiden Kleinsten zu einer Oma, die in der Nähe von uns lebte, sich aber selbst nicht mehr helfen konnte. Die beiden Kinder standen bei uns am Zaun, und wenn man sie fragte, sagten sie nur ein Wort – Hunger!

Wirtschaftsstudium

Elisabeth sorgte für Essen, Kleidung und brachte sie zum Doktor. Später schickten wir sie auch zur Schule. Papa lernte über Erwarten gut und schnell und übersprang sogar ein Schuljahr. Andere sorgten nach uns für die beiden, und eine Lehrerin aus Dortmund veranlasste, dass Papa in Kinshasa Wirtschaft studieren konnte. Zu jener Zeit nahm er auch den Namen Peter an.

Einige Jahre musste er in Kinshasa erwerbslos überstehen und lebte von Gelegenheitsarbeiten, wie unendlich viele studierte Leute dort.

Aber er hatte das Glück, zum Schatzmeister der Cadelu-Kirche in Basankusu berufen zu werden, und bekam die große Aufgabe, für die Kirche im Urwald eine brauchbare Buchführung zu machen.

In Kinshasa hatte er auch Brigitte kennen gelernt. Inzwischen haben sie zwei kleine Jungs, Ephraïm und Nephtali. Brigitte und Peter nahmen in Basankusu auch noch Waisenkinder bei sich auf. Ich zählte einmal sieben Kinder auf ihrem Hof, die sie beköstigten, zur Schule brachten und ärztlich betreuten. Manchmal konnte ich da auch helfen.

Diakonie-Management

Dann wurde Peter von der Mission hier berufen, in Deutschland, Südafrika und auf den Malediven Diakonie-Management zu studieren, und er konnte den Mastertitel erwerben. Er hat mir damals gesagt: „Was sollten wir tun? Wir konnten die Kinder doch nicht einfach so wegschicken, konnten aber auch nicht einfach nein sagen. Da habe ich mich an Jesus erinnert, der uns doch so wunderbar geführt hat. Wir haben ihn um seinen Willen gebeten und, dass er alleine uns führen möge. Zuletzt sind wir nach Kinshasa gezogen, wo ich meine Arbeit als Schatzmeister mache und von wo ich Reisen für die Kirche und die Mission unternehme. Wir sind in Jesu Hand und die Kinder auch!“

Und Mami: Sie wohnt in Ikau, ist mit einem Jäger verheiratet und hat sechs wunderschöne Kinder.