Gerd Heydn im Gespräch mit Ursel Göttges

Sie sind noch mitten im Krieg geboren, Ihre Kindheit war überschattet von äußerster Armut, Hunger und Kälte. Konnte sich da überhaupt ein Pflänzchen christlichen Glaubens bei Ihnen entwickeln? 

Erste Erinnerungen habe ich schon an die Nachkriegszeit. Mein Vater war in Russland vermisst. Meine Mutter musste mich und meine sechs Jahre ältere Schwester allein durchbringen. Bei der Rückkehr von der Evakuierung aus Thüringen fanden wir unsere ehemalige Wohnung 1945 in Wuppertal mit unserem gesamten Inventar nach zweijähriger Abwesenheit besetzt vor. Die Wohnung war ordnungsgemäß an eine ausgebombte Familie vergeben worden. Wir standen im wahrsten Sinne des Wortes vor der Tür, hausten dann neun Monate in einer winzigen Kabine in einem Bunker. Natürlich haben wir Kinder gemerkt, dass unsere Mutter große Sorgen hatte. Ich habe aber heute noch vor Augen, dass meine Mutter täglich in der Bibel und im Losungsbuch gelesen hat. Diese Erinnerung hat sich tief bei mir eingeprägt.

Wie hat Ihre Mutter ihren Glauben denn auf Sie übertragen?

Sie hat ihren Glauben gelebt – uns vorgelebt. Gesprochen hat sie nie darüber. Aber ich habe gespürt, dass sie trotz aller Einschränkungen in unserem damaligen Leben immer wieder Kraft aus ihrem Glauben gezogen hat – für sich und für uns Kinder. Daran hat sie sich auch in schwerster Not geklammert. Abends ließ sie mich im Bett immer ein Gebet sprechen.

Wann fiel dann der erste ‚Lichtstrahl‘ auf Ihr junges Leben?

Das war 1948 noch vor meiner Einschulung. Vom Gesundheitsamt der Stadt Wuppertal bin ich wegen meiner Unterernährung für einen Kindertransport zu einem dreimonatigen Aufenthalt im Kanton Zürich ausgewählt worden. Meine Schweizer Gastfamilie ließ mich mein Heimweh ganz schnell vergessen und hat mich richtig aufgepäppelt. Es wurde die schönste Zeit in meiner gesamten Kindheit, für die ich heute noch dankbar bin, weil ich mit lieben Menschen bei guter Ernährung ein herrliches, freies Landleben genießen durfte. Mit der ältesten Tochter der Schweizer Familie habe ich heute noch Kontakt.

Wie hat sich dann Ihr Glaube im Kindesalter weiter entwickelt?

Nach der Einschulung ging ich sonntags in den Kindergottesdienst. Der sprach mein Innerstes an und wurde mir sehr bald wichtig in seinem gesamten Ablauf. Es entwickelte sich in mir ein starkes Vertrauen und eine Liebe zu dem Gott, der sich um mich und mein kleines Leben kümmerte und – mit dem ich reden konnte! 1949 fanden wir außerdem zur Landeskirchlichen Gemeinschaft mit der ihr angeschlossenen Jugendarbeit des EC, Entschiedene Christen. Dort fühlten wir uns wohl und angenommen. Man kümmerte sich um einander. Ich war früh berührt von Gottes Menschwerdung, von Jesu Leiden und Sterben für uns Menschen und seiner Liebe zu uns. Ich glaubte von ganzem Herzen und fühlte mich geborgen in dieser Liebe. Und ich entwickelte mich vom 1. Schuljahr an zu einer nicht zu bremsenden Leseratte, las später alles, was greifbar war – von Johanna Spyri und Karl May bis hin zu christlicher Lektüre für Erwachsene, zum Beispiel Bücher über Luther und Paul Gerhardt.

Und immer gehörten kirchliche Musik, die Lieder im Gottesdienst, Chöre unabdingbar zu ihrem Glauben…

Ja! Nach meiner Konfirmation habe ich bis zu meinem 25. Lebensjahr in Wuppertal im Chor gesungen. Wir nahmen verschiedene Dienste auch außerhalb unserer Gemeinschaft wahr, sangen in Krankenhäusern, Seniorenheimen, Gottesdiensten und Evangelisationen. Nach meiner Heirat sang ich 27 Jahre in Rheydt und zuletzt auch in Kelzenberg im Chor. Die Lieder und ihre Texte empfand ich immer als wahren Schatz.

Haben Sie sich denn nie in Ihrem Glaubensleben Anfechtungen ausgesetzt gefühlt?

Doch, natürlich. Der Glaube musste wachsen, reifen, aber lag auch schon mal am Boden bei mir. Ich hatte mich auseinanderzusetzen mit Zweifeln, die mir selbst kamen, und kritischen Angriffen, die von außen an mich herangetragen wurden. Später begann ich, anerzogenes Denken und Verhalten zu hinterfragen, mich von Zwängen und Vorstellungen zu befreien, für die ich in der Bibel keine Begründung fand. Ich lernte, dass mein Maßstab, meine Orientierung allein das Evangelium sein musste. Und ich erkannte, dass auch Zweifel zum Leben eines Christen gehören und Gott uns trotzdem nicht fallen lässt. Das ist ein Prozess, der lebenslang nicht abgeschlossen wird, denn wir werden immer Lernende bleiben.

Hat es in Ihrem Leben denn einen direkten Anlass gegeben, mit Gott zu hadern?

1976 waren wir in einen Verkehrsunfall  verwickelt, in einen Frontalzusammenstoß mit einem Bus. Dabei riss mir das rechte Schultergelenk um mindestens zehn Zentimeter heraus, Nerven zerrissen. Ich erlebte das schlimmste Jahr meines Lebens: drei kleine Kinder und einen vollständig gelähmten rechten Arm, der wie leblos am Körper baumelt… vielleicht für immer. Dazu permanent unerträgliche Schmerzen. Ich habe wirklich einige Male zu Gott geschrien: Warum? Was habe ich falsch gemacht?

Wie haben Sie diese Krise in Ihrem Leben überwunden?

Es war an meinem 34. Geburtstag 1976, fünf Monate nach dem Unfall. Ich schlug morgens die Herrnhuter Losungen auf, und da stand Psalm 41,5: ‚Herr sei mir gnädig! Heile mich, denn ich habe gesündigt.‘ Und der Lehrtext aus Markus 2: ‚Es kamen Leute und brachten einen Gelähmten zu Jesus. Und als Jesus ihren Glauben sah, sprach er zu dem Gelähmten: Mein Sohn deine Sünden sind dir vergeben.‘ Das traf mich persönlich, ging bis ins Mark. Ich verstand. Weder der Gelähmte damals, noch ich heute waren schuldiger als andere Menschen. Aber Jesus setzt die Prioritäten ganz anders, und das sollten wir auch tun. Es gab immer schon Betroffene, die trotz Gebet keine Heilung erfahren haben, die mit ihrer Behinderung leben mussten. Das hätte auch bei mir so sein können. Von dem Tag an wurde ich ruhiger und konnte mich ihm anvertrauen. In den folgenden fünf Monaten durfte ich erhebliche Fortschritte feststellen.

Wie würden Sie die Werte Ihres Lebens- und Glaubensweges beschreiben?

Das Evangelium, das uns Jesus Christus in die Welt brachte, ist der feste Grund, der Wegweiser und das Licht auf meinem Weg bis hin zum Ziel. Daran kann ich mich halten und vertraue vor allem darauf, dass ich – wenn ich versage – trotzdem gehalten werde.

Ihr Weg zum ‚Ziel‘…

Unter Ziel verstehe ich den Zeitpunkt, an dem mein Lebensweg endet. Vorstellungen von dem, was im und nach dem Tod geschieht, will ich mir nicht machen. Es könnten ja nur naiv menschliche sein. Am Kreuz sagte er zu dem Verbrecher neben ihm: ‚Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.‘ Und Paradies ist dort, wo der Gott der Liebe ist. Jesus ist da. Also muss es wunderbar sein. Mein Ziel? Herr, wohin sonst sollten wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens!

Als Martin Luther im Oktober 1517 seine 95 Thesen verfasste, waren sie das Ergebnis seines langen und verzweifelten Ringens auf der Suche nach einem gnädigen Gott. Er hatte als Mönch, den allgemein herrschenden Überzeugungen gemäß, versucht, ein möglichst heiliges und moralisch edles Leben zu führen. Auf diese Weise gedachte man, den Zorn Gottes zu besänftigen. Tatsächlich brachten alle Askese und Selbstverleugnung ihn jedoch nicht näher zu Gott, sondern in größere Unsicherheit. Diese Zweifel und inneren Kämpfe kamen erst zur Ruhe, als er im Wort Gottes die Antworten fand, die ihm woanders nicht gegeben werden konnten. Diese Einsichten wurden zu Kerngedanken (allein der Glaube, allein die Gnade, allein die Schrift), die die Reformation auslösten. Auch 500 Jahre später sind diese Einsichten genauso aktuell und gültig, wie eh und je. 

Allein der Glaube

Beim Glauben, von dem die Bibel spricht, geht es nicht um Selbstsuggestion oder eine Art philosophischer Überzeugung. Er ist ein Handeln Gottes, der Seine Wahrheit in unser Herz hineinlegt, wenn wir uns für Ihn öffnen. Aufgrund dieses Glaubens sind wir dann total in Ordnung in Seinen Augen. Warum ist das so? Der Glaube ist die Haltung, die Gottes Autorität anerkennt. Er ist die Überzeugung, dass Gott Recht hat, dass Er die Wahrheit sagt, dass Er zuverlässig ist. Ein Sprichwort sagt: Vertrauen ehrt. Deshalb ist der Glaube ein Lebensstil im Respekt vor Gott, mit dem Er ständig geehrt wird. Die Ehre ist das Größte, was wir Gott geben können. Als Jesus einmal eine arme Witwe beobachtete, die ihre letzten Groschen spendete, lobte Er sie. Sie hatte zwar deutlich weniger gegeben, als manch ein reicher Bonzen. Aber ihre Haltung war offensichtlich die radikale Entschlossenheit, sich mit ihrer ganzen Existenz von Gott und Seiner Versorgung abhängig zu machen. Diesen Glauben kann man nicht produzieren oder erzwingen, er ist eine Auswirkung der Beziehung zu Gott.

Allein die Gnade

Wie kann ein Mensch vor Gott bestehen? Was macht uns kompatibel mit Seiner Gerechtigkeit und tadellosen Heiligkeit? Die Möglichkeiten, mit Gott ins Reine zu kommen, suchte Martin Luther im klösterlichen Leben als Mönch. Die Werkzeuge, um sich ein heiliges Leben in Gerechtigkeit zu schmieden, waren seine Willenskraft, seine Unterwerfung unter die Ordensregeln und seine Leistungsfähigkeit. Das alles ist jedoch in uns selbst begründet und wird immer ungenügend bleiben. So wenig es möglich ist, sich an seinen eigenen Haaren aus dem Sumpf zu ziehen, so wenig können wir uns zu Gottes Anspruch an Heiligkeit und Gerechtigkeit hinarbeiten. An dieser Stelle setzt die Gnade ein: Was für uns ausgeschlossen und unmöglich ist, das schenkt Gott. Jesus Christus war der erste Mensch, in dem Gott sich völlig uneingeschränkt entfalten konnte. Sein Leben und Handeln hatte die Qualität, die Gottes Charakter entspricht. Seit Pfingsten wird dieses Leben in Gottes Qualität jedem geschenkt, der sich dafür öffnet. Das ist Gnade, eben unverdientes Geschenk. Es hat aber die Gnade zwei Seiten, wie bei einer Münze: Einerseits ist sie ein reines Geschenk, eine Gabe Gottes, die Er gerne, mit offenen Händen und überschwänglich austeilt. Die Einsicht in die Gnade macht Gottes Güte deutlich, Seine Möglichkeiten und kreative Schöpferkraft. Andererseits werden wir im Anerkennen und Empfangen von Gnade eingestehen, dass wir untauglich sind, niemals befähigt uns zu nehmen, was ausschließlich als Geschenk angenommen werden kann. Deshalb macht die Gnade Gott groß und fähig, gleichzeitig uns Menschen klein und unfähig, wenn es darum geht, Gottes Gerechtigkeit zu entsprechen. Das Leben in der Gnade wird der Selbstüberschätzung und der Überheblichkeit jeglichen Nährboden entziehen.

Allein die Schrift

Zu Luthers Zeit war die allgemein gültige Glaubenslehre ein Mix aus Bibel, griechischer Philosophie, Tradition und menschlicher Intelligenz. Darin konnte er jedoch keinen Frieden finden. Erst als ihm beim Studium der Bibel ein tiefer Einblick in die Gnade geschenkt wurde, kam er zur Ruhe. Diese Erfahrung gab dem Stellenwert von Gottes Wort eine neue Bedeutung. Wenn es so ist, dass das Wort der Heiligen Schrift die Kraft hat, das Leben eines Menschen zu verändern, zu bereichern und mit allem Guten, das Gott für uns hat, zu erfüllen, dann kann es nicht nur eine weitere unter vielen anderen Möglichkeiten sein.

Für Martin Luther wurde das Wort Gottes zum unerschütterlichen Felsen, auf den er seinen Glauben gründete. Die Heilige Schrift war der Maßstab, den er konsequent in seinem Leben anlegte und an dem er die Heilslehre seiner Zeit überprüfte. Der Wert und die Bedeutung der Heiligen Schrift wurden ihm so wichtig, dass er sie unbedingt so vielen Menschen wie möglich zugänglich machen wollte. Deshalb übersetzte er sie in die Sprache des Volkes.

Das war zu der Zeit ein mutiger und revolutionärer Schritt. Er stand im Widerspruch zu der Vorstellung, dass das Wort Gottes nur von wenigen, besonders gebildeten Kirchenleuten verstanden werden könnte. Man fürchtete, dass die Heilige Schrift in der Hand des gewöhnlichen Menschen zu viel Verwirrung bewirken würde. Dem widersprach Martin Luther, indem er sagte, dass die Heilige Schrift sich selber erklärt. Die frohe Botschaft von Jesus Christus ist die zentrale Wahrheit, mit der jeder Christ seinen Glauben leben und entwickeln kann.

Gerd Reschke

 

Samstag, 20. Mai 2017, 8 Uhr

Wir laden wieder herzlich ein zur Kelzenberger Tagespilgerung. Entschleunigt durch die Langsamkeit des Gehens und zugleich angeregt durch geistliche Impulse möchten wir in der Gemeinschaft mal im Gespräch, mal im Schweigen, im gemeinsamen Gebet und im gemeinsamen Gesang durch Feld und Wald zum Kloster Knechtsteden wandern und jenseits unserer Alltagsbelastungen Raum für eigene Erfahrungen und die Begegnung mit Jesus Christus ermöglichen. Start: 8.00h ab der Kirche Kelzenberg, Keltenstraße 50, 41363 Jüchen. Ziel: Kloster Knechtsteden (Dormagen), Strecke 25 km, Gehzeit 6,5 Stunden. Neben der für eine Wanderung üblichen Ausrüstung bitte Verpflegung und Getränke für den Tag mitbringen. Leitung: Kerstin Gerhard und Jutta Velser. Anmeldung durch Eintrag in die Liste an der Pinnwand im Gemeindehaus oder per email unter kjgerhard@web.de oder jutta.velser@googlemail.de.

Als Luther Anfang Mai 1521 von Kurfürst Friedrich dem Weisen aus der Schusslinie genommen und auf die Wartburg bei Eisenach gebracht wurde, ahnte niemand, dass dort eines der einflussreichsten Werke – Luthers Bibelübersetzung – entstehen würde. Was bringt uns die Lutherbibel heute?

Als Junker Jörg getarnt leidet Luther unter der Verbannung. Er geht seine Probleme durch kreative Betätigung an. In nur elf Wochen übersetzt er das Neue Testament aus dem Griechischen ins Deutsche. Schon 1522 erscheint das sogenannte Septembertestament im Druck. Sofort findet es reißenden Absatz und wird in den evangelischen Gebieten zum Volksbuch. Dadurch leistet es nicht nur theologisch, sondern auch in Bezug auf die Entwicklung einer einheitlichen deutschen Schriftsprache größte Dienste. Später folgen zunächst Teile des Alten Testaments, bis 1534 die Gesamtausgabe der Bibel in deutscher Sprache erscheint, die eine ebenso große Verbreitung erfährt.

Zum Luther-Jubiläum ist in diesem Jahr eine revidierte Fassung der Luther-Bibel erschienen. Dabei wurden immerhin 44 % der Verse gegenüber der 1984er-Ausgabe verändert. Das zentrale Anliegen der Revision war die Treue gegenüber dem Ausgangstext. So wurde die gesamte Bibel anhand der hebräischen und griechischen Urtexte überprüft, und auch die Funde von Qumran fanden Beachtung. Sprachliche Aktualisierung eliminierte missverständliche oder unverständliche Begriffe der 84er-Fassung. Nach dem Motto „Back to the Roots“ schärfte die Überarbeitung das Profil der Lutherbibel und nahm unnötige sprachliche Modernisierungen zurück, die die kernige Sprache des Reformators verstellen und die in der 1912er-Version noch nicht vorhanden waren.

Fazit

Luther 2017 lesen macht Spaß! Mit der 1984er Luther-Ausgabe konnte ich nie viel anfangen und so freute ich mich über die im Schweizer La Buona Novella Verlag 2009 erschienene NeueLuther Bibel, die sehr Luther-wortgetreu und doch gut verständlich übersetzt. Diese Ausgabe als F.C. Thomson Studienausgabe ist mein Favorit, bietet sie doch eine schier unerschöpfliche Fülle an Erklärungen und Material für das tiefere Eindringen in den Text. Aber auch die „Luther 2017“ der Deutschen Bibelgesellschaft ist ein Vergnügen für alle, die auf Erklärungen verzichten möchten. Besondere Mühe wurde auf den Satz und die Gestaltung verwendet. So entstand eine gut lesbare Ausgabe mit einem kleinen Apparat. So macht Luther lesen Spaß!

Kirstin Rappmund-Gerwers

Das Leben im Kongo ist nicht nur traurig, aber immer ganz ernst nehmen darf man es erst recht nicht. Am kältesten ist es auf dem Friedhof, und weil gleich zwei gute Freunde von uns in letzter Zeit beerdigt wurden, habe ich mal an Richard im Kongo geschrieben.

„Ich hau hier ab und versteck mich bei euch. Es ist mir hier erstens zu kalt, und zweitens wird hier im Moment gestorben. Ich bin jetzt 80, und wer weiß, wer hier jetzt der Nächste ist.“

Prompt schrieb Richard zurück

„Wir freuen uns alle, wenn du endlich mal wieder kommst. Aber vor dem Tod kannst du dich auch hier nicht verstecken, weil hier ja auch alle mal sterben. Wenn du aber trotzdem versuchen willst, vor dem Tod zu flüchten, bist du so bekloppt wie das alte Krokodil, das sich am Ufer sonnte und plötzlich eine dicke schwarze Wolke über sich sah. Aus Angst, vom Regen nass zu werden, ist es schnell in den Fluss gesprungen, wo es immer meinte, sicher zu sein! Ihr in Europa wollt gerne unser schönes Sonnenwetter haben. Vor allem jetzt in der Trockenzeit, wenn die Kinder auf den großen Sandbänken im Fluss spielen und die Frauen so viele Fische aus den Pfützen und Teichen im Dschungel holen, dass man sie gar nicht alle essen kann. Gott gibt uns Sonne satt und versorgt uns gut hier, und wenn die Fische fertig sind, kommt die Zeit der leckeren Binzuraupen. Eine Saison kommt immer nach der anderen, mal mehr und auch mal weniger.“

Richard hat aber auch noch geschrieben, dass wir Europäer doll auf die Sonne seien und gerne nach Süden reisen würden. Sie, die Menschen im Kongo, seien aber fasziniert von der Technik und allem hier bei uns, und sie flögen am liebsten alle nach Norden. Afrikaner denken, hier im Norden wäre das Paradies oder sogar der Himmel.

Komisch, jeder will unbedingt das haben, was er gerade nicht hat!

Zu wem hat Jesus früher wohl mal gesagt: Sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für sich selber sorgen. Es ist doch genug, dass jeder Tag seine eigene Last mit sich bringt.

Ich bleib, wenn ER will, jedenfalls erst mal noch hier.

Peter Gohl