Geistliche Musik weckt Urvertrauen in Gott

Musik spielt im christlichen Leben eine ganz wesentliche Rolle. Sie wirkt aufbauend, soll die Gemeinde öffnen und sammeln. Menschen aus ihrer Oberfläche ziehen, sie sensibilisieren – für andere Menschen, letztlich aber für Gott. Musik kann als Tür-Öffner in den Herzen der Menschen geradezu ein Wundermittel sein. An unserer Oberfläche sieht es oft doch so aus: Wir hören – und hören doch nicht, wir sehen – und sehen doch nicht.

Musik ist ein ganz wesentliches Kommunikationsmittel im Gottesdienst, so etwas wie eine zweite Predigt mit anderen Mitteln. Ein Johann Sebastian Bach will mit seiner Musik eine Botschaft vermitteln, geht damit auf die Menschen zu. Bachs persönliches musikalisches Credo lautet: Bei einer andächtigen Musik ist alle Zeit Gott mit seiner Gnaden Gegenwart. Es dürfte keinen Gottesdienst ohne Musik, ohne Gesang geben. Eine Gemeinde, die nicht mehr singt, in der versandet der Glaube. Der Anspruch eines Gottesdienstes muss sein, nach Möglichkeit alle Sinne des Menschen anzusprechen. Und dazu gehört das Singen. Der Gottesdienst ist keine Informationsstunde, sondern eine Feier des Glaubens.

Martin Luther hat einmal gesagt: ‚So sie’s nicht singen, glauben sie’s nicht! Luther hat Musik als ein großes Geschenk Gottes empfunden. Direkt hinter dem Glauben kommt die Musik. Im Katholizismus ist die Sinnlichkeit der Musik stärker ausgeprägt, Emotionen werden stärker angesprochen. In der evangelischen Kirche ist dies eher verhaltener.

Geistliche Musik kann die unterschiedlichsten Reaktionen bei Menschen auslösen. Es fängt an bei dem sprichwörtlichen Schauer, der einem den Rücken runter läuft. Beim Hören oder Spielen von geistlicher Musik kann ich Gewissheit in existenziellen Fragen erfahren. Ich kann mich in der Hoffnung gestärkt fühlen, dass es ein Leben nach dem Tode gibt. Mir kann klar werden, dass der Sinn des Lebens nicht aus Geldverdienen und Dolce Vita besteht. Positive Erfahrungen und Sehnsüchte, aber auch das Leiden an der Welt, meinen Mitmenschen, ja auch an mir selbst können durch Musik angestoßen und gefördert werden.

Eine aus der Tiefe kommende Gewissheit erfahre ich oft beim Hören oder Spielen von Musik. Ich warte dann ab, was sich tut, welche Erfahrung ich dabei mache. All dies vermag ich allerdings nicht zu beeinflussen. Das liegt nicht mehr in meiner Macht. Ich kann mich nur immer wieder dafür öffnen. Gerade die geistliche Musik weckt in mir ein Urvertrauen in Gott und die Welt und ermutigt mich, immer wieder auf Entdeckungsreise zu gehen.

Gerd Heydn

Quelle: „Typisch Kelz“ Nr. 20 Juni/Juli-Ausgabe 2005, Gerd Heydn im Gespräch mit Prof. Dr. Wolfgang Bretschneider (73), kath. Theologe und promovierter Musik-Wissenschaftler, Dozent für Liturgie und Musik, verschiedene Professuren für Kirchenmusik und Geschichte der Kirchenmusik, Organist.