Ohne (die richtige) Familie geht es nicht

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Vom Vatersein im Kongo

Nach einem Foto, das ich verbotenerweise an einer Stelle in Kinshasa gemacht hatte und einem folgenden Handgemenge um meine Kamera, wurde ich verhaftet.

„Wie heißt du“, wurde ich gefragt. „Ich heiße Joseph Bakemo und bin der Vater von General Joseph Bakemo, Polizeichef der Provinz Équateur“, war meine feste Antwort. Alles wurde dann noch etwas verkompliziert, aber dieser Spruch veränderte den Prozessverlauf um hundert Prozent.

Als Elisabeth und ich 1982 nach Basankusu in den Zaïre-Kongo kamen, gab man uns den Namen des ersten ordinierten schwarzen Pastors. Tata und Mama Bakemo heißen wir seitdem. Der alte Bakemo lebte da noch und war wohl 105 Jahre alt. Er nahm uns damals sofort in seine lange Gebetsliste auf. Wir wurden aber auch ganz in die Familie aufgenommen, mit allen Vor- und Nachteilen. Als ich zum ersten Mal nach Boeke, ins Stammdorf der Bakemos kam, wollte man mir da eine Ziege als Brandopfer geben: „Unser Sohn betritt die Erde der Väter. Die Erde soll jetzt das Blut dieser Ziege trinken!“ Irgendwie konnte ich die Opferung dann aber doch noch abbremsen, so dass das Todesurteil für das Tier in lebenslänglich umgewandelt wurde.

Oma Bakemo besuchte uns öfter und brauchte dann auch meistens irgendwas. Mama Bakemo war eine Bärenfrau, sie hatte zehn Kinder – auch ohne Hochzeit. Aber alle Kinder haben Karriere gemacht. Joseph Bakemo, mein Sohn, wurde tatsächlich General und Polizeichef der Provinz. Ich muss dazu erklären, dass man im Kongo sehr wohl Vater von jemandem sein kann, ohne je etwas mit dessen Mutter gehabt zu haben. Manche schöne Kinder haben hier ja auch mehrere Väter. Man muss in der richtigen Reihe stehen, dann geht im Kongo fast alles. Wir gehörten jedenfalls dermaßen zur Bakemo-Familie, dass Elisabeth einmal drei Tage lang Durchfall von Mama Bakemos Gemüseeintopf hatte. Sohn Joseph ließ einmal, als wir aus Deutschland kamen, in Mbandaka eine ganze Kompanie auf dem Flugplatz stehen, die zum Empfang des Gouverneurs aufmarschiert war, und begrüßte uns. Er lud uns auch einige Male zu einem großen Essen in seine Residenz. Inzwischen ist er an Bluthochdruck und Diabetes in Kinshasa gestorben, und wir sollten eigentlich nach Kinshasa zu seiner Beerdigung geflogen sein.

Hier in Deutschland sind meine Nationalität, meine Familie und die Freunde wichtig. Im Kongo helfen die nicht mehr, da hilft nur noch die Zugehörigkeit zum richtigen Stamm und die Freundschaft einer guten und einflussreichen Familie.

Wir haben es echt gut, denn wenn wir mal in den Himmel wollen, gehören wir dort zur Familie Jesu. Da wollen wir zusammen mit der ganzen Bakemo-Sippe singen: „Yesu ndeko na bolingo – Welch ein Freund ist unser Jesus!“ Jesus ist ja schon längst da und regelt allen Quatsch und alle Fehler, die wir mal gemacht haben.

Ohne Freunde und Beziehungen kommst du im Leben nicht weit und im Sterben erst recht nicht. Also pflegen wir jetzt schon mal ein bisschen die Verwandtschaft mit Jesus.

Peter und Elisabeth Bakemo