Chorprojekt 2016 – Fünfzig singende Briefträger

Unser Chorprojekt fing mit einer abgegriffenen, alten Mappe an. Sie war prall gefüllt mit leicht angegilbten Blättern. Schon allein die Art, wie Gabi uns die Mappe zeigte, ließ uns vermuten, wie wertvoll der Inhalt war.

Es war ihre Mappe voll mit den ersten Liebesbriefen ihres Mannes Bodo an sie. „Wenn der Postbote damals geahnt hätte, welch wertvolle Fracht er hat, hätte er die Briefe mit Sicherheit noch vorsichtiger transportiert“, sagte Gabi. Welch schönes Bild für das was dann folgte: „An diesem Wochenende werdet ihr Postbote sein und Liebesbriefe verteilen. Ob sie direkt geöffnet und sofort gelesen werden oder erst Jahre später, wisst ihr nicht. Aber ihr werdet die Liebesbriefe durch die Lieder, die wir morgen im Gottesdienst singen, austragen“.

Gut eingesungen übten wir also mit Hilfe der fantastischen Unterstützung am Klavier durch Tabea Niklas drei vollkommen verschiedene Lieder ein.

Mein Herz lebt auf (von Danny Plett) war der Titel unseres ersten Liebesbriefes und für manche die erste Auseinandersetzung mit der Frage: „Welche Stimme soll ich eigentlich singen?“, da sie zuvor noch nie in einem Chor gesungen hatten. Toll, dass ihr euch auf das Abenteuer eingelassen habt!

Für mich persönlich ist der Refrain des zweiten Liedes „Ich bin bei dir“ (von Udo David Zimmermann) zu einem ständigem Ohrwurm und Begleiter geworden: „Ich bin bei dir, keinen Augenblick bist du allein. Vertraue mir, dann kehrt in dir bald Ruhe ein. Wirf zu mir her, was dich beschwert und was dich lähmt, ich bin dein Gott, der dich und deine Nöte kennt. Da kann kommen, was wolle!“. Nach diesen zwei Stücken hatten wir uns eine Pause verdient und wurden liebevoll von Karin Niklas mit Weckmännern und Getränken versorgt.

Das letzte Stück hat uns dann noch einmal richtig herausgefordert. Mit unserem Gesang, der eher einem Choral ähnelte, brachten wir Gabi fast zur Verzweiflung, denn auf dem Programm stand ein Gospel: We will bless him (von Danny Plett). Unter vollem Körpereinsatz und zahlreichen Beispielen, wie wir den Text ausdrucksstark singen sollten, gab Gabi alles.

Nach drei Stunden intensiven Probens wurde es dann Ernst: Wir wechselten vom Probenraum in die Kirche und sangen die Stücke einmal gemeinsam mit der Band. Auch an dieser Stelle noch einmal danke von uns Sängern für eure Begleitung! Einige Stellen saßen im Chor noch nicht ganz so sicher, aber auch dafür hatte Gabi einen Tipp parat: Übt das einfach jedesmal, wenn ihr duscht und schaut euch heute Abend nochmal bei Youtube die Videos an! Meine Nachbarn und ich guckten uns an und fragten uns, wie oft wir wohl noch bis zum nächsten Morgen duschen sollten?

Nach einem mehr oder weniger Youtube- und duschintensiven Abend, folgte dann der nächste Morgen und der Gottesdienst. Bevor wir mit dem Einsingen starteten, zog Gabi mit einem verschmitztem Lächeln einen knallroten Umschlag hervor. „Ihr sollt heute auch einen Liebesbrief erhalten“ und las uns dann einen wunderschönen Liebesbrief von Gott an uns vor. Danke!

In der letzten Probe direkt vor dem Gottesdienst wurde noch der letzte Feinschliff angelegt und das „Hie hie hie is Lord“ auf unserem von Gabi angefertigtem Notenständerspickzettel machte uns dann endgültig klar, wie ausdrucksvoll wir die Botschaft von We will bless him zu singen hätten!

Und dann sollte es soweit sein: Mit einer Mischung aus Freude, Nervosität und Neugierde gingen wir als Postbote Gottes in den Gottesdienst. Was vorher nicht geklappt hatte, klappte; was vorher noch die ein oder andere Dusche hätte vertragen können, klang nun wunderschön. Aus dem gestern noch zusammen gewürfeltem Haufen verschiedenster Sängerinnen und Sänger, war ein Chor geworden, der nun von Gott erzählen konnte.

Das war mit Sicherheit viel Arbeit im Vorfeld!! Großartig, dass Gabi und ihr Team dies in Angriff genommen und mit soviel Freude durchgeführt haben! Ich wünsche mir, dass dieses Wochenende noch in vielen Herzen nachklingt und dass der ein oder andere Liebesbrief, den wir zugestellt haben, (irgendwann) genauso liebevoll

abgeheftet, gepflegt und wieder und wieder gelesen wird, wie die aus der abgegriffenen Mappe von Gabi.

Text: Stefanie Kühn / Foto: Thomas Schaufelberger