Im Theologiestudium spielt der Glaube keine Rolle
Gerd Heydn im Gespräch mit Jenny Scheier
Theologie-Studentin, Pfarrerin in spe. Tiefgläubige Wurzeln in der Familie? Wie hat sich Ihr Glaube entwickelt?
„Meine Eltern sind überhaupt nicht gläubig. Mit meiner Oma habe ich abends gebetet. Zum Konfirmanden-Unterricht bin ich in Giesenkirchen aber auch nur gegangen, weil man das halt so macht. Eine Freundin hat mich dann nach zwei Monaten überredet, den Unterricht in Kelzenberg fortzusetzen. Sie selbst ist dann allerdings schon bald gar nicht mehr gekommen. Für mich war es jedoch der Wendepunkt in meinem Leben.“
Was ist passiert? Was hat der Konfirmanden-Unterricht in Ihnen ausgelöst?
„Pfarrer Bodo Beuscher ist bei mir total glaubwürdig rübergekommen. Ich habe gespürt, dass das, was er uns zu vermitteln suchte, viel mehr war als nur eine auszugsweise Wiedergabe der Bibel, sondern dass das etwas mit meinem Leben zu tun hat. Durch die Konfirmation 2002 wurde Kelzenberg so etwas wie mein zweites Zuhause – Jugend-Gruppe, -chor und Samstagabend-Freizeitprogramm. Schon damals habe ich mich entschieden, mein zukünftiges Leben mit Jesus zu gestalten. In meinen wesentlich älteren Geschwistern, aber auch in meinen Eltern hatte ich leider keine geeigneten Gesprächspartner zuhause. Dort konnte ich über für mich wirklich wichtige Dinge überhaupt nicht sprechen. Da fehlte einfach auch das notwendige Vertrauen. Enge Freundschaften hatte ich zu jener Zeit ebenfalls nicht.“
Und wie hat sich Ihre Gefühlslage, vor allem Ihr Glaube dann in dieser Situation überhaupt festigen können?
„Den richtigen Dreh habe ich dann unmittelbar nach meiner Konfirmation bekommen, nachdem mich Bodo Beuscher angesprochen hatte: ‚Ich würde mich freuen, wenn Du mit uns in die Jugend-Freizeit fahren würdest‘. Auf die Idee wäre ich von alleine damals gar nicht gekommen. Bei unserem Pfarrer habe ich gelernt, mit eigenen Worten zu beten. Früher waren Glaube und Gebet in meinen Augen etwas für alte Leute wie meine Oma. Ich kannte gar keine Christen, die jünger waren als meine Oma. Damit meine ich Menschen so um die Ende 60. Ich habe auf dieser Freizeit gespürt, dass Jesus da ist, dass ich nicht alles alleine machen muss, dass die Kraft dazu nicht aus mir herauskommt. Mit dieser Erkenntnis, Jesus ist bei mir, bei allem, was ich tue, ist meine Einsamkeit allmählich verflogen.“
Hat diese Erkenntnis denn schon für Ihre Entscheidung ausgereicht, Pfarrerin werden zu wollen?
„Das war ein allmählicher Prozess, der den Gedanken in mir hat reifen lassen, dass ich Pfarrerin werden könnte. Schon während der Konfirmanden-Zeit habe ich gemerkt, dass ich gerne weitergebe, was mich selbst bewegt. Wenn ich mit anderen über Jesus spreche, dann wird mir selbst am stärksten bewusst, wie groß und großartig Jesus tatsächlich ist, weil ich dabei spüre, wie Jesus mein Leben verändert. Helfen wollte ich anderen Menschen schon immer. Ein Beruf mit sozialer Ausrichtung war das, was ich mir als Kind vorgestellt habe. Meine neuen Erfahrungen mit Jesus aber sagten mir: Ich will Menschen nicht nur in schlechten Zeiten helfen, sondern ich will sie ein ganzes Leben lang begleiten. Seit meinem 15. Lebensjahr etwa habe ich Gott in meinen Gebeten gefragt, ob ich Pfarrerin werden soll.“
Und fühlen Sie sich bestärkt in Ihrem Berufswunsch?
„Ich habe bis heute zumindest kein Nein von Gott vernommen. Also habe ich für mich entschieden: Du fängst einfach mal an. Wenn es falsch sein sollte, wird Gott es mir schon noch zu verstehen geben.“
Sehen Sie sich denn durch Ihr Theologie-Studium darin bestärkt, den richtigen Weg eingeschlagen zu haben?
„Die Hochschul-Professoren geben eine rein wissenschaftliche Arbeit wieder. Der Glaube spielt im Studium überhaupt keine Rolle. Darauf habe ich mich inzwischen eingestellt. Nebenbei ist es auch ein guter Test für mich, ob mein Glaube das aushält. Heute – gegen Ende meines Studiums – würde ich sagen: Mein Glaube hat sich verändert, aber er hat es ausgehalten. Ich will Pfarrerin werden – auch, weil ich versuchen möchte, ein wenig gegen zu steuern gegen Kirche ohne Glauben. Denn es wird sich nichts ändern, wenn wir es nicht selbst ändern wollen. Ich hoffe, dass ich unter dem Dach der Kirche Menschen in Distanz zu Gott besser ansprechen kann als außerhalb. Wenn ich merken sollte, dass ich gegen Mauern laufe, würde ich mich für eine Freikirche entscheiden. In Freikirchen sammeln sich Menschen, die in der Regel schon fest im Glauben stehen.“
Können Sie in der heutigen Zeit denn davon ausgehen, mit Sicherheit eine Anstellung als Pfarrerin zu bekommen?
„Da bin ich sehr zuversichtlich, da großer Mangel an Anwärtern herrscht. Wenn ich Ende 2017/Anfang 2018 so weit bin, werden laut einer jüngsten Hochrechnung beispielsweise im Kirchenkreis Düsseldorf 90 Prozent der aktuellen Pfarrer und Pfarrerinnen altersbedingt in Rente gehen. Wenn möglich, möchte ich lieber eine Anstellung auf dem Land als in einer Großstadt.“
Gibt es offene Fragen für Sie in Ihrer Beziehung zu Gott?
„Immer wieder steht bei mir in der offenen Diskussion: Wie viel bewirkt mein Gebet zu Gott? Ändert Gott aufgrund meines Gebetes seinen Plan für mich? Und stimmt der folgende Satz absolut so: Wer bittet, dem wird gegeben, wer sucht, der findet, wer anklopft dem wird aufgetan…??? Daran knabbere ich permanent, weil ich diesen Satz für so wichtig für meinen Glauben erachte. Aber eins ist unstrittig für mich: Gott ist die Liebe!“