Sonne, Malle, Krankenhaus

Ich war noch nie auf Mallorca, denn ich hatte so meine ‚Meinung‘ dazu. Ballermann und Ruhestandinsel waren da wesentliche Begriffe in meinem Kopf. Doch ich wusste auch, dass viele Promis sich dort ein Domizil zugelegt haben. Also gaben wir der Insel doch mal eine Chance.

Was soll ich sagen? Es war wunderschön! Eine ganze Woche sind wir kreuz und quer über Mallorca gefahren und haben uns angeschaut, was ging. Nur so viel; ich kann inzwischen etwas verstehen, dass Leute sagen ‚hier will ich bleiben‘, und Bäume mit reifen Orangen oder Zitronen dran haben irgendwie was Magisches – ganz bestimmt! Dann war mein Resturlaub vom Vorjahr aufgebraucht, und eigentlich wäre die Story hier zu Ende, wenn nicht …

Ich hab‘ alles im Griff!

Tja, bis vorne in den Flieger hinein hatten wir es noch geschafft. Da fragte Maren die Flugbegleiterin, ob sie ein feuchtes Tuch haben könne. Ihr sei nicht wohl. Ich verstaute derweil schon mal unser Handgepäck und wartete. Was dann kam, war wie im Film. „Einem Fluggast geht es nicht gut. Ist zufällig ein Arzt an Bord?“ Ein paar Minuten später kam eine Flugbegleiterin auf mich zu, und ich wurde auch nach vorne gerufen. Da lag Maren mit Schüttelfrost, und „der Blutdruck hatte sich schon wieder stabilisiert“. Lange Rede kurzer Sinn, nach ein wenig Hin und Her mussten wir das Flugzeug wieder verlassen. Wir sahen dann den Flughafen von Palma mal von der anderen Seite. Nach einer Untersuchung und Erstversorgung am Flughafen – wobei keine schlimmen Dinge festgestellt wurden – stand für mich dann Flug um- und Hotel für eine Nacht buchen an. Das klappte mit unserem Reiseveranstalter prima. „Du hast alles noch gut im Griff!“ – dachte ich. „Dann geht es halt einen Tag später nach Hause und hey wir haben sogar was zu erzählen“ – dachte ich.

… und es hat Zuum! gemacht

Montagmorgen kamen wir genau bis zum Checkin. Dann das Gleiche wie am Vorabend: Übelkeit und Schüttelfrost. Die Sanitäterin vom Flughafen – die gleiche wie am Vorabend – zog dann die Reißleine und rief eine Ambulanz. Ich habe tatsächlich auf dem Weg ins Krankenhaus noch darüber nachgedacht, ob wir evtl. den Flug noch bekommen könnten – lächerlich im Nachhinein.

Die ersten Stunden im Krankenhaus sind nur so an mir vorbeigerauscht. Ich habe einfach nur ‚funktioniert‘. Nach ersten Ergebnissen hatte Maren eine Virusinfektion und ich sofort ein schlechtes Gewissen. In völliger Unkenntnis der Sachlage hatte ich nämlich schon längst Flugangst ‚diagnostiziert‘. Nun saß ich da mit einem Gefühl, als ob ich mitten aus vollem Lauf mal eben auf die Reservebank gesetzt worden wäre. In meiner Not habe ich mir das Buch vorgenommen, das ich eigentlich schon im Urlaub hatte lesen wollten. „Voll vertrauen“ von Thomas Härry war es. Ich hatte es zum Geburtstag geschenkt bekommen.

Achtung: Nun wird es fromm!

Während ich das Buch las, beschlich mich das Gefühl, dass ich nicht von ungefähr so da saß, wie ich da saß. Ich spürte, dass Hektik, Druck und dieses Du-musst-was-tun-Gefühl wichen. Wie? Weiß ich nicht, sorry. Je weiter ich das Buch las, umso deutlicher spürte ich in mir eine Frage Gestalt annehmen: Vertraust Du Mir?

Das Buch ist nicht sonderlich dick, und als ich damit durch war, war ich mir sonderbar sicher, dass dies der Grund war, warum wir hier einfach mal so von allem abgeschnitten festsaßen. Ja ich weiß, wie das klingt, aber ich weiß auch noch ganz genau, wie sich das da angefühlt hat.

Mañana mañana

Mit Vertrauen ist das so eine Sache. Ein wirklich gutes Buch darüber zu lesen und von den genialen Gedankengängen fasziniert zu sein, ist das Eine. Etwas ganz anderes ist es zu vertrauen. Nach dem Lesen des Buchs war ich gleich schon wieder im Aktivmodus. Ok Gott! Vertrauen haben! Super! Alles ganz toll! Ich hab‘ es kapiert. Also dann kann es ja jetzt nach Hause gehen, und ich versuch das mal – bestimmt. Und der Arzt sagt auch, mañana (spanisch: morgen). Prima!

Am Dienstag ist dann noch nicht so die große Veränderung da. Also werden zusätzliche Untersuchungen gemacht, um schlimme Dinge auszuschließen. Und der Arzt sagt, mañana. Mittwoch und es ist immer noch nicht wirklich besser. Außerdem hat man etwas auf dem CT gesehen. Das muss genauer angeschaut werden. Der Arzt sagt, mañana. Donnerstag sind die Schmerzen immer noch nicht weg, weshalb der Arzt eine weitere Untersuchung machen will. Der Dame vom internationalen Dienst platzt der Kragen. … Mañana, mañana! (das Spanisch davor konnte ich nicht verstehen). Der Arzt hebt entschuldigend die Schultern und sagt, mañana. Nach jedem mañana muss ich Maren anschließend mehr und mehr trösten und fand ‚Vertrauen haben‘ zunehmend schwieriger. Donnerstagabend war ich soweit, dass ich nicht mehr konnte. Ich schmiss den ganzen Bettel Jesus quasi einfach vor die Füße. Ich wollte ihm ja wirklich vertrauen. Aber so? Das ging hier über meine Kräfte. Also wenn Jesus wollte, dass ich Vertrauen habe, dann sollte er jetzt gefälligst selber was dafür tun! Erstaunlicherweise schien Jesus mit meinem innerlichen Ausbruch gar keine Probleme zu haben. Am Freitag ging es Maren endlich besser. Samstag konnte Sie sogar aufstehen und etwas spazierengehen. Ich sah Licht am Ende des Tunnels.

Dann, am Sonntagmorgen um 3 Uhr, bekam ich nur im Halbschlaf mit, wie die Pfleger und Schwestern Maren mit neuen Infusionen in ihr Bett brachten. Sie hatte scheinbar ein Mittel gegen Übelkeit bekommen, das sie gar nicht vertrug. Der Sonntag war der schlimmste Tag überhaupt.

Kontrollfreak in Not

Ich bin emotional durch diesen Tag nur noch gestolpert, gehumpelt und auch gekrochen. Am Ende hatte ich das Gefühl gar nicht mehr selber zu laufen. Dieses Gefühl war für einen Kontrollfreak wie mich abgefahren beängstigend. Auf der anderen Seite hatte es etwas von Schweben. Ich hatte die Kontrolle am Donnerstagabend abgegeben – oder besser hingeschmissen – und nun ein Gefühl von ‚getragen‘ werden.

Am Montag ging es Maren wieder besser, und der Arzt meinte, wir könnten den Rückflug buchen. Den bekamen wir für Mittwoch. Mit Zittern und Zagen hat das geklappt. Am Mittwochabend waren wir wieder zu Hause.

Hinterher ist man immer schlauer (oder)?

Jetzt ist das Ganze schon ein paar Tage vorbei, und der Alltag hat uns wieder. Was mich im Nachhinein noch immer mit am meisten erstaunt, ist, dass wir während der ganzen Zeit – vom Gesundheitszustand Marens einmal abgesehen – keinerlei Schwierigkeiten hatten. Egal wo oder bei wem – Reiseveranstalter, Sanitäter, Krankenhaus, Krankenversicherer, Arbeitgeber – es gab nirgendwo auch nur einen Augenblick, wo etwas ‚hakte‘. Immer hieß es: kein Problem.

Diese eineinhalb Wochen ‚Auszeit‘ hatten eine innere und äußere Choreographie mit einer Präzision wie eine gut geölte Maschine. Es fiele mir sehr schwer, hier von Zufall zu sprechen.

‚Toll‘ war die Zeit mit Sicherheit nicht, und ich wünsche niemandem, so etwas zu erleben. Nur weiß ich zumindest für mich selbst, dass das Erlebte mich und meine Beziehung zu Jesus verändert und vorangebracht hat.

Ralf Menk