Den Dank im Herzen tragen
Immer wenn ich bei Richard wohnte, kamen die Kranken, Behinderten und Armen zu mir so wie früher Menschen zu Jesus. Nur, ich kann niemanden heilen wie Jesus. Ich kann höchstens vertrösten.
2011 kam Mama Boketsu und zeigte mir Jean, ihren Enkel, der schreckliche Geschwülste am Kopf und auf dem Rücken hatte. Ich sollte ein Heilungs- oder Zauberwort sprechen oder besser noch: den Jungen mit nach Europa nehmen. Ich war total entsetzt und absolut hilflos. Als Richard aber meinte, dass der Doktor das operieren könne, wurde die Mama schlimm böse und schrie, dass die Leute beim Doktor nur sterben und der Junge da ganz sicher umgebracht werden würde. Es wurde heftig diskutiert. Doch als ich weg war, hat Richard den Jungen wohl heimlich entführt und in die „Klinik“ gebracht.
In Basankusu braucht man beim Operieren vor allem eine Taschenlampe aus China. Aber der gute Junge hat alles überlebt, und ich habe damals 350 $ gezahlt. Danach habe ich nichts mehr davon gehört.
Jetzt schrieb Richard, Jean sei zu ihm gekommen und hat ihm drei Eier gegeben. Ein Ei sollte er mir nach Europa schicken. Richard war wohl erst völlig verdutzt, wieso der ihm die Eier geben wollte, aber dann schob Jean sein Hemd hoch und zeigte ihm die riesige Narbe auf seinem Rücken.
Ich habe mich ja längst daran gewöhnt, dass viele Leute im Urwald nicht schnell mal eben Danke sagen wie wir Deutschen. Die können ihren Dank über Jahre im Herzen tragen, ohne ein Wort darüber zu verlieren. Sie würden aber immer zu mir stehen, wenn ich wieder nach Basankusu komme. Wir hier haben als Kinder gelernt, Danke zu sagen, selbst wenn wir nur ein Bonbon bekamen. Damit war das Bonbon dann aber auch abgegolten. Jean kam jetzt nach fünf Jahren zu Richard, um sich zu bedanken, und gab ihm die drei Eier, die er wahrscheinlich geklaut hatte. Er hat ja keine Eltern und haust bei seiner Oma.
Ich habe überlegt, dass wir hier versuchen, uns schnell gegenseitig selbst zu entschuldigen – und das oft sogar bei Christus. Aber kann man das denn überhaupt? 350 $ habe ich für Jeans OP bezahlt, und sein Dank waren jetzt drei kleine Eier. Damit ist doch überhaupt nichts abgegolten! Ob ich hier nun mit viel oder wenig Wasser getauft wurde und Danklieder singe oder auch mal Armen helfe, mein Dank gegen Jesus, der sich für mich kreuzigen ließ, ist ja immer noch viel ärmer als die drei Eier gegen 350 US-Dollar.
Jeder hat ja seine persönliche Art und Weise, aber ich möchte meinen Dank gegen Christus am Kreuz immer in meinem Herzen tragen, egal, was kommt – oder auch nicht kommt.
Peter Gohl