Gott in allen Winkeln der Republik gesucht – Aber nix ist passiert

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Gerd Heydn im Gespräch mit Gabriele Jonas

Sie sind jetzt an den Ausgangspunkt einer langen, weiten Reise in Ihrem Leben zurückgekehrt – nach Jüchen. Hätten Sie Ihr Leben denn nicht einfacher gestalten können?

„Ja, vielleicht. Aber es war wohl Gottes Weg für mich. Heute weiß ich, dass hier in Jüchen, in der Gemeinde Kelzenberg mein Platz ist. Hier bekam ich Boden unter die Füße. 20 Jahre war ich auf der Suche nach Gott.“

Welche Erfahrungen haben Sie mit dem christlichen Glauben in Ihrer Jugend gemacht?

„Im Religionsunterricht der Schule hatte mich der Satz angepackt: Gott liebt Dich! Nachdem ich bereits ein Jahr Konfirmanden-Unterricht in Mönchengladbach gehabt hatte, zogen wir nach Jüchen um. Der Pfarrer in Jüchen hat dieses erste Jahr jedoch nicht anerkannt, ich musste noch mal von vorne anfangen. Diese Zeit in Jüchen war für mich eine Tortur. Der Umgang mit den Konfis widersprach meinem christlichen Verständnis. So durfte man mit Menschen nicht umgehen. In der Woche vor meiner Konfirmation drohte mir der Pfarrer dann, mich nicht zu konfirmieren, weil ich seiner Meinung nach den Vier-Zeiler, den ich während des Konfirmanden-Gottesdienstes vortragen sollte, nicht laut genug aussprach. Was sollte ich machen – eine lautere Stimme hatte ich nicht. Damals habe ich gebetet: Gott ich verlasse Dich nicht, aber ich verlasse die Institution Kirche. Die Konfirmation fand zwar statt, aber danach war ich allerdings für gut 20 Jahre weg vom christlichen Glauben, habe keine Kirche mehr besucht. Mit 21 Jahren habe ich Jüchen verlassen und meine Reise quer durch Deutschland angetreten.“

Welche Wünsche, welche Vorstellungen hatten Sie denn damals von Ihrem Leben – und an IHREN Gott?

„In meinem erwachsenen Leben ging es mir wie vielen anderen Menschen, die die Kirche verlassen hatten, jedoch weiterhin an Gott glaubten. Ich besuchte jede Menge Seminare, begann, Glauben auch außerhalb des christlichen zu suchen. Spiritualität machte einen wichtigen Teil meines Lebens aus. Das alles unter großem zeitlichen wie finanziellem Aufwand. Wenn ich dann aber wieder nach Hause kam, wo immer das gerade war, fühlte ich mich allein. Gott blieb für mich auf Distanz, trotz der Gebete und regelmäßigen Meditationen. Auf meiner vorletzten Station 2011 in der Nähe von Karlsruhe fühlte ich plötzlich eine tiefe Traurigkeit in mir. Ich resümierte für mich: Ich war allein, den vielen Freunden fehlte für Gemeinsamkeiten die Zeit. Der Job lief nicht mehr so, meine Familie fehlte mir, und meine Beziehung zu Gott gelang auch irgendwie nicht. Ich hatte die Nase voll, begann zu beten, ja ich schimpfte regelrecht mit Gott: ‘Herr, was soll das? Du lässt mich im Stich, so will ich nicht weiterleben. Ich brauche Leute um mich herum, Leute, die meine Spiritualität teilen und stärken.‘ Ich habe regelrecht Forderungen in meinem Gebet an Gott gestellt: 1. eine Freundin, die mit mir auf dem gleichen Weg ist, 2. einen Job, der mich ernährt. 3. eine Wohnung, die ich auch bezahlen kann, wenn mal wieder ein Projekt ausläuft, und 4. eine spirituelle Gemeinschaft, die meinen Lebensraum bildet.“

Und – hat Sie Gott erhört…?

„Gemessen an der Zeit, die ich durch mein Leben geirrt bin, ging es rasch. Im August 2012 bin ich aus dem Karlsruher Umfeld nach Jüchen heimgekehrt. Meine alte Freundin Eva zog vier Wochen vor meinem Umzug vom 40 Kilometer entfernten Linnich nach Aldenhoven. Ich fand eine schöne, preiswerte Wohnung und einen festen Job. Blieb die Suche nach einer spirituellen Gemeinschaft. Auf die stieß ich im Frühjahr 2014 auf einem Spaziergang über die Felder nach Kelzenberg. Da stand ich staunend vor dem großen Gemeindehaus der evangelischen Kirchengemeinde. Der damalige Hausvater Paul-Heinz Müschen zeigte mir bereitwillig das Gebäude und teilte mir mit, dass eine Meditationsgruppe existiere.“

Wie ging’s dann weiter?

„Meine Freundin Eva und ich hatten ja einen Meditationskreis gesucht. Und den fanden wir im Stillehauskreis von Kelzenberg. Das war die von mir über Jahre sehnlichst gewünschte spirituelle Gemeinschaft. Bei unserem ersten Gottesdienstbesuch in Kelzenberg traf mich wieder der Satz, der mich schon als Kind regelrecht angesprungen hatte: Gott liebt Dich!. Ich hatte das Gefühl, dass mich Gott ausdrücklich hierher nach Kelzenberg geführt hatte. Durch den Glaubenskurs, den ich Ende 2014 besuchte, verspürte ich erstmals in meinem Leben eine lebendige Gottesbeziehung – die frühere Distanz verschwand, Jesus trat in meinem Leben an meine Seite. Ich war zu Hause angekommen.“

Und doch sind Sie noch einmal „ausgebrochen“, obwohl schon am Ziel Ihres langen Weges angekommen?

„Ich wollte herausfinden, wie es ist, das Leben mal für ein Jahr völlig in Gottes Hände zu legen, mich ihm ganz zuzuwenden. Ende Oktober 2017 habe ich meine Wohnung in Jüchen untervermietet und wollte mich in einem christlichen Haus in der Nähe von Kronach in Unterfranken zurückziehen mit vier Stunden Meditation am Tag und vier Stunden Arbeit. Die Hausgemeinschaft bestand aus sechs Gottsuchenden und zwei Leitern, davon ein Pater für die Kontemplation. Das konträre Verhalten der Leitung zu ihren Worten erinnerte mich an die Stelle in der Bibel, in der von Pharisäern und Schriftgelehrten die Rede ist. Vier Wochen habe ich gebraucht, um festzustellen: So nicht! Ich fühlte mich in einer unangemessenen Machtstruktur verfangen wie ein handlungsunfähiges Kleinkind.“

Also Abbruch des „Experimentes“ nach wenigen Wochen. Aber dann haben Sie doch – zumindest vorübergehend – heimatlos auf der Straße gestanden?

„Kurz vor Weihnachten wurden wir, drei der sechs Hausbewohner, von einem auf den anderen Tag vor die Tür gesetzt, weil wir unseren Unmut gegen die Hausleitung artikuliert hatten. Wenn man so will, war es für mich nach meiner Konfi-Zeit in Jüchen der zweite Kirchen-Rausschmiss. Meine Seele war wieder mal angeknackst und musste erst wieder gerade gebogen werden. Die Stillehauskreis-Mitglieder in Kelzenberg haben mich wunderbar aufgefangen, mir neuen Mut und neue Kraft gegeben. Tageweise haben Sie mich beherbergt. Am 15. Dezember konnte ich vorübergehend beim Leiter des Stillehauskreises einziehen.“

Ende gut, alles gut…?

„Ich hoffe. Zumal ich in dem Stillehaus meinen Lebenspartner Bernhard gefunden habe. Wir wollen den Weg mit Jesus Christus weitergehen, um im Glauben zu wachsen. Ja zu Jesus Christus zu sagen, ist ein wichtiger Punkt und stärkt auch die Beziehung zu meinem Partner. Das Beispiel des Stillehauses steht für mich für die alten Machtstrukturen der Institution Kirche. Ich denke, der Weg, der in Kelzenberg eingeschlagen wurde, ist der richtigere. Am liebsten würde ich die Gemeinde Kelzenberg ‚klonen‘ für alle Menschen, die von Gottes Bodenpersonal enttäuscht worden sind.“

Gerd Heydn