Lontongos Begegnung mit dem Teufel

,

Einen ganzen Tag war ich von Basankusu mit einem Bautrupp in einem Einbaumboot den Regenwaldfluss Lopori im Kongo hinaufgefahren. Dann hatte uns ein Händler noch 20 km mit seinem Allradfahrzeug bis nach Munda mitgenommen. Hier reparierten wir eine Woche lang das alte unbewohnte Missionshaus. Zum Abschluss bekamen die schwarzen Handwerkerjungs eine Abschlagszahlung, wuschen sich und gingen ins Nachbardorf, um hübsche Mädchen und verschmitzte Palmweinzapfer zu besuchen.

[columns count=“2″ gap=“2em“]Nach einiger Zeit kam Lontongo ganz verstört zurück gerannt und schrie dabei fortwährend: ,,Hier gibt es ganz, ganz schlimme Menschen.“ Die anderen waren ihm nachgelaufen und wollten ihn beruhigen, aber er wehrte sich fanatisch und biss wie ein Hund. Sechs Mann brauchten wir, um ihn zu überwältigen und zu fesseln. Festgebunden auf einem Stuhl, trugen ihn wir ihn zum Pastor. Beim Verhör stellte sich heraus, dass alle Marihuana geraucht hatten. Pastor Babombagala betete, und wir sangen ein Kirchenlied. Lontongo wurde ruhig, und der Pastor fragte ihn, ob er getauft sei und bereuen würde, dass er als Kind Gottes geraucht habe. ,,Ja, sicher“, war die Antwort. Dann folgte ein Lossprechungsgebet mit Handauflegung, und nachdem wir noch ein Lied gesungen hatten, sagte Pastor Babombagala: ,,Bindet ihn los, und lasst uns jetzt essen. Es wird sonst kalt.“

Auf der Rückreise am nächsten Tag hat mir Lontongo alles im Detail erzählt: „Jemand hat uns gefragt, ob wir mal den Teufel sehen wollten und hat uns allen in die Augen geblickt. Alle andern haben gelacht, aber ich habe den Teufel gesehen. Er sah furchtbar aus und hat zu mir gesagt: ,Lauf in den Dschungel!‘ Aber eine andere Stimme hörte ich sagen: ‚Lauf zu Ezali Mokili!“ (Kosename von Peter Gohl im Kongo. Übersetzt etwa: So ist das Leben, die Red.) Dieser Stimme bin ich gefolgt, und so lebe ich.“

Zuhause angekommen, machte die Geschichte schnell die Runde. Aber eines Abends kamen die finsteren Gedanken und die schlimmen Gestalten wieder zu Lontongo. Er musste wieder gefesselt werden. Ich bin dann jeden Abend mit einem schwarzen Freund zu ihm gegangen, um zu beten. Er wurde dann immer ruhig, aber nicht wirklich heil. Dann habe ich ihn zu einem Arzt gebracht, der aber nichts feststellen konnte. Später haben wir ihn per Flugzeug zu einem amerikanischen Spezialisten geschickt. Als er aber nach zwei Wochen zurückkam, schien er fast tot – zum Skelett abgemagert. Um sich beißend und schlagend, erkannte er sogar mich nicht mehr. Ich war verzweifelt. Soviel hatte ich unternommen, soviel gebetet.

Dann kam Pépé und sagte: ,,Die Alten haben beschlossen, dass Lontogos Leiden medizinisch nicht geheilt werden kann, sondern nur spirituell. Komm, fahr uns mit deinem Auto nach Lilangi zur Zauberin.“ – „Ich bin evangelischer Missionar, ich kann das nicht, ich darf das nicht, und ich will das auch nicht“, sagte ich. Wir verhandelten lange, aber ich blieb evangelisch.

Blutrache ist da im Dschungel normal, und so beschlossen die Ältesten, Lontongo zu mir zu tragen. Wenn er denn bei mir starb, hatten sie einen Schuldigen. Bestimmt 200 Menschen brachten Lontongo. Pastor Benji Lofinda stoppte den Zug vor seinem Haus. Nach hitziger Debatte über den unbelehrbaren Weißen, hörte ich auf einmal Pastor Benji mit fester Stimme sagen: ,,Den Jungen bringt ihr nicht zu dem Weißen. Er kommt zu mir ins Haus. Und ihr geht jetzt alle nach Hause. Ihr werdet sehen, was mein Gott kann. Los, haut ab!“

Lontongo sah aus, als ob er gleich sterben würde, aber er wollte immer noch beißen wie ein Hund. Wir brachten ihn und seine Mutter in Benjis Pastorenhütte. Ich hatte absolut allen Glauben verloren. Aber Benji rief die Ältesten, und sie beteten, dass Lontongo ruhig werden solle. Und er wurde tatsächlich still. Am nächsten Tag beteten sie, dass er wieder essen und trinken solle. Lontongo aß und trank. Am dritten Tag waren schon so viele Menschen da, dass wir in die Kirche ausweichen mussten. Da beteten sie, dass Lontongo wieder sprechen solle. Auf einmal grinste er und sagte: ,,Mbote na bino!“ (Hallo ihr).

Ein halbes Jahr blieb Lontongo mit seiner Mutter beim Pastor, der bei allen passenden und unpassenden Gelegenheiten für ihn betete. Dann war er wieder so weit, dass er arbeiten konnte. Benji verbot ihm aber, in seinem Heimatdorf zu leben, weil da die bösen Erdgeister wirkten. So bauten wir eine Hütte zwischen dem Pastorat und unserm Haus. Da ist er aus Angst einige Jahre geblieben, wurde aber wieder der zuverlässige Vorarbeiter unserer Bautruppe.

Als meine Zeit in Kongo-Zaïre zu Ende ging, wollte sich Lontongo ein eigenes kleines Haus bauen – in seinem Dorf. „Ich habe keine Angst mehr! Ich habe so viel mit Jesus erlebt. Der ist stärker als alle Geister. Ich bin ganz sicher, dass er mich auch in meinem Dorf bewahren wird!“ – Da konnte ich nur noch sagen: ,,Gott segne dich!“

Jesus sprach ein Machtwort zu dem bösen Geist, der den Jungen in seiner Gewalt hatte, und der Junge war von da an gesund. Die Jünger fragten Jesus: „Warum konnten wir den bösen Geist nicht austreiben?“ – „Weil ihr Gott nicht genug vertraut“, sagte Jesus. (Mt 17,18)

Wir Europäer leisten uns heute Psychotherapeuten…

Peter Gohl [/columns]