Ohne Wenn und Aber
Frauen, die für ihren Glauben einstehen und die im Vertrauen auf Gott handeln, hat es im Christentum schon immer gegeben. So lesen wir in der Bibel von Frauen, die selbstlos für Gerechtigkeit eintraten: Namen wie Lydia, Ester, Maria von Nazareth oder Maria Magdalena stehen für Mut und Selbstbewusstsein – und lassen sich nicht auf eine passive Rolle reduzieren.
Viele nahmen Einfluss auf Politik und Kirche, andere traten durch karitatives Handeln hervor. Sie gingen in die Geschichte ein und doch wird heute oft noch viel zu wenig von ihnen erzählt. Meist kennen wir ihre Namen: das sind z.B. Katharina von Bora, Teresa von Ávila, Elisabeth von Thüringen und viele andere mehr.
Beschäftigt man sich mit christlichen Frauen, die Zeitgeschichte darstellen, so stellt man schnell fest, dass in der Kirchengeschichte offenbar das Klosterleben eines der ersten Arbeitsgebiete war, in denen Frauen schon sehr früh selbständige und eigenverantwortliche Aufgaben übernommen haben. Zu nennen sind hier unter anderen:
Hildegard von Bingen (1098-1179)
Eine in der katholischen Kirche als Heilige verehrte Benediktinerin, Klostergründerin und Schriftstellerin des Mittelalters, die neben religiösen vor allem für ihre Zeit bedeutende naturheilkundliche und medizinische Schriften verfasste. Verehrt wurde sie auch als Mystikerin mit der prophetischen Gabe, vorauszusehen und Gegenwärtiges im Blick auf die Zukunft richtig zu deuten. Sie vermochte es, sich als Frau in einer Führungsposition unter Männern Gehör zu verschaffen. Sie war politisch aktiv, u.a. als Beraterin für Kaiser Barbarossa und Papst Alexander III.
Teresa von Ávila (1515-1582) war eine spanische Mystikerin und Nonne, die ab 1562 zahlreiche Klöster gründete, den Karmeliterorden reformierte, ein umfangreiches literarisches Werk hinterließ. Sie lebte ein Leben für den Glauben und teilte ihre Gottesliebe sowie ihre geistig-mystischen Erfahrungen auf humorvolle und lebendige Art und Weise in ihren Texten. Sie gilt als die Schutzpatronin Spaniens und wurde letztendlich 1970 als erste Frau in der katholischen Kirche zur „Kirchenlehrerin“ erhoben.
Die Aktivitäten und die Einflussnahme starker Frauen auf Kirchengeschichte und Weltgeschehen waren jedoch nicht nur auf das Klosterleben beschränkt.
Durch ihr für die damalige Zeit außergewöhnliches karitatives Engagement zeichnete sich Elisabeth von Thüringen (1207- 1231) aus. Sie führte ein Leben in tiefem Glauben und widmete es mit voller Hingabe den Schwachen und Kranken. Als Landesfürstin begann sie im Dienst um Kranke und Bedürftige schwere und von ihren Zeitgenossen als entwürdigend angesehene Tätigkeiten selbst zu verrichten. Das Hospital am Fuß der Wartburg hatte Elisabeth zu Beginn des Jahres 1226 gegründet, als eine schwere Hungersnot zu einer Verelendung weiter Bevölkerungskreise führte. Sie ist heute noch die Landespatronin von Thüringen und Hessen sowie die Schutzpatronin vieler „Elisabeth“-Krankenhäuser.
Katharina von Bora (1499- 1552) war eine ehemals katholische Nonne (1515–1523) und ab 1525 die Ehefrau des Kirchenreformators Martin Luther, mit dem sie sechs Kinder hatte. Würde sie heute leben, dann würde sie wohl als ziemlich selbstbewusste Managerin gelten. Sie übernahm für ihren Ehemann die Finanzen und die Verwaltung von Haus und Hof und verantwortete erfolgreich den Haushalts-Etat und die Schuldentilgung. Neben der Betreuung ihrer eigenen Kinder und Pflegekinder versorgte sie zahlreiche Gäste, verwaltete und bewirtschaftete eigenständig weitere Ländereien und betrieb dort Obstanbau, Vieh- und Fischzucht, braute Bier und baute Wein an. Als 1527 die Pest Wittenberg erreichte, machte sie kurzerhand das große Haus zur Krankenstation und pflegt zusammen mit anderen Frauen die Betroffenen. Luther soll sie in Anerkennung ihrer Fähigkeiten zuweilen »Herr Käthe« genannt haben – da sie souverän all jene Aufgaben übernahm, die sonst nur Männern zugetraut wurden. Auch in theologischen Fragen soll er sie als bibelkundige Gesprächspartnerin geschätzt haben.
In der aktuelleren Zeitgeschichte hervorzuheben sind unter anderem zur Zeit des Nationalsozialismus und insbesondere im Widerstand gegen die Judenverfolgung:
Katharina Helene Charlotte Staritz (1903-1953) war eine deutsche evangelische Theologin. Sie zählte zu den ersten Frauen, der die evangelische Kirche erlaubte, als Vikarin (nicht Pfarrerin!) tätig zu sein. Sie wurde 1938 in Breslau eingesegnet und setzte sich in der Zeit des Nationalsozialismus als Breslauer Stadtvikarin dafür ein, jüdische Christen in den Gemeinden zu integrieren und nicht auszugrenzen. Sie musste deshalb von 1941 bis 1943 Schutzhaft, Arbeitslager und Inhaftierung im Frauen-KZ Ravensbrück erdulden. Nach dem Krieg arbeitete sie als Vikarin in der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck.
Corrie ten Boom (1892-1983), Uhrmacherin und Mitglied der Niederländisch-reformierten Kirche. Als Christin setzte sich für die Rettung der Juden ein, in dem sie während der nationalsozialistischen deutschen Besetzung der Niederlande eine Untergrundorganisation gründete, mit der zahlreiche Juden vor dem Holocaust gerettet wurden. 1944 wurde sie denunziert und in das KZ Ravensbrück deportiert, das sie überlebte. Nach dem Krieg setzte sie sich für die Versöhnung zwischen Opfern und Tätern ein. Sie predigte nicht nur in den Niederlanden, sondern auch in Deutschland und in über 60 anderen Ländern. Ihr zentrales Thema war Vergebung, die nur durch Gottes Hilfe möglich sei.
Die Tradition des karitativen Engagements wird im 20. Jahrhundert u.a. fortgeführt von Mutter Teresa und Ruth Pfau
Mutter Teresa (Agnes Gonxha Bojaxhio) (1910-1997) war eine aus Albanien stammende indische katholische Nonne, die mit ihrem Orden der „Missionarinnen der Nächstenliebe“ Wohlfahrtsstationen und Sterbehäuser in Kalkutta betrieb. Weltweit bekannt wurde sie durch ihre Arbeit mit Armen, Obdachlosen, Kranken und Sterbenden, für die sie 1979 den Friedensnobelpreis erhielt. In der katholischen Kirche wird Mutter Teresa seit 2016 als Heilige verehrt.
Ruth Pfau (1929-2017) war eine römisch-katholische Ordensschwester und Frauenärztin sowie Lepra-Ärztin in Pakistan. Während ihres Medizinstudiums fand sie auf der Suche nach einer lebensbestimmenden Kraft zum christlichen Glauben. Sie ließ sich 1951 (evangelisch) taufen, konvertierte 1953 zur römisch-katholischen Kirche und trat in die Ordensgemeinschaft der Gesellschaft der Töchter vom Herzen Mariä ein. Von ihrem Orden nach Indien gesandt, blieb sie aufgrund eines Visaproblems in Karatchi, wo sie mit dem Elend der Leprakranken konfrontiert wurde. Sie blieb dort und heilte in den fast 60 Jahren ihrer Tätigkeit mehr als 50.000 Leprakranke in Pakistan und wurde so als »Mutter der Leprakranken« bekannt. So steht Ruth Pfau kraft ihres tiefen Glaubens für Menschlichkeit, Hingabe, Stärke und die Willenskraft, die Ärmsten der Armen zu unterstützen und die Welt zu verändern.
Wie diese kleine, subjektive Auswahl zeigt, traten zu jeder Zeit starke Frauen auf den Plan, die durch Gottes Führung zu Wegbereiterinnen einer besseren Gesellschaft geworden sind. Sie prägten die Zeitgeschichte und doch wird heute viel zu wenig von ihnen erzählt.
Thomas Velser