Risikofaktor Vertrauen

Wenn zwei Verliebte sich entscheiden, den Rest ihres Lebens verbindlich miteinander teilen zu wollen, geschieht dies im Vertrauen darauf, dass es möglich ist, gemeinsam durch dick und dünn zu gehen. Dabei schwingt sicherlich auch immer eine gewisse Unsicherheit mit, aber wenn das Vertrauen der deutlich stärkere Anteil ist, wird man „Ja!“ zueinander sagen.

Für die Beziehung zu Gott ist ebenfalls das Vertrauen die Basis, von der aus diese Beziehung gestartet und gestaltet wird. Dabei scheint es Gottes Herzenswunsch zu sein, uns davon zu überzeugen, dass Er nur gut zu uns ist, nur beste Absichten und Ziele für uns hat, das Beste aus unserem Leben machen möchte. Im Vertrauen auf Gott zu leben ist eine Reise durch dick und dünn, die uns vor stärkste Herausforderungen stellt, aber auch die stärksten Glaubenserfahrungen machen lässt. Dadurch wird sich diese Beziehung, wie das in guten Beziehungen üblich ist, ständig weiterentwickeln, vertiefen und immer stabiler werden. Ein prägender Faktor in der Beziehung zu Gott ist dabei die Tatsache, dass Ihm nichts unmöglich ist, dass Er alles unter Kontrolle hat, dass Ihm nichts zu schwierig ist. In diesem Bewusstsein schenkt Er einen Frieden, der krisenfest und unabhängig von äußeren Umständen ist.

In einem Brief an die Christen in Rom beschreibt Paulus am Beispiel von Abrahams Leben, wie sich die vertrauende Beziehung eines Menschen mit Gott entwickelt und vertieft hat.

In Abrahams Leben startete die Beziehung zu Gott mit einer existenziellen Herausforderung: Gott sagte ihm, er solle alles zusammen packen, was er besitzt und aus seiner Heimat, von seinem Vaterhaus wegziehen. Wohin? Das würde Gott ihm unterwegs zeigen. Jedenfalls machte Gott dem Abraham das Versprechen, ihn in ein Land zu führen, welches Er ihm und seinen Nachkommen schenken wolle. Er musste also die grundsätzliche Entscheidung treffen, sich auf den Weg einzulassen, den Gott ihn führen wollte. Und tatsächlich stellte Abraham sich dieser riskanten Herausforderung, indem er alles aufs Spiel setzte, seine Sachen packte und loszog. Daraufhin begann Gott ihm zu zeigen, welchen Schutz und Segen Er dem Abraham zu bieten hatte. Dabei verlief Abrahams Weg keineswegs gradlinig und frei von Rückschlägen. Immer wieder ging es in verschiedensten Lebenslagen um die Frage: Reicht Gottes Macht auch jetzt und hier aus?

Als Abraham in Kanaan angekommen war, erschien Gott ihm und sagte, dass er ihm und seinen Nachkommen dieses Land geben würde. Doch dann entstand eine Hungersnot im Land und Abraham zog nach Ägypten. Als er dort ankam, sagte er zu seiner Frau (die offensichtlich außergewöhnlich attraktiv war), sie solle sich als seine Schwester ausgeben. Er hatte nämlich Angst, man könnte ihn töten, um ihm dann seine Frau wegzunehmen. Da der König sie für Abrahams Schwester hielt, holte er sie zu sich an den Hof, um mit ihr zu schlafen. Zum Ausgleich bekam Abraham sehr großzügige Geschenke. Das war eine ziemlich ausweglose Situation, in die Abraham sich und seine Frau durch seine Ängstlichkeit hinein manövriert hatte. Was konnte er jetzt noch tun? Doch Gott löste diese verfahrene Lage für Abraham auf. Der Bericht wird in der Bibel sehr knapp gehalten (1. Mose 12, 14-20): „Tatsächlich zog Sara die Aufmerksamkeit der Ägypter auf sich. 15 Selbst die Beamten des Pharaos waren beeindruckt und lobten Saras Schönheit vor ihm. Da ließ er Sara in seinen Palast holen 16 und überhäufte Abram ihretwegen mit Geschenken: Diener, Schafe, Ziegen, Rinder, Esel und Kamele. 17 Aber der Herr bestrafte den Pharao und seine Familie mit Krankheiten, weil er sich Sara zur Frau genommen hatte. 18 Da rief der Pharao Abraham zu sich und stellte ihn zur Rede: „Was hast du mir da angetan? Warum hast du mir nicht gesagt, dass sie deine Frau ist? 19 Warum hast du behauptet, sie sei deine Schwester, so dass ich sie mir zur Frau nahm? Hier, nimm sie zurück! Macht, dass ihr wegkommt!“ 20 Er beauftragte Soldaten, die Abraham und seine Frau mit ihrem ganzen Besitz zur ägyptischen Grenze zurückbrachten.“

Gottes Hilfe und Zuwendung ist nicht von unserem einwandfreien Verhalten abhängig. Diese grundlegende Tatsache hat Abraham im Laufe seines Lebens mit Gott nach und nach immer tiefer verstanden. Weil er die grundsätzliche Entscheidung getroffen hatte, auf Gott hören zu wollen und sein Leben Gottes Führung zu unterstellen, konnte Gott Seine Pläne mit Abraham verwirklichen. Und das, obwohl er immer wieder Fehler machte. Doch das Bewusstsein, dass Gott sich unbedingt auf seine Seite stellt und ihn unterstützt, befähigte Abraham dazu, immer stärkere Herausforderungen in Gottes Sinn zu bewältigen.

Gott hatte ihm einen Sohn versprochen, der seinen ganzen Reichtum und alle Versprechen und Segnungen Gottes erben und an seine Kinder weitergeben sollte. Jedoch wurde Abrahams Frau Sara nicht schwanger. Sie warteten Jahr um Jahr auf das versprochene Kind, doch es schien vergeblich. Irgendwann kam Sara in die Wechseljahre und dann wurde es richtig eng mit Abrahams Glauben. Hatte er sich verhört oder war vielleicht sein eigener Wunsch so stark, dass er sich einbildete, Gott hätte geredet? Aber Gott hatte doch mehrfach und deutlich gesagt, dass Er seinen Nachkommen das Land geben und sie segnen würde. Diese Zweifel und Konflikte haben sicherlich dazu gedient, dass Abrahams Prioritäten in seinem Leben umsortiert wurden. Wer hatte das Recht, in seinem Leben zu sagen, wo es langgeht?

Da erschien Gott ihm wieder und bestätigte noch einmal, dass seine Nachkommen sehr zahlreich werden würden. Und dann heißt es (1. Mose 15, 6): „Abraham nahm dieses Versprechen ernst. Er setzte sein ganzes Vertrauen auf den Herrn, und so fand er Gottes Anerkennung.“ In Bezug auf den Glauben ist das eine der zentralsten Aussagen in der Bibel. Abrahams Haltung zu Gottes Versprechen hatte weitreichende Auswirkungen: Für ihn war ein Wort, welches Gott ihm gegeben hatte bedeutsamer, als offensichtliche Fakten oder vernünftige Argumente, die zu diesem Wort im Widerspruch standen. Er hielt also Gott für so zuverlässig und vertrauenswürdig, dass er sich durch keinen noch so unmöglich erscheinenden Tatbestand davon abbringen ließ, am Wort Gottes festzuhalten. Dadurch gab er Gott in seinem Leben das Vorrecht, den Kurs seiner Lebensreise festzulegen. Ein Sprichwort sagt: „Vertrauen ehrt“. Größere Ehre kann man Gott nicht geben, als Ihn bzw. Sein Wort so ernst zu nehmen, dass Er mit Seinen Guten Plänen und Absichten in unserem Leben zur Entfaltung kommen kann. Gott zu vertrauen bedeutet, Seine Autorität anzuerkennen. Dabei wird es in einem Leben in Beziehung mit Gott immer wieder um Risiken gehen. Wir treffen Entscheidungen, deren Konsequenzen nicht in allen Details vorhersehbar sind. Aber auf Gott zu hören und dann Seinen Frieden in sich zu tragen, ermöglicht uns, mit Zuversicht vorwärts zu gehen.

Gerd Reschke