Gerd Heydn im Gespräch mit Edmund Wiens

Zu Open Doors, seiner Entwicklung und Geschichte… 

„Open Doors ist ein überkonfessionelles Hilfswerk für verfolgte Christen in aller Welt. Die Gründung geht auf die Initiative eines einzelnen Mannes vor über 60 Jahren zurück. Der Holländer Anne van der Bijl, später als Bruder Andrew bekannt, startete 1955 erstmals mit seinem VW-Käfer und ein paar Bibeln, sorgsam in seinem Gepäck versteckt, hinter den ‚Eisernen Vorhang‘. ‚Der Schmuggler Gottes‘, so auch der Titel eines seiner Bücher, wollte Christen in einem christenfeindlichen Umfeld ermutigen, an ihrem Glauben festzuhalten. Darin sah er seine Berufung. Bruder Andrew riskierte dabei sein Leben für Gott und die Menschen, denen er die ‚Gute Nachricht‘ bringen wollte. Heute gibt es die Einrichtung von ‚Open Doors‘ in 70 Ländern mit ca. 1000 Mitarbeitern. Deutschland-Sitz für den gemeinnützigen Verein ist Kelkheim mit rund 70 Mitarbeitern. Das christliche Hilfswerk wird von Spenden aller Kirchen unterstützt.“

Wie christenfeindlich stellt sich die Situation denn aktuell für gläubige Christen in unserer Welt dar?  

„Nach der jüngsten Erhebung sind mehr als 200 Millionen Christen weltweit einem hohen Maß an Verfolgung ausgesetzt. Dabei sind die verfolgten Christen jener Länder gemeint, die Open Doors in dem jährlich veröffentlichten Weltverfolgungsindex als die 50 schlimmsten Christenverfolger-Staaten auflistet. An der Spitze dieser unrühmlichen Rangliste steht Nordkorea vor Somalia und Afghanistan. Dahinter folgen Pakistan, Sudan, Syrien, Irak und Iran. Weltweit erleiden noch viel mehr Christen Verfolgung und Diskriminierung. Christenverfolgung ist also nicht nur in der Antike zu finden, sondern leider auch heute. ‚Da sie mich verfolgt haben, werden sie auch euch verfolgen‘, sagt Jesus über den Hass der Welt, der sich gegen Christen richtet.“

Wie konkret will und kann Open Doors Verfolgten in deren Heimatländern helfen?

„Open Doors will verfolgten Christen in aller Welt eine Stimme verleihen, Solidarität schaffen, eine Brücke schlagen zwischen der freien Welt und verfolgten Christen. Bruder Andrew hat einmal gesagt: ‚Ich wünsche mir, dass jeder verfolgte Christ einen Christen aus der freien Welt an seiner Seite hat, der für ihn betet.‘ Open Doors unterstützt weiterhin verfolgte Christen durch Verteilung von Bibeln und christlicher Literatur. Weitere Maßnahmen sind Hilfe-zur-Selbsthilfe-Projekte, Vergabe von Mikrokrediten, in islamischen Staaten heute vermehrt das Angebot von Zufluchtshäusern, Trauma-Seelsorge, Gefangenen-Hilfe mit Ermutigungsbriefen und Rechtsbeistand, Gebetskampagnen und Nothilfe-Aktionen. Die Organisation führt die genannten Maßnahmen oder Aktionen immer in Zusammenarbeit mit den Kirchengemeinden im Land durch, oft auch mittels Partnerorganisationen.“

Die Wege, Bibeln mit einem VW-Käfer zu schmuggeln, gehören aber doch wohl der Vergangenheit an. Wie aufwendig sind die Maßnahmen von Open Doors, die angestrebten Ziele zu erreichen? 

„In den ersten Jahren der Arbeit von Bruder Andrew waren es vornehmlich die Staaten hinter dem ‚Eisernen Vorhang‘, denen die Aufmerksamkeit von Open Doors galt. Etwa ab 1967 rückten islamische Staaten ins Blickfeld. Als organisatorisches Meisterstück kann man die Aktion bezeichnen, mit der Open Doors 1981 eine Million Bibeln nach China gebracht hat – die lagen geschützt in einem Unterwasser-Anhänger eines Schiffes. Die vorher beschriebenen Hilfsmaßnahmen wie Nothilfe, Hilfe-zur-Selbsthilfe-Projekte, sehr viele Schulungen in vielen Bereichen erfordern einen großen Einsatz aller beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Kirchengemeinden, die bei der Umsetzung der Hilfsmaßnahmen mitwirken.“

Wie sieht ihr Job bei Open Doors Deutschland aus?

„Ich besuche Gemeinden, stelle unsere Arbeit, unsere Anliegen vor und bitte um Gebete für verfolgte Christen. Dabei fließen die Erfahrungen mit ein, die unsere Mitarbeiter in aller Welt machen, wenn sie erzählen, wie und was Menschen beten, die Verfolgung überlebt haben, also ihre Prüfung überstanden haben. Das bringt mich persönlich in meinem Glauben, meinem Vertrauen immer weiter, hilft mir, weniger an materiellen Dingen festzuhalten, mehr an Gott abzugeben, dafür mehr in der Bibel zu lesen.“

Dann profitieren Sie selbst auch von Ihrem Job, der im Dienst für andere steht…?

„Ja, natürlich, aber es war schon ein Kindheitswunsch von mir, den geistlichen Weg einzuschlagen, Ich hatte mich mit meiner Taufe als 17-Jähriger für Jesus entschieden. Mir wurde bewusst, der Glaube ist entscheidend. Und den musste ich unbedingt haben! Ich brauche die Vergebung meiner Schuld, die Gewissheit des ewigen Lebens. Für mich war es eine regelrechte Befreiung, als ich zu dem Punkt gekommen bin: Jesus, ich will mit Dir leben, ich bin Dein Kind!“

Was wussten Sie denn über Christen-Verfolgung, bevor Sie Mitarbeiter bei Open Doors wurden?

„Berichte über Christen-Verfolgung habe ich quasi mit der Muttermilch aufgesogen, waren für mich als Kind wirklich nichts Neues. Als Neunjähriger habe ich Bruder Andrews ‚Der Schmuggler Gottes‘ gelesen. In meinem Elternhaus lernte ich als Kind einen rumänischen Pfarrer kennen, der in seinem Heimatland 14 Jahre im Kerker gesessen hatte. Dieser Pfarrer hat ein Buch geschrieben ‚Gefoltert für Christus‘. Diese Geschichte vor Augen habe ich mich gefragt: Wie kann ich mich für solche Menschen einsetzen?“

Gottes Wege…

„…sind unfassbar, unberechenbar, viel größer, als wir sie uns vorstellen können, aber nie willkürlich. Gottes Wort ist das Fundament, auf das ich mich verlassen kann. Als tröstlich empfinde ich es, dass unser Leben hier auf Erden begrenzt ist, dass ich in der Ewigkeit mit Jesus zusammenleben werde. Aber die Zeit, die man hier auf Erden hat, sollte man bestmöglich nutzen. Das heißt, hier in der Welt von Jesus zu erzählen.“

Gerd Heydn

Gerd Heydn im Gespräch mit Ursel Göttges

Sie sind noch mitten im Krieg geboren, Ihre Kindheit war überschattet von äußerster Armut, Hunger und Kälte. Konnte sich da überhaupt ein Pflänzchen christlichen Glaubens bei Ihnen entwickeln? 

Erste Erinnerungen habe ich schon an die Nachkriegszeit. Mein Vater war in Russland vermisst. Meine Mutter musste mich und meine sechs Jahre ältere Schwester allein durchbringen. Bei der Rückkehr von der Evakuierung aus Thüringen fanden wir unsere ehemalige Wohnung 1945 in Wuppertal mit unserem gesamten Inventar nach zweijähriger Abwesenheit besetzt vor. Die Wohnung war ordnungsgemäß an eine ausgebombte Familie vergeben worden. Wir standen im wahrsten Sinne des Wortes vor der Tür, hausten dann neun Monate in einer winzigen Kabine in einem Bunker. Natürlich haben wir Kinder gemerkt, dass unsere Mutter große Sorgen hatte. Ich habe aber heute noch vor Augen, dass meine Mutter täglich in der Bibel und im Losungsbuch gelesen hat. Diese Erinnerung hat sich tief bei mir eingeprägt.

Wie hat Ihre Mutter ihren Glauben denn auf Sie übertragen?

Sie hat ihren Glauben gelebt – uns vorgelebt. Gesprochen hat sie nie darüber. Aber ich habe gespürt, dass sie trotz aller Einschränkungen in unserem damaligen Leben immer wieder Kraft aus ihrem Glauben gezogen hat – für sich und für uns Kinder. Daran hat sie sich auch in schwerster Not geklammert. Abends ließ sie mich im Bett immer ein Gebet sprechen.

Wann fiel dann der erste ‚Lichtstrahl‘ auf Ihr junges Leben?

Das war 1948 noch vor meiner Einschulung. Vom Gesundheitsamt der Stadt Wuppertal bin ich wegen meiner Unterernährung für einen Kindertransport zu einem dreimonatigen Aufenthalt im Kanton Zürich ausgewählt worden. Meine Schweizer Gastfamilie ließ mich mein Heimweh ganz schnell vergessen und hat mich richtig aufgepäppelt. Es wurde die schönste Zeit in meiner gesamten Kindheit, für die ich heute noch dankbar bin, weil ich mit lieben Menschen bei guter Ernährung ein herrliches, freies Landleben genießen durfte. Mit der ältesten Tochter der Schweizer Familie habe ich heute noch Kontakt.

Wie hat sich dann Ihr Glaube im Kindesalter weiter entwickelt?

Nach der Einschulung ging ich sonntags in den Kindergottesdienst. Der sprach mein Innerstes an und wurde mir sehr bald wichtig in seinem gesamten Ablauf. Es entwickelte sich in mir ein starkes Vertrauen und eine Liebe zu dem Gott, der sich um mich und mein kleines Leben kümmerte und – mit dem ich reden konnte! 1949 fanden wir außerdem zur Landeskirchlichen Gemeinschaft mit der ihr angeschlossenen Jugendarbeit des EC, Entschiedene Christen. Dort fühlten wir uns wohl und angenommen. Man kümmerte sich um einander. Ich war früh berührt von Gottes Menschwerdung, von Jesu Leiden und Sterben für uns Menschen und seiner Liebe zu uns. Ich glaubte von ganzem Herzen und fühlte mich geborgen in dieser Liebe. Und ich entwickelte mich vom 1. Schuljahr an zu einer nicht zu bremsenden Leseratte, las später alles, was greifbar war – von Johanna Spyri und Karl May bis hin zu christlicher Lektüre für Erwachsene, zum Beispiel Bücher über Luther und Paul Gerhardt.

Und immer gehörten kirchliche Musik, die Lieder im Gottesdienst, Chöre unabdingbar zu ihrem Glauben…

Ja! Nach meiner Konfirmation habe ich bis zu meinem 25. Lebensjahr in Wuppertal im Chor gesungen. Wir nahmen verschiedene Dienste auch außerhalb unserer Gemeinschaft wahr, sangen in Krankenhäusern, Seniorenheimen, Gottesdiensten und Evangelisationen. Nach meiner Heirat sang ich 27 Jahre in Rheydt und zuletzt auch in Kelzenberg im Chor. Die Lieder und ihre Texte empfand ich immer als wahren Schatz.

Haben Sie sich denn nie in Ihrem Glaubensleben Anfechtungen ausgesetzt gefühlt?

Doch, natürlich. Der Glaube musste wachsen, reifen, aber lag auch schon mal am Boden bei mir. Ich hatte mich auseinanderzusetzen mit Zweifeln, die mir selbst kamen, und kritischen Angriffen, die von außen an mich herangetragen wurden. Später begann ich, anerzogenes Denken und Verhalten zu hinterfragen, mich von Zwängen und Vorstellungen zu befreien, für die ich in der Bibel keine Begründung fand. Ich lernte, dass mein Maßstab, meine Orientierung allein das Evangelium sein musste. Und ich erkannte, dass auch Zweifel zum Leben eines Christen gehören und Gott uns trotzdem nicht fallen lässt. Das ist ein Prozess, der lebenslang nicht abgeschlossen wird, denn wir werden immer Lernende bleiben.

Hat es in Ihrem Leben denn einen direkten Anlass gegeben, mit Gott zu hadern?

1976 waren wir in einen Verkehrsunfall  verwickelt, in einen Frontalzusammenstoß mit einem Bus. Dabei riss mir das rechte Schultergelenk um mindestens zehn Zentimeter heraus, Nerven zerrissen. Ich erlebte das schlimmste Jahr meines Lebens: drei kleine Kinder und einen vollständig gelähmten rechten Arm, der wie leblos am Körper baumelt… vielleicht für immer. Dazu permanent unerträgliche Schmerzen. Ich habe wirklich einige Male zu Gott geschrien: Warum? Was habe ich falsch gemacht?

Wie haben Sie diese Krise in Ihrem Leben überwunden?

Es war an meinem 34. Geburtstag 1976, fünf Monate nach dem Unfall. Ich schlug morgens die Herrnhuter Losungen auf, und da stand Psalm 41,5: ‚Herr sei mir gnädig! Heile mich, denn ich habe gesündigt.‘ Und der Lehrtext aus Markus 2: ‚Es kamen Leute und brachten einen Gelähmten zu Jesus. Und als Jesus ihren Glauben sah, sprach er zu dem Gelähmten: Mein Sohn deine Sünden sind dir vergeben.‘ Das traf mich persönlich, ging bis ins Mark. Ich verstand. Weder der Gelähmte damals, noch ich heute waren schuldiger als andere Menschen. Aber Jesus setzt die Prioritäten ganz anders, und das sollten wir auch tun. Es gab immer schon Betroffene, die trotz Gebet keine Heilung erfahren haben, die mit ihrer Behinderung leben mussten. Das hätte auch bei mir so sein können. Von dem Tag an wurde ich ruhiger und konnte mich ihm anvertrauen. In den folgenden fünf Monaten durfte ich erhebliche Fortschritte feststellen.

Wie würden Sie die Werte Ihres Lebens- und Glaubensweges beschreiben?

Das Evangelium, das uns Jesus Christus in die Welt brachte, ist der feste Grund, der Wegweiser und das Licht auf meinem Weg bis hin zum Ziel. Daran kann ich mich halten und vertraue vor allem darauf, dass ich – wenn ich versage – trotzdem gehalten werde.

Ihr Weg zum ‚Ziel‘…

Unter Ziel verstehe ich den Zeitpunkt, an dem mein Lebensweg endet. Vorstellungen von dem, was im und nach dem Tod geschieht, will ich mir nicht machen. Es könnten ja nur naiv menschliche sein. Am Kreuz sagte er zu dem Verbrecher neben ihm: ‚Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.‘ Und Paradies ist dort, wo der Gott der Liebe ist. Jesus ist da. Also muss es wunderbar sein. Mein Ziel? Herr, wohin sonst sollten wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens!

Gerd Heydn im Gespräch mit Heinz Berthold

In 2016 sind Sie noch tausende Kilometer mit dem Auto gefahren, waren im Sommer mit Ihrer Frau im 52. Jahr als Ferien-Seelsorger auf der dänischen Insel Bornholm. Mitte Oktober sind Sie mit 85 noch 50 Kilometer Rad gefahren. Jetzt liegen Sie hier nach einer Rücken-Operation in einem Hospiz in Kaarst…

„Ja. Der Krebs hat meinen Körper angefressen, drei Rückenwirbel aufgeweicht. Meine Beine gehorchten mir plötzlich nicht mehr. Die Operation im November war ein Versuch, mir meine Mobilität zurück zu bringen. Aber ich wäre am Willen Gottes nicht vorbei gekommen, auch nicht durch den menschlichen medizinischen Eingriff. Ich bin jetzt ans Bett gefesselt, vom Brustkorb abwärts gelähmt. Weitere Operationen wird es nicht geben! Mir ist bewusst, wo ich hier liege. Der Krebs schreitet fort. Ein Hospiz ist ein Sterbehaus…“

Und jetzt hadert der Gottesmann Heinz Berthold mit Gott?

„Nein, nein – Jesus ist bei mir und hilft mir. Ich bin nicht in Verzweiflung und Verbitterung geraten. Mir wird langsam bewusst, dass Gott mich in dieses Bett gelegt hat, um Jesus im Hier und Jetzt erleben zu können. Ich bekomme mehr und mehr die Gewissheit, dass Jesus jetzt bei mir ist und hilft, diese Situation zu ertragen. Wenn das nicht so wäre, würde ich wahrscheinlich wahnsinnig werden. Ich habe mich im ersten Moment nach der Krebs-Diagnose zwar gefragt: Wärst du doch mal zur Vorsorge-Untersuchung gegangen. Aber ich glaube fest, dass es Gottes Wille ist, dass ich hier liege.“

Aber ein kleiner Schock war das doch sicherlich, als Sie ins Krankenhaus kamen, für einen Mann, der in diesem Alter noch so fit war wie Sie?

„Als ich zuletzt auf Bornholm war, habe ich in der Tat darüber nachgedacht, warum das so ist, dass ich noch so fit bin – und dann jetzt dieser abrupte Absturz. Aber dann hatte ich direkt zu Beginn meines Krankenhausaufenthaltes im Franziskus in Mönchengladbach zwei Erlebnisse, die mich fest in Gottes Hand wissen ließen. Im Aufzug traf ich einen alten Bekannten von früher, den Krankenhausseelsorger Schimanski, der mir gerade heraus sagte: ‚Heinz, Du musst Dich jetzt auf eine neue Wirklichkeit einstellen. Die solltest Du akzeptieren. Wir sollten uns nicht belügen.‘ Wenig später stand mir die Radiologin, Oberärztin Frau Dr. Büsche-Schmidt, gegenüber, die – wie sich im Gespräch herausstellte – seit etwa zehn Jahren zum Gottesdienst nach Kelzenberg kommt. Sie hat sich rührend um mich gekümmert. Ich war wahrlich in besten Händen.“

Der einzige Schmuck in Ihrem Hospiz-Zimmer ist ein Jesus-Buchstabenmobile, das Sie sich vor zehn Jahren aus Brasilien mitgebracht haben. Sie haben Jesus also buchstäblich vor Augen?

„Ja, so soll es sein. Jesus ist meine Zukunft – da, wo ich einmal hinkommen werde. Ich habe an Jesus festgemacht. Das heißt nicht, dass ich hier im Krankenbett in Anbetracht meines Zustandes pausenlos Halleluja singe. Aber ich empfinde eine gesegnete und aktive Zeit für mich in diesem Krankenbett. Ich lese soviel wie noch nie in meinem Leben – in der Bibel, im Gesangbuch, in den Losungen und die Bücher von Josef Ratzinger. Wenn ich nachts nicht schlafen kann, schlage ich Ratzingers ‚Jesus von Nazareth‘ auf. Ratzinger rückt nach meinem Verständnis das Jesus-Bild wieder zurecht, das nur allzu oft in christlichen Gemeinden zerpflückt wird, weil wir nicht mehr in der Gegenwart Gottes leben. Ratzinger baut mich auf. Es kommt mir bald so vor, dass mich Gott ins Bett gelegt hat, um dieses Buch noch mal konzentriert und in Ruhe zu lesen.“

Wenn Sie sich nicht damit beschäftigen, was geht Ihnen dann durch den Kopf?

„Die Lektüre, das konzentrierte Lesen lässt mich mein eigenes Denken im Laufe meines Lebens noch einmal überdenken. Mir wird bewusst, wie Gott mein Leben gelenkt hat, von Station zu Station. Wenn ich selbst aktiv wurde, ging es meistens schief. Ich habe die Hand Gottes unendlich oft in meinem Leben gespürt. Dafür bin ich dankbar. Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen und meine Zeugen sein, heißt es in Apostelgeschichte 1,8. Dieser Spruch, den ich bei der Einsegnung zum Abschluss meiner Ausbildung 1957 im Johanneum in Wuppertal erhielt, ist zum entscheidenden Fixpunkt in meinem Leben geworden.“

Sie liegen hier in Kaarst – da, wo Sie die schlimmste Zeit Ihres beruflichen Lebens als Pfarrer durchgemacht haben. Wirken die Erinnerungen daran immer noch nach?

„Für mich schließt sich hier ein Kreis. Wir haben in Kaarst über viele Jahre bis zu meiner Pensionierung 1995 in Unfrieden mit einigen wenigen in der Gemeinde gelebt – leben müssen. Ein früheres Gemeindemitglied hat mich besucht und jetzt am Krankenbett geradezu aufgefordert, über Vergebung und Versöhnung nachzudenken. Das Gespräch geht noch weiter. Gottes Erneuerungswille trägt Früchte in mir. Ich bin zum Frieden bereit. Und noch ein Hinweis für mich, dass der Kreis sich schließt: Ich hatte vor zweieinhalb Jahren einen kleinen Altar und ein Kreuz aus dem alten Kaarster Gemeindezentrum zu mir nach Hause nach Kelzenberg geholt, weil sie sonst entsorgt worden wären. Am 23. Oktober, also unmittelbar vor meiner Erkrankung, habe ich Altar und Kreuz in das neu belebte Gemeindezentrum zurückgebracht. Gott hat mich dafür gebraucht, eine kirchliche Angelegenheit zu einem guten Abschluss zu bringen.“

Haben Sie an Ihrem Krankenbett alte Kontakte wieder auffrischen können?

„Sehr viele. Es ist täglich ein Kommen und Gehen in meinem Zimmer. Ich staune über das Echo, das Gott mir jetzt hier gibt. Ich habe noch nie soviel gebetet wie jetzt hier von meinem Krankenbett aus – mit anderen Menschen. Gott hat es wohl so eingerichtet, dass mein Bett zur Kanzel wird. Das sagte mir eindeutig: Nur Mut, es geht weiter! Gott hat seine Schöpfung auch heute nicht aufgegeben. Unsere Zukunft bekommen wir von Gottes Seite. Die Schöpfung Gottes drückt sich in einer immerwährenden Erneuerung aus.“

Und die Konsequenzen für Sie aus dieser Erkenntnis?

„Herr, Dein Wille geschehe. Ich verspüre keine Angst vor dem Sterben. Ich habe noch ein paar Wochen zu leben – vielleicht auch noch ein paar Monate. Ich weiß es nicht. Ich gebe zu, ich habe gerne gelebt, aber ich glaube fest: Das Schönste kommt erst noch…“

Bodo Beuscher im Gespräch mit Gerd Heydn

Gerd, ich erinnere mich noch gut, wo und wie wir uns das erste Mal getroffen haben. Wir waren 1992 auf Jugendfreizeit in Spanien, und du hattest die Wochen vorher bei den Olympischen Spielen in Barcelona als Journalist gearbeitet. Ich war richtig gespannt darauf, dich zu sehen. Da war ein Mann, dessen beide katholisch getaufte Töchter inzwischen intensiv in unserer Gemeinde mit lebten, dessen Frau, damals auch noch katholisch, immer wieder mal „schnupperte“, der selbst aber völlig auf Distanz blieb.

„Der Augenblick unserer Begegnung in Spanien war damals ja nur flüchtig und kurz für mich. Meine Frau hatte mich unmittelbar nach den Olympischen Spielen mit dem Auto abgeholt, weil wir in der Nähe von Barcelona Urlaub machen wollten. Die Autopapiere aber hatte unsere Tochter Tanja in der Tasche mit in die Jugendfreizeit genommen. Aus Angst um unsere Verkehrstüchtigkeit sind wir damals als erstes zu euch in die Finca Arenys gefahren und haben uns die Kfz-Papiere von Tanja geholt. Zu jenem Zeitpunkt waren meine Oberflächlichkeit in Glaubensfragen und die Distanz zur Kirche noch prägend in meinem Leben.“

Wie hast du das denn erlebt, wenn deine Töchter von ihrem Interesse am Christsein erzählten? Was hast du gedacht, wenn du mit bekamst, was sich in ihrem Leben änderte? Hast du – als guter Papa – zugehört? Hast du – als kritischer Papa – Bedenken gehabt? Hast du diskutiert?

„Anfangs, also Ende der 1980er, Anfang der 1990er Jahre, war ich nur ärgerlich, wenn mir Tanja und Britta sonntagmorgens eröffneten, dass sie lieber zum Gottesdienst nach Kelzenberg wollten als mit mir gemütlich zu frühstücken. Zu jener Zeit war es für mich in meiner journalistischen Arbeit noch eine Kostbarkeit, den Sonntagmorgen mit meiner Familie zu verbringen. Als guter Papa habe ich meine Kinder zwar nicht gemaßregelt, aber mein Unmut war halt spürbar. Andererseits wurde mir bewusst, dass ihnen der Weg nach Kelzenberg wichtig war. Die tatsächlichen Veränderungen im Leben meiner Kinder habe ich erst etwas später zur Kenntnis genommen und hinterfragt. Was aber immer unmissverständlich bei mir rüberkam, war die Sorge meiner Kinder um das Seelenheil ihres Vaters. Irgendwann haben die Gespräche dann aus meiner Oberflächlichkeit zur Neugierde geführt. Und dann bin ich eines Sonntags mit nach Kelzenberg gefahren.“

Dein erster Eindruck?

„Die Schlichtheit der Kirche und der große Schriftzug über dem Altar: Er ist unser Friede. Der hat mich angemacht und tut es noch heute, wann immer ich in die Kirche komme. Dieser optische Eindruck und dann die erste Predigt, die ich von dir gehört habe, blieben im Kopf sitzen, auch wenn ich heute nicht mehr weiß, wovon du damals gesprochen hast. Haften geblieben ist mir aber, dass mich der Inhalt deiner Predigt überzeugt hatte – und nach mehr verlangte. Denn Überzeugungsarbeit war wichtig für meinen Kopf, und erst mal nur für den. Der Sprung vom Kopf zum Herzen folgte erst ganz allmählich.“

Und irgendwann hast du deine Distanz verlassen, hast angefangen zu hören, zu fragen, zu beobachten… War das nicht schwer für einen „gestandenen“ Mann um die Fünfzig, der einen eher stressreichen Beruf ausgeübt und mit vielen „coolen“ Leuten zu tun hatte?

„Als meine Neugier mal geweckt gewesen war, erschien es mir eigentlich nicht mehr schwer. Neugier und Beobachtungsgabe liegen ja in der Natur meines Berufes. Mein Nachholbedarf an Verständnisfragen und Bibelkenntnis war ja riesengroß, ist es im Grunde heute noch. Aber dafür habe ich in Kelzenberg immer wieder Menschen gefunden, angefangen bei dir und Gabi, später in meinen Hauskreisen, die ich heute gerne als meine persönliche geistliche Tankstelle bezeichnen möchte. Euer nimmermüder Einsatz und die Leidenschaft für die Lehre Jesu Christi haben letztlich auch einem hart gesottenen ‚Widerstandskämpfer‘ wie mir nicht nur den Kopf, sondern auch das Herz geöffnet. Was ich aber bis heute nicht gelernt habe, ist, mich gegenüber ‚coolen‘ Nicht-Christen als Christ zu outen. Diese Hemmschwelle habe ich leider noch immer nicht überwunden.“

Du hast dir ja für deinen Schritt ins Christsein Jahre Zeit gelassen. Dieses lange Nachdenken fand ich immer Klasse – bis du mir kurz vor deiner Taufe erzählt hast, dass du ja eigentlich schon als Kind eine Erfahrung mit Gott gemacht hattest, die sehr deutlich gewesen war.

„Ja, ich erinnere mich gut an Deine Worte: ‚Was für einen Hammer muss Gott denn noch auf dich loslassen. Was willst Du denn noch hören, bis Du endlich kapierst…?‘ Die Vorgeschichte: Als ich zehn Jahre war, musste meine Mutter an einem Gehirn-Tumor operiert werden. In der Nacht nach der OP rief das Krankenhaus an, wir sollten noch mal kommen – Abschied nehmen von meiner Mutter. Das überstieg meine Vorstellungskraft, das konnte – das durfte nicht sein. Und in solch einem Augenblick greift auch der vermeintlich Ungläubige nach dem Strohhalm, der da heißt: Gott. Der kleine Gerd suchte einen Vertrag mit diesem Gott zu schließen: Herr, wenn Du meine Mutter leben lässt, dann will ich auch an Dich glauben! Und Gott hat den Vertrag damals wohl ohne Einschränkung unterschrieben und im wahrsten Sinne des Wortes mit Leben gefüllt. Meine Mutter ist fast 94 Jahre alt geworden.“

Da wurdest du „aufgeweckt“, aber irgendwann hast du den Wecker wieder abgestellt?

„Ich habe den Wecker wohl immer wieder mit dem Kopfkissen erstickt, um mein altes Leben weiter so laufen zu lassen. Oberflächlich war so ein latentes Gefühl des Glaubens wohl in mir, nur offen und ehrlich habe ich mich nicht dazu bekannt, war ja nicht mehr in Not. In Notzeiten wie im Krieg erinnert man sich bekanntlich gerne an die – mögliche – Existenz eines Gottes, dann, wenn wir nicht mehr weiter wissen, wenn uns bewusst wird, dass wir eben nicht alles selbst in der Hand haben, unser aller Hiersein auf der Welt von Endlichkeit bestimmt ist. Gott hat wahrlich viel Geduld mit seinem ‚Vertragspartner‘ Gerd gehabt. 54 Jahre habe ich gezaudert, gezögert, gezweifelt, war interessierter, aber doch immer distanzierter Beobachter. Mir fehlten die geeigneten Anschieber, Bremser war ich mir über die Jahre selbst genug – bis meine Kinder anfingen, beharrlich an mir zu arbeiten.“

Vor kurzem bist du 70 Jahre alt geworden. Gilt für dich: Je älter, desto wacher?

„Ich hoffe, dass ich nicht noch mal sanft entschlummere. Mit 70, darf man ja sagen, biegt man allmählich in die Zielgerade seines Lebens ein. Und in diesem Alter haben sich auch die Richt-Werte meines Lebens in der täglichen Auslegung verschoben. So gesehen ist mir Gott heute näher als vielleicht noch vor zehn Jahren zu Zeiten meiner beruflichen ‚Ablenkung‘. Und die war wahrlich groß. Ich will sagen: Herr ich bin auf dem Wege zu Dir, aber der Weg erscheint mir immer noch weit. Das Gefühl kehrt immer mal wieder, das mich schreien lässt – ich komme nicht so recht vor-wärts. Und doch – ich denke, ich bin seit meiner Taufe bereit, mich bewegen zu lassen. Ich hoffe das jedenfalls inständig für mich selbst. In meiner ganz persönlichen täglichen Fürbitte sage ich: Herr, zeig mir den Weg zu Dir, lass mich Dich spüren, hören, füll mich ganz mit Dir und gib mir Deinen Frieden…“

Gerd Heydn im Gespräch mit Schwester Mechtilde Berger

Welcher Grundgedanke steht hinter den Steyler Missionsschwestern?

„Der Missionsdienst. Die Freude am Glauben anderen weitergeben. Steyler Missionsschwestern, aktuell rund 3300, arbeiten zurzeit in 48 Ländern. Die Schwestern leben in Gemeinschaften, manchmal auch nur zu zweit. Gründer der Steyler Schwestern war 1889 Pater Arnold Janssen aus Goch am Niederrhein, der 2003 von Papst Johannes Paul II heiliggesprochen wurde. Schon 1875 hatte Janssen das Steyler Missionswerk mit einem Männerorden in einem ehemaligen Gasthaus begonnen, das er mit Spendengeldern erworben hatte. Mit den Steyler Anbetungsschwestern hat Arnold Janssen eine dritte Ordensgemeinschaft in Steyl ins Leben gerufen. Das Gebet stand in seiner Arbeit immer an erster Stelle.“

Wie sind Sie ins Kloster nach Steyl gekommen?

„Ich bin schon als Kind mit Steyler Zeitschriften in Berührung gekommen. Als neugierige Leseratte habe ich die Missionsberichte gerne gelesen. Bei uns zuhause wurde der Glaube gelebt, weniger darüber gesprochen, wohl aber gebetet. Der Glaube gehörte zu unserem Leben wie das Schwarzbrot auf den Tisch. Meine Entscheidung, ins Kloster gehen zu wollen, hat meine Mutter damals voll akzeptiert. Ich vergesse nie, wie sie sagte: ‘Ich kann Dir doch nicht vorschreiben, wie Du glücklich werden sollst!‘ Ich glaube, ich war mit 16 Jahren durch die harten Nachkriegsjahre reifer als viele andere in meinem Alter. Armut habe ich in der Nachkriegszeit schon als Kind erfahren. Der Klostereintritt war für mich kein Verzicht! Ich habe ja den Traum meines Lebens gefunden, das gewählt, was ich gewünscht habe, was für mich wichtig war, und hatte immer nur das eine Ziel vor Augen: Missionsschwester zu werden.“

Ihr Gelübde – Armut, Ehelosigkeit, Gehorsam – hat Sie in keiner Phase Ihres Lebens zweifeln lassen?

„Wie sich Armut ausdrückt, habe ich schon zuhause als Kind erfahren. Eine Ehe zu führen, hätte ich mir zwar durchaus vorstellen können, aber dieser Rahmen war mir zu eng. Gehorsam hat für viele etwas Schreckliches, Einengendes. Aber Gehorsam hat mit horchen zu tun: auf Gottes Stimme hören. Darum kann ich sagen: Ich habe im Gehorsam die Freiheit des Geistes gefunden. Diese Vorstellung von Freiheit hat einen Wert für mich, weil ich mein Leben selbst so gewählt habe. Ich habe mich nie gefragt, ob ich mich gegen wen oder was entschieden habe, sondern immer für wen oder was. Auf diesem Weg bin ich glücklich geworden, würde heute noch einmal den gleichen Weg einschlagen. Je älter ich werde, desto mehr bin ich davon überzeugt. In meinem Nachruf soll einmal stehen: ‚Das größte Glück meines Lebens war meine Berufung zur Steyler Missionsschwester‘.“

Und Sie haben so gar keine Bedürfnisse materieller Art?

„Ein Priester hat einmal zu Beginn eines Gottesdienstes die Frage gestellt: ‚Haben wir, was wir brauchen – und brauchen wir, was wir haben?‘ Ich kann mich doch an der Schönheit von so vielen Dingen erfreuen, muss sie aber nicht besitzen. Alles was ich anhabe, ist ‚second hand‘ erworben. Die Grundbedürfnisse der Schwestern in der Kommunität werden gedeckt, die Gemeinschaft sorgt dafür, gibt mir das, was ich brauche. Mein Gehalt als Lehrerin floss automatisch an die Gemeinschaft, auf das Konto unseres Hauses in Steyl.“

Sie müssen sich also überhaupt keine Sorgen machen…?

„Nein. Ich habe Kleidung, ich habe zu essen, um die Versicherung kümmert sich die Klosterverwaltung. Meine Reise durchs Leben ist wahrlich eine mit leichtem Gepäck! Ich kann uneingeschränkt dankbar auf mein Leben zurückschauen – dankbar gegenüber Gott und auch dankbar gegenüber unserer Gemeinschaft. Ich sage mir jetzt im Alter immer öfter: Pass auf, dass du nicht zu viel anhäufst. Lass los! Wenn ich mein Innerstes auf Gott ausrichte, dann bekommen alle Dinge ihren Wert – auch, dass ich sie nicht brauche.“

Was verstehen Sie unter Luxus?

„Wir leisten uns jeden Morgen um 6.30 Uhr den Luxus, Gott zu loben in Gebet und Gesang. Wenn mir das mal nicht passt, muss ich mich fragen, ob mit mir etwas nicht stimmt. Es gibt dem Tag eine geistliche Struktur, ein gutes Regelmaß, eine gute, gesunde Gewohnheit. Sie ist auch ein ständiges Einüben in die Gemeinschaft mit Gott. Und die muss man pflegen wie die in einer guten Ehe zwischen Mann und Frau. Da reicht es auch nicht, einmal im Jahr zu sagen: Ich liebe dich noch.“

Für Ihren Ordensgründer Arnold Janssen stand das Gebet immer an erster Stelle, haben Sie eingangs unseres Gespräches gesagt. Welche Rolle spielt das Gebet in Ihrem Verhältnis zu Gott?

Das steht auch bei mir an erster Stelle, ist Grundlage meines missionarischen Dienstes. Ich möchte meine Erfahrung im Gebet gerne mit Worten des dänischen Theologen und Philosophen Sören Kierkegaard ausdrücken. Kierkegaard schrieb: ‚Als mein Gebet immer andächtiger und innerlicher wurde, da hatte ich immer weniger und weniger zu sagen. Zuletzt wurde ich ganz still. Ich wurde, was womöglich ein größerer Gegensatz zum Reden ist, ich wurde ein Hörer. Ich meinte erst, Beten sei reden. Ich lernte aber, dass Beten nicht nur Schweigen ist, sondern Hören. So ist es: Beten heißt nicht, sich selbst reden hören, Beten heißt, still werden und still sein und warten bis der Betende Gott hört.“

Gerd Heydn im Gespräch mit Peter Gohl

80 – und noch kein bisschen müde. Was meint eigentlich Ihr Hausarzt zu Ihren ‚Extrem-Ausflügen‘ in den Kongo nach drei Stents und permanentem Bluthochdruck?

„Der Doktor hat gesagt: ‚Wenn ich könnte, würde ich dir verbieten, in dieses Klima zu fliegen, aber du hörst ja doch nicht auf mich. Dann will ich wenigstens für dich beten.‘ Aber der war ja nur einer von vielen, die dauernd für uns gebetet haben. Er wusste, dass ich erst mal den Herrn nach dessen Meinung fragen würde. Ich habe aber jedes Mal irgendwie gewusst, dass ich fliegen soll. Von Anfang an hatte ich Zweifel, welchen Sinn das überhaupt macht. Es gab auch viele frustrierende Erlebnisse, und ich habe viele Fehler gemacht, aber ich habe immer wieder gespürt, dass Gott mich da haben wollte und dass das alles nicht meine Idee war.“

Machen Sie sich selbst ein Geschenk zu Ihrem 80. Geburtstag? Fliegen Sie auch dieses Jahr wieder in den Kongo?

„Mal sehen…Gott wird es mir schon sagen.“

Was hat Sie denn letztlich Anfang der 1980er Jahre überhaupt bewogen, mit Ihrer Frau in den Kongo zu gehen?

„Wir hatten ja ein Baugeschäft und jemand fragte mich, ob wir eine Schule bauen könnten. Das wollte ich gerne, doch es stellte sich heraus, dass diese Schule im damaligen Zaire entstehen sollte. Das war der Anfang einer langen Geschichte. Es ging uns gut und Elisabeth hat damals gesagt: ‚Wir haben 20 Jahre nur für uns und das Finanzamt gearbeitet, wir sollten mal ein Jahr für Gott und die Mitmenschen da sein!‘ Wir ahnten aber nicht, worauf wir uns einließen. Null Ahnung, keine Sprachkenntnisse außer einem Crashkurs in Französisch, ein mörderisches Klima im Regenwald mit 90 Prozent Luftfeuchtigkeit, kein Strom. Die meisten Baustoffe mussten selbst hergestellt, Fischer- und Jägerjungs angelernt werden. Letztlich hatten wir eine gute Bautruppe, die überall in Dschungeldörfern Kirchen, Krankenstationen und Schulen bauten. Aber ich sollte bald erkennen, dass alle unsere Bauten einmal wieder Ruinen sein würden, so wie die ehemaligen Kolonial- und Missionshäuser. Es ging um etwas ganz anderes – etwas, das ich nicht kannte. Aber Gott wusste es, denn der hatte uns ja geschickt.“

Was wollten Sie denn noch aufbauen im Kongo, außer mit Ihren Händen Stein auf Stein zu setzen und die Menschen dort darin anzulernen?

„Frage: Was ist der Sinn des Lebens? Wenn ich in den Dschungel geflogen bin, habe ich auch immer was gemacht und viel geredet. Ein Dschungelpastor nannte mich seinen Freund und sagte: ‚Hör zu, ich lege mich auf die Erde und stell mich tot. Wenn meine Frau dann kommt und Halleluja schreit, der Alte ist tot, dann weiß ich, dass sie mich nicht mehr liebt! Wenn du uns hier besuchst, kannst du nur unser Freund sein. Denn hier kannst du ja nichts verdienen. Du kriegst gerade knapp satt zu essen. Wir sind hier wie tot. Wenn aber die Leute sehen, dass du aus dem schönen Europa zu uns in den Dschungel kommst, wo du keine Matratze zum Schlafen hast, können sie auch wieder neu glauben, dass Jesus den Himmel verließ, um sich um uns Menschen im Elend zu kümmern!‘ Geld muss nicht unbedingt schädlich sein. Wenn ich aber einem Kranken eine Operation bezahle, wird er trotzdem eines Tages sterben. Dass ich helfe, das zählt! Ich riskiere nicht Kopf und Kragen für ein missionarisches Alibi im Kongo. Ich selbst bin das Projekt, an dem ich arbeite. Mission ist Herzenssache. Die zu besuchen, die sonst keiner besucht, darum geht es.“

Die Triebfeder in Ihrem Glauben, in Ihrem Vertrauen auf Gott?

„Gott sagte zu Abraham: Geh! Und der ging dann auch, ob es schwer fiel oder nicht. So gehe ich auch jetzt hier in den nächsten Tag. Glauben heißt: Hingehen im Vertrauen auf Gott. Die Bibel ist voll solcher Beispiele. Und wir haben im Kongo so viele gläubige Menschen getroffen, die weder evangelisch noch katholisch waren.“

Wie haben denn Ihre beiden Söhne, damals 17 und 19 Jahre alt, Ihre Entscheidung hingenommen, in den Kongo zu gehen?

„Unsere Jungens waren stolz, dass wir unseren ganzen kapitalistischen Kram hinter uns lassen wollten. Die Entscheidung war hart und traf Elisabeth als Mutter am härtesten. Unsere schlimmste Stunde kam, als wir 1982 im Hafen von Antwerpen Abschied von unseren Jungs nahmen. Wir verstanden uns selbst nicht und haben jede Nacht die Kopfkissen nass geheult. Die Jungs sind in einer Art Wohngemeinschaft in unserem Haus geblieben, das wir an Freunde vermietet hatten. Das Baugeschäft in Wermelskirchen hatten wir aufgegeben.“

Liebe, Nächstenliebe haben sich in Ihrem Leben aber nicht nur und nicht erst durch Ihre Missionstätigkeit im Kongo ausgedrückt?

„Nein, 1972 stellten wir der Jugendgruppe unserer Gemeinde einen hellen Kellerraum in unserem neuen Haus zur Verfügung. Daraus entstand ein Jugend-Treff, wo schon mal 100 Leute zusammen sangen und beteten. Teestube war damals modern. Unser Haus war immer voll mit Jugendlichen, wir saßen selten mal alleine am Tisch. Die Teestube lief auch weiter, als wir im Kongo waren, und schon früh kamen einige Behinderte aus einem nahen Wohnheim dazu. Später haben wir uns dann ganz auf behinderte Menschen konzentriert. Teestube ist jeden Sonntag bei uns. Wir wurden ja immer von Gott in allerlei Aktionen hineingezogen. Toll waren die Weihnachtsfeiern mit Pennern und Alkoholikern, Heiligabend mit einer Schwester der Mitternachtsmission im alten Wartesaal in Köln. Wir hatten mal ein Bibelwort bekommen, das uns immer wieder aufgerichtet hat: ‚Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und bestimmt, dass ihr hingeht und Frucht bringt und eure Frucht bleibt, damit, wenn ihr den Vater bittet in meinem Namen, er‘s euch gebe‘, Joh 15,16. Wieso gerade wir? Das werden wir bald erfahren, denn mit 80 ist man schon ziemlich nah bei Gott, der mit dem Taschentuch in der Hand da oben auf uns wartet. Denn Gott wird abwischen alle Tränen von unsern Augen…“.

Gerd Heydn im Gespräch mit Verena Ramrath

Beruf, Haushalt, erstes Kind, ehrenamtliche Flüchtlings- und Gemeindearbeit – wird das alles zusammen nicht ein bisschen viel in der täglichen Belastung?

„Ich bleibe jetzt erstmal ein Jahr zu Hause. In dieser Zeit möchte ich gerne zumindest gedanklich und organisatorisch den Deutschkurs für die Flüchtlinge weiter begleiten, auch weiter Gebete für den Gottesdienst schreiben und nach Möglichkeit an den Presbyteriumssitzungen und -kleingruppen teilnehmen. Ich denke, wenn sich erstmal alles eingespielt hat, kann ich so nach und nach meine Aufgaben wieder aufnehmen. Für das zweite Lebensjahr unseres Kindes geht mein Mann in Elternzeit. Ich werde dann wieder beruflich einsteigen. Und die Gemeindearbeit sehe ich ohnehin eher als Ausgleich zu meiner beruflichen Tätigkeit. Es gibt doch einen Bibelvers, der sinngemäß aussagt: Wenn ich mich um Gott kümmere, dann wird er sich schon um mich kümmern. Mit dieser Einstellung habe ich in meinem Leben bislang sehr gute Erfahrung gemacht. Außerdem habe ich durch meine Kinder- und Jugendarbeit in Kelzenberg eine große Hilfe für meinen Beruf im Umgang mit sechs- bis zehnjährigen Kindern verspürt. In Kelzenberg ist mir überhaupt erst klar geworden, dass ich mit Kindern arbeiten kann und dass mich diese Arbeit ausfüllt.“

Und Ihre beruflichen Fähigkeiten können Sie auch in Ihre Flüchtlingsarbeit mit einbringen…

„Ich gebe einmal die Woche mit einem Team zusammen Deutsch-unterricht für Flüchtlinge in einer Jüchener Grundschule. Flüchtlingsarbeit bedeutet für mich: Jesu Weg mitzugehen, gemeinsam Liebe weiterzugeben. Ich denke, dieser Weg bringt auch die Gemeinschaft unserer Gemeinde weiter, ermutigt Leute, Verantwortung zu übernehmen und erweitert unsere Gemeinde. Ich freue mich sehr darüber, dass auch meine Mutter fast seit Beginn des Deutschkurses regelmäßig dabei ist. Die aktuelle Flüchtlingssituation sollte uns allen doch verdeutlichen: Wir haben viel, wir können und müssen etwas abgeben – teilen. Wenn wir das schaffen, können wir auch das Bild der Kirche schlechthin in der breiten Öffentlichkeit in ein anderes Licht rücken. Was können wir als Gemeinde der Welt geben? Was braucht die Welt von uns? Lasst uns machen! Damit Wort und Tat nicht auseinanderklaffen.“

Wie hat sich Ihr Berufswunsch Lehrerin entwickelt?

„Der ist auch erst durch meine ehrenamtliche Arbeit mit Kindern in der Gemeinde in Kelzenberg gewachsen. Meine erste Aufgabe stellte sich mir in Kelzenberg 2001 mit den kleinen ‚Bibelschnüfflern‘. Als sich mein Berufswunsch deutlich abzeichnete, bin ich von der Realschule aufs Gymnasium gewechselt, wollte auch evangelische Religionslehre studieren. Mit 18 bin ich dann vom katholischen zum evangelischen Glauben konvertiert. Mit 19 bin ich in den Kindergottesdienst eingestiegen, danach folgten Kinder- und Jugend-Freizeiten, Leitungsarbeit im ‚JC‘ und die Mitarbeit im Gottesdienst-Team ‚Beten für andere‘. Alle diese Aufgaben haben mir bis zum heutigen Tag geholfen, meine Persönlichkeit zu entwickeln, mich herausgefordert, Dinge anzugehen, die ich eigentlich nur ungern tun würde. Ich habe z. B. grundsätzlich Schwierigkeiten, offen auf Menschen zuzugehen, weil ich eher schüchtern bin, gar nicht für Small-Talk tauge. Aber ich finde, in der Gemeinde gehört es dazu, auf Menschen zuzugehen. Als Jugendliche hatte ich auch oft große Schwierigkeiten, so langsam und deutlich zu sprechen, dass andere mich verstehen. Aber meine Aufgaben in der Gemeinde haben erfordert, das zu trainieren. An Weihnachten stand ich auf der Kanzel. Wer hätte das gedacht?

Und so ähnlich ist es auch in der Schule. Ich denke, dass die Kinder, die heute in meiner Klasse vor mir sitzen, nicht Ausdruck eines Zufallsgenerators sind, sondern dass Gott mir diese Kinder in den Weg gestellt hat, damit ich sie neben ihren Eltern ein Stück auf ihrem Lebensweg begleite, um ihnen eben nicht nur Schulstoff zu vermitteln, sondern auch Werte und Wertschätzung weitergeben kann, die ich durch IHN, meine Familie und die Gemeinde erfahren habe. Mir ist es sehr wichtig, die Kinder als Ganzes zu sehen. Das ist besonders dann hilfreich, wenn es schwierige Kinder sind. Mit dieser Herangehensweise habe ich bisher sehr gute Erfahrung gemacht.“

Wie verlief denn Ihre Umstellung von der Katholikin zur Protestantin?

„Glaube und Kirchgang gehörten bei uns zu Hause zum Leben, aber über den Glauben gesprochen haben wir nicht. Als ich von meiner ersten Kelzenberger Jugend-Freizeit als Teilnehmerin 2000 aus Spanien zurückkam, konnte ich meinen Eltern nicht so richtig erzählen, was mich bewegt hatte. Und in der katholischen Kirche fühlte ich mich seitdem irgendwie fremd. Die Person Jesus und das Kreuz waren neu für mich als Mittelpunkt des Glaubens. Ich habe damals bei einem Abend in Spanien geweint, als ich verinnerlicht habe, dass Jesus gelitten hat und gestorben ist für mich. Ich hatte als Kind oft Angst vor dem Tod und keine Antworten auf die Frage, wie geht es nach dem Tod weiter. Ich wusste zwar, dass Jesus an Karfreitag gestorben und an Ostern auferstanden war, aber nicht welche Perspektive das für mein Leben bedeutet. Mit meinem Übertritt zum evangelischen Glauben wollte ich noch mal ganz bewusst „Ja“ zu Jesus und unserer Beziehung sagen.“

Was ist Ihnen klar geworden auf dieser Jugend-Freizeit im Jahre 2000?

„Diese Tage in Spanien sind zum Knackpunkt in meinem Leben geworden. Als auf dem Abschlussabend jeder Einzelne von uns gesegnet worden ist, hatte ich das Gefühl, dass Gott neben mir sitzen würde. Und mir war klar: Diesen Weg will ich weitergehen! In der Folge habe ich versucht, mit Jesus durchs Leben zu gehen. Seit dieser Freizeit bin ich regelmäßig nach Kelzenberg gekommen. Nach etwa einem Jahr fühlte ich mich dann auch so richtig in Kelzenberg angekommen.“

Werten Sie Ihre Berufung ins Presbyterium als weiteren Schritt in Ihrer Beziehung zu Jesus Christus?

„Unbedingt. Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass man mir eine derartige Aufgabe zutraut. Für mich persönlich bedeutet diese Berufung, meine Gaben an einer neuen Stelle einzusetzen, die Chance, meine Jesus-Beziehung, aber auch wieder meine Persönlichkeit und mein Leben, weiter zu entwickeln.“

Worin sehen Sie Ihre wesentliche Aufgabenstellung im Kelzenberger Presbyterium?

Ich bin ja noch sehr frisch in unserer Gemeindeleitung. Aber für das gesamte Presbyterium sehe ich die große Herausforderung für die Zukunft, Kelzenberg als lebendige, zeitgemäße Gemeinde zu erhalten, weiterzuführen und auszubauen – auch über die Zeit von Gabi und Bodo Beuscher hinaus.“

Aus Nigeria nach Deutschland – Kirstin Rappmund-Gerwers im Gespräch mit Larry A.

Warum sind Sie nach Deutschland gekommen?

Ich habe Nigeria verlassen, weil ich Probleme mit der Nigerianischen Regierung hatte. Sie hat mir gedroht, mich einzusperren und zu töten. Im Juli 2015 wurde ich im Norden Nigerias – in der Suleja Niger Provinz – ins Gefängnis geworfen, weil ich zu den Menschen aus Biafra gehöre. Ich saß fünf Tage im Gefängnis. In der kleinen Zelle – vier mal vier Meter – waren 50 Personen zusammengepfercht. Wir hatten keine Decken, kein Essen und kein Wasser. Es gab keine Sitzgelegenheiten. Sie nahmen mir mein Mobiltelefon weg und meine Familie wusste nicht, wo ich war und konnte mich nicht erreichen. Es gab keine Toilette, nur einen Eimer in der Ecke.

Wissen Sie, warum Sie gefangengenommen wurden?

Das resultierte aus meiner Position als einer der Führer des Biafrischen Volkes. Nicht als Politiker. Ich kämpfe nur für die Sache meines Volkes, das seit so langer Zeit an den Rand gedrängt wird. Ich war eine der Stimmen meines Volkes gegen die Irrationalität, Einschüchterung und Diskriminierung von Seiten der Regierung.

Wie sind Sie geflohen?

Gott weiß, wie ich fliehen konnte. Ich kann es an dieser Stelle nicht erzählen, weil es jemanden gefährden würde… Nach meiner Flucht ging ich nach Hause. Am 30. August hatten wir eine Demonstration für den Kampf ums Überleben des Volkes von Biafra, für einige unserer Mitstreiter, die wegen ihres Einsatzes für Biafra verhaftet worden waren und für die Information der Menschen über die Ausgrenzung des Volkes von Biafra. Die Demonstration fand in Onitsha (im Staat Anambra) im süd-östlichen Teil von Nigeria statt. An diesem Schicksalstag marschierten wir auf einer großen Straße. Eine Gruppe von nigerianischen Soldaten kam uns hinterher und eröffnete das Feuer. Sie haben fünf Menschen sofort erschossen und wir rannten um unser Leben. Ich rannte zu meinem Haus, holte meine Familie und fuhr aus der Gegend heraus. Von meinen Nachbarn erfuhr ich später per Telefon, dass Sicherheitskräfte meine Umgebung nach mir abgesucht haben.

Was passierte dann?

Ich floh mit meiner Familie an einen sichereren Ort an der nigerianischen Grenze. Von dort aus habe ich mein Flugticket upgedated und bin nach Deutschland geflogen. Ich war früher schon in Deutschland, hatte also entsprechende Visa.

Ihre Familie blieb dort?

Ja, sie hat keine Visa.

Haben Sie Angst um sie?

Ich habe nicht ganz so viel Angst um sie, weil ich das primäre Ziel bin. Sie können aber nicht in unsere Heimat zurückkehren und die Kinder müssen die Schulen wechseln.

Wie war es für Sie, nach Deutschland zu kommen?

Es war sehr hart für mich, weil ich nicht damit gerechnet habe, jemals ein Flüchtling zu sein. Meine Psyche war sehr niedergedrückt. Aber durch die Jüchener und besonders die Kirche Kelzenberg habe ich wieder Hoffnung bekommen.

Wie war die Situation im Erstaufnahme-Lager in Jüchen?

Anfangs war es eine schwierige Aufgabe, denn im Lager waren rund 150 Männer aus verschiedenen Ländern, Sprachen, Stämmen, Religionen, Kulturen, Bildungsstand und so weiter. Es gab also ein schwerwiegendes Kommunikationsproblem. Die freiwilligen Mitarbeiter aus Kelzenberg haben dazu beigetragen, uns zusammenzubringen, so dass wir als „Familie“ interagieren konnten ohne Ansehen der Person, des Alters, des Bildungsstandes, der Rasse etc.

Daran waren Sie aber auch beteiligt. Im Lager nannte man Sie „Obama“…

Ich habe es in die Hand genommen, Verständnis unter den Leuten zu sähen. Ich habe ihnen klar gemacht, dass die Lage für alle hart ist und dass wir alle zusammenspielen und nicht gegeneinander kämpfen sollten. Zu jedem Flüchtling im Lager sagte ich: „Wir sind gekommen, um zu leben, vielleicht nicht, um zu bleiben, aber Hoffnung ist das richtige Leben der Lebenden“. In anderen Worten: „Wenn es Leben gibt, gibt es Hoffnung.“ Du musst Deine Vergangenheit hinter Dir lassen und in die Zukunft schauen. Du musst es wertschätzen, dass Menschen Dir ihre Zeit und einige ihrer Besitztümer schenken und glücklich sein.

Welche Rolle spielt dabei Ihr Glaube?

Wie ich schon sagte, bin ich Christ. Und durch meinen christlichen Glauben verstehe ich wirklich, was es heißt, „Christus-ähnlich“ zu sein. Wir sollen nicht trennen und separieren. Wir sollen jeden so sehen wie uns selbst, ob Christ oder Muslim. Wir müssen einander lieben und einmütig miteinander leben. Das ist mein Verständnis vom Christsein und so bin ich auf meine Mitchristen, Muslims oder Angehörigen anderer Religionen im Lager zugegangen. Diese Liebe, die ich ihnen entgegengebracht habe, hat dazu beigetragen, dass alle zusammenstanden und miteinander – wie in einer Familie – geteilt haben.

War das eine neue Erfahrung für Sie?

Schon in meiner Kindheit habe ich mich immer in der Rolle des Anführers meiner Gruppe wiedergefunden. Es scheint einfach in meiner Natur zu liegen, Leute zusammenzubringen. In meiner Sekundarschule in Nigeria war ich der Senior Prefect und habe sichergestellt, dass jeder gleich behandelt wurde. Dafür haben sie mir den Spitznamen „Larry Marshall“ gegeben, der sagte, dass ich immer der Kopf bin. Das war also sehr früh schon in meiner Persönlichkeit angelegt … Bislang hatte ich jedoch nicht die Gelegenheit, mit Ausländern aus verschiedenen Kulturen, Religionen und Backgrounds zusammen zu sein. Das ist das erste Mal für mich und war eine entsprechend große Aufgabe. Einmal schlug mich einer der Jungs im Camp, aber ich habe ihn immer noch wohlwollend angenommen. Er konnte es nicht glauben, als ich ihm die Hand reichte. Seitdem war er sehr freundlich.

Was sind Ihre Erwartungen an Ihr Leben in Deutschland?

Das Wichtigste ist politischer Schutz. Von da aus will ich sehen, wie ich den nachfolgenden Flüchtlingen helfen kann. Wenn möglich, möchte ich gern Internationale Beziehungen studieren. Das könnte mir vielleicht den Weg ebnen, global zum Weltfrieden beizutragen.

Vielen Dank für Ihre Offenheit. Wir wünschen Ihnen alles Gute für Ihre Zukunft.

Gerd Heydn im Gespräch mit Olaf Herrmann

Ihre Hobbies, Windsurfen und Musik, nehmen einen breiten Raum in Ihrem Leben ein?

„Ja, seit 1980 stehe ich auf dem Surfbrett und genieße es auch heute noch, mich bei richtig viel Wind auf dem Wasser auszutoben oder beim Soulsurfen die Seele baumeln zu lassen. Windsurfen ist einzigartig und bringt einzigartige Momente, die mir oft ein Lobpreislied auf dem Wasser entlocken. Wind gibt‘s aber nicht jeden Tag, und deshalb ist es auch immer ein besonderes Ereignis, auf das ich mich freue. Musik hat nicht immer eine Rolle in meinem Leben gespielt. Als Schüler, mit 16/17 Jahren, hatte ich erstmals eine Bass-Gitarre in der Hand. Ich habe mich dann als Autodidakt in verschiedenen Bands weiter entwickelt. Während meines Studiums wurden dann die Interessenskonflikte zwischen diesen beiden Hobbys immer größer, und die Musik ist dabei auf der Strecke geblieben. Erst mit 35 Jahren habe ich in einer evangelischen Freikirche in Rheydt auf Anfrage das gemeinsame Musizieren wieder entdeckt und dort lange im Lobpreis-Team mitgearbeitet.“

Sind das teure Hobbies, die Sie pflegen?

„Eigentlich schon. Deshalb habe ich meine Instrumente wie auch früher meine Surfbretter selbst hergestellt. Alles aus Holz, auch meine Surfbretter. Das war sehr ungewöhnlich, aber technisch konnte ich da lange Zeit mithalten, und es war halt erschwinglich. Meine erste Gitarre habe ich während eines Praktikums für mein Studium in einer Schreinerei aus Ahornholz gebaut. Das hat besser geklappt als erwartet, und so sind es bis heute sechs Bass-Gitarren geworden, die ich hergestellt habe. Jede anders, der Bau immer spannender als das Endergebnis. So war das auch mit meinen Alu-Flöten, sogenannten Low Whistles. Erst habe ich im Internet recherchiert, und dann habe ich einfach angefangen. Interessiert hat mich diese Art von Flöte schon gut 20 Jahre lang, aber erst durch das Musizieren in der Lobpreis-Band ist mein Entschluss zum Eigenbau gereift. Mittlerweile sind es 15 Flöten geworden. Auf drei bis vier kann ich mich gut verlassen. Jede Flöte klingt ein bisschen anders.“

Windsurfen und Musik. Welcher Raum bleibt dann da noch für den Glauben bei Ihnen?

„Alles ist eng miteinander verwoben. Vereinfacht gesagt: Musik ist gleich Outpout, Surfen Input. Ich versuche alles mit dem Bewusstsein zu tun, Kind Gottes zu sein. Musik ist Ausdruck meines Glaubens in diese Welt hinein. Windsurfen nehme ich als Geschenk und tanke auf. Das war allerdings nicht immer so. Mit 22 Jahren bin ich aus der Kirche ausgetreten. Mein kindlicher Glaube an Gott hatte sich da schon lange verabschiedet. Den hatte ich durch Anhäufung von Wissen über Natur, Technik, ferne Welten und Forschung ersetzt. Evolutionstheorie statt Gott. Für den Glauben blieb kein Platz mehr. Kirchen habe ich nur noch bei Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen von innen gesehen. Christen und Angehörige anderer Religionsgemeinschaften waren für mich weltfremd und überhaupt die Wurzel allen Übels auf dieser Welt.“

Und wie wurde dann Olaf Herrmann vom Saulus zum Paulus?

„Zum Stolperstein wurde vor etwa 24 Jahren ausgerechnet ein Zeuge Jehovas, der mich bei einem Stadtbummel auf der Straße ansprach. Meiner damaligen Auffassung nach gehörten die Zeugen Jehovas zu den Schlimmsten ihrer Gattung. Es gelang mir nicht, den Mann abzuwimmeln, geschweige denn mit meinen Argumenten zu überzeugen, und letztendlich habe ich ihn dann zu mir nach Hause eingeladen, um das Gespräch fort zu setzen. Das folgte auch bald. Und es blieb nicht bei dem einen Mal. Ihm machte es sichtlich Spaß, mit mir zu streiten. Und er hatte auf jeden Pott ‘nen Deckel. Dabei war er immer klar, authentisch und glaubhaft.“

Wer war letztlich Punktsieger in den Streitgesprächen?

„Ich war am ersten Abend schon ausdiskutiert. Als der Mann dann aus seinem Leben erzählte – er hatte sein eigenes Geschäft aufgegeben, um sein Leben ganz in den Dienst seines Gottes zu stellen – fiel irgendwann ein Schlüsselsatz für mich: ‚Gott braucht dich!‘ Und das hat mir neben vielen anderen Dingen an diesem Abend sehr zu denken gegeben. Heute weiß ich: Gott hat mir an diesem Abend den Glauben geschenkt. Das hatte ich selber nicht mehr für möglich gehalten. Es gab also nur Gewinner.“

Was empfanden Sie in dem Augenblick, als sich die neue Erkenntnis in Ihnen breit machte, Sie Gottes Geschenk auspacken durften?

„Ich saß da und verspürte plötzlich einen tiefen Frieden in mir, den ich gar nicht beschreiben kann. Und an jenem Abend war mir klar: Ich bin angekommen. Der eine Satz des Zeugen Jehovas hat das irgendwie ausgelöst: ‚Dieser Gott braucht dich!‘ Der beschäftigt mich noch heute. Ich kann das, was ich erlebt habe, in diese Welt hineingeben, damit er handeln kann.“

Über die Zwischenstation der Brüdergemeinde in Rheydt sind Sie dann nach Kelzenberg gekommen…

„Ja, nachdem ich ein halbes Jahr bei den Zeugen Jehovas war, ich mich aber nicht wirklich mit dem Gedanken anfreunden konnte, der Gemeinschaft beizutreten – meine Familie schon gar nicht, ergab sich ein Kontakt zu einer Brüdergemeinde in Rheydt. Dort wurde ich sehr herzlich aufgenommen. Die Bedeutung von Jesus Christus als Sohn Gottes für uns Menschen wurde mir da erst klar. 15 Jahre bin ich in dieser Gemeinde aktiv gewesen, getauft worden und habe Höhen und Tiefen durchlebt. Die Gemeinde ist dann leider nach und nach auseinander gegangen, heute nicht mehr existent. Durch Bekannte bin ich dann auf Kelzenberg aufmerksam geworden. Als ich das erste Mal zu Besuch war, stand da in großen Buchstaben in der Kirche: ‚Er ist unser Friede‘. Da habe ich mich direkt zu Hause gefühlt.“

Und die Musik spielt in Kelzenberg auch wieder eine herausragende Rolle für Sie?

„Ich war noch nicht lange in Kelzenberg, als Pfarrerin Gabi Beuscher im Gottesdienst anfragte, ob sich ein Bassist in der Gemeinde befinde für eine in Gründung befindliche Lobpreis-Band. Ich war unsicher, ob ich mich melden sollte. Da aber sonst niemand ‚hier‘ rief, habe ich mich doch gemeldet. Und inzwischen hat sich diese Entscheidung als Riesenbereicherung und Geschenk für mein Leben herausgestellt. Und damit meine ich nicht die Musik allein, sondern auch alle Menschen, die Jesus Christus hier in Kelzenberg, insbesondere in der musikalischen Begleitung, zusammengeführt hat.“

Was ist Ihnen noch wichtig in Ihrem Glauben?

„Gott mehr zu vertrauen, und aus diesem Vertrauen heraus das zu bezeugen, was ich bisher mit ihm erlebt habe. Dieses Thema beschäftigt mich zurzeit. Auslöser war ein Vers aus Römer 4: Abraham setzt sein ganzes Vertrauen auf Gott. So fand er Gottes Anerkennung – nicht wegen seiner guten Taten. Den Vers hatte ich morgens gelesen, danach bin ich eine Runde gejoggt und habe dabei über Vertrauen nachgedacht. Mir wurde klar, wie wichtig Vertrauen für Gott ist. Das hat mich innerlich aufgewühlt. Als ich nach Hause zurückkam, sah ich eine kleine Beule an meinem Auto. Und vor dem Reifen meines Autos lag ein kleines weißes Kreuz aus Kunststoff, schon etwas verschmutzt. In dem Augenblick schoss mir ein Gedanke durch den Kopf: Ja, Herr, ich habe verstanden. Aber diesen Satz hatte ich wohl nicht selbst in meinem Kopf entwickelt…“

Gerd Heydn im Gespräch mit Franziska Köcher

Warum wollen Sie Ihren schönen Beruf als Hebamme aufgeben und einen neuen beruflichen Weg einschlagen?

„Ich sehe langfristig leider keine Perspektive mehr als Hebamme. Es gibt nur noch einen Versicherer für die Berufshaftpflichtversicherung von Hebammen, und das aktuell auch nur noch bis zum 30. Juni 2016. Das kommt einem Berufsverbot für einen der ältesten Berufe der Weltgeschichte gleich, da eine freiberufliche Hebamme nicht ohne Versicherung arbeiten darf. Schon in der Bibel gab es Hebammen (s. 2. Mose 1,15), die unter Gottes Schutz von Anfang an für das neue Leben und Schwächere eintraten. Bis heute hat sich leider – und vermutlich auch gerade deshalb – nichts an ihrem schweren Stand geändert. In den vergangenen zehn Jahren stieg u.a. die Klagebereitschaft im Gesundheitswesen auch gegenüber Hebammen massiv an, so dass immer mehr Versicherer ausgestiegen und/oder die Versicherungsprämien immer höher gestiegen sind – auf fast 500 Euro im Monat. Dazu kommt, dass ich von meinem Verdienst leben können muss, und das ist mit weniger als 8 Euro Brutto pro Stunde nicht möglich. Ab 1. Juli 2016 wird es nach aktuellem Stand keine Versicherung mehr geben – und mit gleichem Datum werde ich Diakonin!“

Wie hat die sich anbahnende berufliche Krise Ihr Leben verändert?

„Im Frühjahr 2014 war ich völlig mit meinen Kräften am Ende. Ich erlitt einen Hörsturz, bekam ein Burnout-Syndrom und fiel in tiefe Depressionen. Schon der Gang zum Briefkasten türmte sich als kaum lösbare Tagesaufgabe vor mir auf. Nach Schließung der Praxis fiel sehr viel Ballast von mir ab. Ich hatte vorher an sieben Tagen und oft mehr als 60 Stunden in der Woche gearbeitet, um meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Warnsignale meines Körpers habe ich übersehen und in keinster Weise auf mich selbst geachtet. Selbstfürsorge kannte ich damals nicht – heute ja. Als Christ denkt man ja immer: Ich muss helfen! Ich habe sechs Monate lang gar kein Geld verdient und muss bis heute meine Rücklagen angreifen. Seit einem Jahr gehe ich jetzt neben meiner Diakonen-Ausbildung einer eingeschränkten Hebammen-Tätigkeit nach, suche täglich nach für mich möglichen Arbeitsfeldern als Hebamme in Praxen, Kurs-Institutionen oder Beratungsstellen.“

Und in wie weit hat diese Krise Ihr Glaubensleben tangiert?

„Heute weiß ich – ich musste durch diese Krise durch, so heftig sie auch war. Jesus war die ganze Zeit

da! Es hatte wohl alles seinen Sinn. Das sehe ich im Augenblick jeden Tag. Die Krise hat mich auf den Weg zu mir selbst und gleichzeitig noch mal näher zu Jesus gebracht. Das finde ich total cool und bin Gott dafür sehr dankbar. Es müssen aber nicht immer Krisen oder heftige Dinge im Leben passieren. Zu einem entscheidenden Datum in meinem Leben wurde der 10. Februar 2011, der Abschluss meines Glaubenskurses hier in Kelzenberg. Da habe ich noch einmal bewusst aus vollem Herzen gesagt: Jesus, mit Dir an der Seite möchte ich durchs Leben gehen. Seitdem spüre ich eine lebendige Verbindung zu Jesus und meine, den Sinn meines Lebens zu erkennen. Allerdings ist mein Leben dadurch auch echt anstrengender geworden. Mein Glaube bewirkt, dass ich jetzt aktiver auf meinem Lebensweg unterwegs bin. Ich bin aus meinen passiven Lebensstrukturen raus, treffe heute mehr bewusste Entscheidungen und suche Veränderungen in meinem Leben immer in dem Wissen, dass Gott da ist.“

Hatten Sie früher noch keine Jesus-Beziehung?

„Nicht bewusst. Meine Eltern und Großeltern haben mir den Glauben vorgelebt – allerdings mit wenig persönlichen Entfaltungsmöglichkeiten. Als ich in meiner Zeit als Jugendmitarbeiterin mit anderen etwas verändern wollte, sind wir gescheitert. Mit ungefähr 25 Jahren stellte ich fest: Meine bisherige Gemeinde mit ihren sehr an Traditionen gebundenen Strukturen passt nicht mehr zu mir. Unbewusst machte ich mich damals schon auf die Suche nach einer neuen Gemeinde und kam – wie ich es heute sehe – nicht durch Zufall nach Kelzenberg. Hier gibt es ein buntes Leben – so wie Gemeinde sein sollte – mit Jesus als Kopf. Die Gemeinde Kelzenberg könnte durchaus Vorbildcharakter für meine zukünftige Arbeit als Diakonin haben.“

Zum Beispiel…

„Gemeinden sollten sich grundsätzlich die Frage stellen: Wo möchten sie in Zukunft hin? Möchte Kirche heute überhaupt noch Menschen erreichen und zeigen, wer Gott wirklich ist? Wenn ja, sollten die Gemeinden losgehen – dorthin, wo die Menschen sind und nicht darauf warten, dass die Menschen in die Kirche kommen. Ein guter Anfang sind zum Beispiel Aktionen in der Flüchtlingshilfe oder bei Stadtfesten. Weg ist Bewegung. Es tun sich dann auch ganz viele Neuanfänge auf, wenn ich mich aktiv auf den Weg mache – und dann kann auch Jesus etwas bei mir persönlich bewirken. Nicht umsonst sagt Jesus: ‚Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben!‘ Ich möchte als Diakonin diese verlässliche Wahrheit, die Jesus ist, ganz vielen Menschen nahe bringen mit einer lebendigen Gemeinde im Rücken. Ich wünsche mir eine Gemeinde, in und mit der sich die Menschen identifizieren können und keine kalten Kirchenmauern. Ich bin gerne Wegbereiter für andere Menschen, bei denen ich spüre, da kann ich etwas bewegen. Ich freue mich aber auch selbst über Wegbegleiter, die mich auf meinem Weg neu ausrichten und für mich da sind. Für solche Menschen bin ich sehr dankbar.“

Was hat Sie letztlich in die berufliche Richtung einer Diakonin gelenkt?

„Schon vor drei Jahren habe ich gespürt, ich soll Diakonin werden. Ich habe viel gebetet und auch mit zahlreichen Leuten darüber gesprochen. Die Voraussetzungen der rheinischen Landeskirche für die zweijährige theologische Ausbildung im Turbodurchgang habe ich mit meinem Sozialberuf als Krankenschwester erfüllt. Fächer wie zum Beispiel Altes und Neues Testament, Gemeindeaufbau, Seelsorge, Religionspädagogik und Predigt-Lehre gehören dazu. Ab Herbst gehe ich auf Stellensuche. Dann bin ich gespannt, auf welchen Weg mich Gott schicken wird. Diakoninnen und Diakone werden von der evangelischen Landeskirche finanziert und in verschiedenen Bereichen der Kirchengemeinden eingesetzt. Wenn ich in diesem Jahr die Kelzenberger Jugend-Freizeit als Betreuerin begleite, dann ist das schon eine Art Praktikum für meine zukünftige berufliche Tätigkeit.“

Hat Gott Ihnen auch einmal drastisch vor Augen geführt, dass er der Herr Ihres Lebens ist?

„Ja, das kann man wohl sagen. Das war im Sommer 2012 in einem Wäldchen nahe der Ostsee. Ich stand unter einer Buche und dachte über mein Leben nach, als ein dicker Ast herunter krachte. Mit einem Riesensatz brachte ich mich in Sicherheit. Seitdem habe ich nie mehr mit dem Gedanken gespielt, auch freiwillig aus dem Leben zu scheiden. Sollte mir sagen: Gott allein bestimmt den Zeitpunkt in meinem Leben, in welcher Situation auch immer.“

In Ihrer Freizeit machen Sie Musik, spielen in Solingen in einem Orchester und leiten ‚Klassik Kelz‘ in unserer Gemeinde. Was bedeutet Ihnen Musik?

„Musik kann ich aus meinem Leben gar nicht weg denken. Wenn ich Musik mache, geht es mir gut. Musik ist geradezu heilsam für mich. Sie verbindet Menschen, öffnet Herzen. In meine künftige Tätigkeit als Diakonin möchte ich Musik deshalb unbedingt in der Jugendarbeit mit einbringen.“