Gerd Heydn im Gespräch mit Hanna Lüngen

Unser tägliches Brot beschäftigt Sie nicht nur im Gebet, im „Vaterunser“, sondern in der Tat täglich und ganz pragmatisch in Ihrem Berufsleben…

„Ja. Themen um Ernährung, Lebensmittel gehören zu meinem Berufsalltag. Aber in dem Gebet, das uns Jesus gelehrt hat, geht es ja um mehr als um die reine leibliche Versorgung, Nahrung und Nahrungsaufnahme des Menschen, sondern um die geistliche Stärkung, ein Wachstum zu Jesus Christus hin. Man leiert das Vaterunser nur allzu oft gerade an dieser Stelle einfach nur runter, anstatt sich wirklich bewusst zu machen, was man da betet – und gib uns unser tägliches Brot. ‚Ich bin das Brot, das Leben schenkt. Wer zu mir kommt, wird nie mehr hungrig sein. Wer sich an mich hält, wird keinen Durst mehr haben‘, spricht Jesus in Johannes, 6/35. Und vorher sagte er: ‚Bemüht euch nicht um vergängliche Nahrung, sondern um wirkliche Nahrung, die für das ewige Leben vorhält.“

Aber bleiben wir erst einmal in Ihrer Wirkungsstätte, der Schulküche, und der handfesten Nahrung in Theorie und Praxis, der vergänglichen Nahrung, von der Jesus spricht. Was muss man sich unter einer Ökotrophologin vorstellen?

„Ich koche mit meinen Schülern in der Schulküche. Das ist die Praxis. In der Theorie versuche ich, den Wert der Nahrung darzustellen, sie in unserer Überflussgesellschaft aufzuwerten, dem allzu schnellen Wegwerf-Trend entgegenzuwirken. Der Hinweis auf das Mindesthaltbarkeitsdatum beispielsweise heißt ja noch lange nicht, dass die Ware dann zu diesem Zeitpunkt tatsächlich schlecht ist. Auch die BSE-Krise war ein großes Thema im Unterricht, die Butter- und Tomaten-Berge, die als Überproduktion in Westeuropa zur Vernichtung freigegeben worden sind, oder Essensreste, die in Hotels, Restaurants ebenso wie in Privathaushalten nur allzu schnell in der Mülltonne landen.“

Was kann jeder einzelne denn gegen diese Fehlleitungen in seinem täglichen Leben tun?

„Das fängt beim richtigen Einkauf unserer Nahrungsmittel an. Ich kaufe nur das ein, was ich brauche, und das saisongemäß, also im Winter keine Erdbeeren aus fernen Ländern. In erster Linie besorge ich heimisches Gemüse und Obst, möglichst keinen Treibhaus-Salat, der für sein Wachstum zusätzliche Energien braucht und verbraucht. Ich versuche, bei meinen Schülern Einfluss zu nehmen in Bezug auf Fast Food, das ja so gut schmeckt, aber ebenso viele gesundheitliche Nachteile in Form von Zucker und Fett in sich birgt. Wenn bei einer Mahlzeit etwas übrig bleibt, dann wird das eben nicht weggeworfen, sondern es gibt eine Anleitung zur Resteverwertung, und damit eine weitere durchaus leckere Mahlzeit, wobei man auch noch Geld sparen kann. In vielen Familien sind heute leider die Werte verschoben, die früher eine selbstverständliche Voraussetzung waren – die gemeinsame Mahlzeit in der Familie.“

Muss man von einer unheilvollen Entwicklung in unserer vermeintlich zivilisierten Welt sprechen, was die heutige Nahrungsbeschaffung betrifft?

„Wenn ich an eine Filmdokumentation denke, die wir vor ein paar Jahren in unserem Hauskreis gesehen haben, dann fürchte ich – ja. Die Fakten, die dieser Film wiedergab, waren nicht unbedingt neu für mich, aber geradezu beklemmend in ihrer Aussagekraft. In diesem Film ging es um die brutale Ausbeutung der Welt, Gottes Schöpfung, die Tiere, aber auch um die Menschen und deren Arbeitsbedingungen. Und es gibt leider immer wieder Menschen, die sich in der Nahrungsmittelbranche auf Kosten anderer bereichern wollen – Beispiel Gammelfleisch. Die Menschen werden dazu verleitet, alles zu jeder Zeit kaufen zu wollen. Frei nach dem Motto: Nichts ist unmöglich! Meiner Meinung nach müsste ein Umdenken in unserer Gesellschaft erfolgen.“

Wie ist Ihr geistliches Leben bislang verlaufen?

„An einen besonderen Knackpunkt in meinem Leben kann ich mich nicht erinnern. Ich stamme aus einem christlichen Elternhaus, bin als Kind stets angehalten worden, zur Kirche zu gehen – Kindergottesdienst, Konfirmation. Alles ging seinen geregelten Gang. Aber eine Beziehung zu Jesus Christus habe ich erst nach meiner Heirat mit Wilfried und meinem Umzug nach Kelzenberg aufgebaut. Wenn wir das einen Knackpunkt nennen wollen…“

Wie und wo erhalten Sie denn Ihr tägliches Brot, von dem Jesus sprach?

„Die Gemeinde in Kelzenberg ist für mich sehr wichtig und da besonders der Gottesdienst, mein wöchentliches Brot so zu sagen. Dann fühle ich mich Jesus näher als in meinem Alltag. Da rückt er leider immer wieder ein wenig von mir. Ich müsste natürlich richtigerweise sagen: Ich rücke weg von ihm. Der Gottesdienst und mein Hauskreis sind meine beiden konstanten Anlaufpunkte, meine geistigen Quellen, bei denen ich immer wieder auftanken kann. Das sind die beiden wichtigsten Bezugspunkte in meinem täglichen Leben. Und die sind wirklich hilfreich für mich. Denn manchmal bin ich erschrocken, wie weit ich plötzlich weg bin von Jesus.“

Und dann wird Ihnen die Größe Gottes wieder bewusst…?

„Das wird sie vor allem in der Natur. Ich walke mehrmals die Woche, gehe also stramm spazieren in unserer heimischen Umgebung, in der Natur. Das brauche ich, um den Kopf wieder mal frei zu bekommen, mein allgemeines Wohlbefinden zu steigern. Dabei kann ich meine Gedanken ungestört einfach schweifen lassen. Dann schießt es mir auch schon mal in den Kopf, danke zu sagen – danke für diese Schöpfung. Danke, Herr, Deine Schöpfung auf Erden ist immer noch wunderbar, trotz aller gegenteiligen Bemühungen Deiner Geschöpfe…“

Gerd Heydn im Gespräch mit Jutta Velser

Wandern ist ein gemeinsames Hobby von Ihnen und Ihrem Mann. Und auf diesen Wanderungen haben Sie über Jahre allmählich zu Gott gefunden…
„Das war in der Tat eine schleichende Entwicklung auf unseren ausgedehnten Wanderungen in der Eifel. Ich bin zwar als Kleinkind katholisch getauft, aber nicht christlich erzogen worden. Durch meine Oma und punktuell auch im Kindergarten und in der Schule hat es durchaus schon mal christliche Impulse für mich gegeben, aber die sind im Laufe der Jahre gänzlich verloren gegangen. Bis wir dann eines Tages im Jahre 2005 auf unseren Wanderungen in der Eifel auf eine kleine Gnadenkapelle im Kloster Himmerod gestoßen sind – zufällig. Nein, wohl kaum!“

Was ist in dieser Kapelle passiert – mit Ihnen passiert?
„Diese kleine Kapelle hat uns beide in eine zuerst unerklärliche Stimmung versetzt. Wir haben Liebe, Geborgenheit und Stille empfunden. Nur dieses Gefühl zählte, in das wir eingetaucht sind. Und dieses Gefühl sagte uns: Hier ist etwas. Nach vielen Jahren begann ich mir wieder Gedanken über Gott zu machen, wurde wissbegieriger, habe nach Informationen gesucht. Dann sind wir eines Tages ganz gezielt nach Himmerod gefahren, um Anliegen aus unserem Familien- und Freundeskreis vorzutragen. Wir haben Anliegen vor Gott gebracht, ohne dass wir es uns bewusst gemacht haben, dass wir das tun. Immer wenn im Alltag etwas Wichtiges passiert war, das man nicht beeinflussen konnte, sind wir nach Himmerod gefahren.“

Wie haben Sie die Eindrücke von Himmerod in Ihren Alltag nach Odenkirchen übertragen?
„Zuhause haben wir auch mal wieder Gottesdienste besucht, erst katholische, weil ich ja katholisch getauft war, dann auch evangelische. Aber schon als Jugendliche habe ich mich dem Protestantismus näher gefühlt. Protestanten hatte ich schon immer als weltoffener empfunden.“

Der Weg, den Sie mit dem Ausgangspunkt in der Eifel eingeschlagen haben, führte Sie dann nach Jahren nach Kelzenberg. Welche Erfahrungen haben Sie hier gemacht?
„2010 bin ich das erste Mal nach Kelzenberg gekommen. In der Folge immer regelmäßiger. Nie zuvor hatte ich in einem Gottesdienst gehört, wie intensiv Jesus in den Mittelpunkt gestellt wird. Ich habe Wärme, Herzlichkeit und Liebe gespürt. Und – dass die Predigten in Kelzenberg etwas mit meinem Leben zu tun haben. Zu diesem Zeitpunkt kannte ich noch niemanden näher in Kelzenberg. Dann hielt ich eines Tages einen Flyer zum Glaubenskurs in der Hand. Wochenlang habe ich darüber gebrütet. Mein Wunsch nach Informationen zum Glauben war ungebrochen riesig groß. Ein tiefgehendes Verständnis fehlte mir völlig.“

Und Sie haben sich entschieden…?
„Ja, 2011 habe ich den Glaubenskurs in Kelzenberg besucht, ein Jahr später auch mein Mann. Zu Beginn habe ich mich noch gefragt, ob ich das überhaupt schaffe: jeden Montagabend Glaubenskurs. Am Ende fand ich es schade, dass der Kurs schon vorbei war. Denn am Ende habe ich es geschafft, mein Herz zu öffnen. Nach diesem Glaubenskurs habe ich bei Jesus festgemacht, schon einige Wochen später in Kelzenberg mich auch einem Hauskreis angeschlossen. Ich habe mich seitdem verändert. Mein innerstes Empfinden, meine neue Beziehung zu Jesus, gibt meinem Leben jetzt erst einen umfassenden Sinn. Gebete sind heute ein fester Bestandteil meines Lebens. In Kelzenberg habe ich überhaupt erst gelernt zu beten.“

Wie schlägt sich denn Ihr Glaube heute in Ihrer beruflichen Tätigkeit als Psychologin und Psychotherapeutin nieder?
„An meinem psychologischen Handwerkszeug hat sich in meinem Beruf durch den Glauben eigentlich nichts geändert. Humanistische Werte gehörten auch früher schon zu meiner Lebenseinstellung. Aber für mich hat sich vieles geändert: Jesus ist eine tolle Tankstelle für die Ausübung meines Berufes. Ich kann aus der Fülle schöpfen, die Arbeit fällt mir leichter. Zu mir kommen Menschen, die sehr krank sind, die ihr Seelenleiden bewältigen möchten. Aber ich missioniere nicht während meiner Arbeit, auf keinen Fall. Ich bin Psychologin, keine Pfarrerin, bin zuständig für Menschen mit seelischen Erkrankungen – unabhängig vom Glauben. Allerdings halte ich nicht mit meinem Glauben hinterm Berg, wenn ich darauf angesprochen werde.“

Sie haben in 2014 eine vierteilige Workshop-Reihe in unserer Gemeinde zum Thema „persönlich wachsen“ geleitet. Was wollten Sie uns dabei vermitteln?
„Ich habe versucht, Umsetzungshilfen für Wachstumsimpulse zu geben. Umsetzungshilfen beispielsweise: Wie ich mich selbst besser lieben kann. Selbstliebe ist durchaus erstrebenswert, soll aber nicht heißen, dass ich alles an mir liebe, alles super toll finde. Ich sollte mich sehr wohl kritisch betrachten, immer weiter an mir arbeiten, mich aber mit all meinen Fehlern selbst wertschätzen und annehmen. Jeder Mensch ist Teil der Schöpfung – von Gott gewollt und damit wertvoll. Der Wert als Mensch ist uns von Gott geschenkt worden. Der gilt bedingungslos, aber ich muss ihn annehmen.“

Dieser Wert gilt in der Tat bedingungslos…?
„Wenn ich mit meinen Handlungen mal daneben liege, so bin ich doch immer noch wertvoll in meinem Kern. So möchte ich Selbstliebe verstanden wissen. Damit ist natürlich nicht der in sich selbst verliebte Narziss gemeint. Ich versuche als Therapeutin, andere Menschen darin zu unterstützen, den eigenen Wert zu erkennen und anzunehmen, dann sind auch Kränkungen und Verletzungen nicht mehr so bodenlos tief verletzend. In dieser Beziehung ist Jesus für mich sehr hilfreich. Wenn ich mir vorstelle, wie er mich mit seinen Augen anschaut, dabei die Augenbrauen hochzieht – aber mich dennoch liebt. Jesus ist wahrscheinlich der beste Therapeut, den die Welt je gesehen hat!“

Gerd Heydn im Gespräch mit Jenny Scheier

Theologie-Studentin, Pfarrerin in spe. Tiefgläubige Wurzeln in der Familie? Wie hat sich Ihr Glaube entwickelt?

„Meine Eltern sind überhaupt nicht gläubig. Mit meiner Oma habe ich abends gebetet. Zum Konfirmanden-Unterricht bin ich in Giesenkirchen aber auch nur gegangen, weil man das halt so macht. Eine Freundin hat mich dann nach zwei Monaten überredet, den Unterricht in Kelzenberg fortzusetzen. Sie selbst ist dann allerdings schon bald gar nicht mehr gekommen. Für mich war es jedoch der Wendepunkt in meinem Leben.“

Was ist passiert? Was hat der Konfirmanden-Unterricht in Ihnen ausgelöst?

„Pfarrer Bodo Beuscher ist bei mir total glaubwürdig rübergekommen. Ich habe gespürt, dass das, was er uns zu vermitteln suchte, viel mehr war als nur eine auszugsweise Wiedergabe der Bibel, sondern dass das etwas mit meinem Leben zu tun hat. Durch die Konfirmation 2002 wurde Kelzenberg so etwas wie mein zweites Zuhause – Jugend-Gruppe, -chor und Samstagabend-Freizeitprogramm. Schon damals habe ich mich entschieden, mein zukünftiges Leben mit Jesus zu gestalten. In meinen wesentlich älteren Geschwistern, aber auch in meinen Eltern hatte ich leider keine geeigneten Gesprächspartner zuhause. Dort konnte ich über für mich wirklich wichtige Dinge überhaupt nicht sprechen. Da fehlte einfach auch das notwendige Vertrauen. Enge Freundschaften hatte ich zu jener Zeit ebenfalls nicht.“

Und wie hat sich Ihre Gefühlslage, vor allem Ihr Glaube dann in dieser Situation überhaupt festigen können?

„Den richtigen Dreh habe ich dann unmittelbar nach meiner Konfirmation bekommen, nachdem mich Bodo Beuscher angesprochen hatte: ‚Ich würde mich freuen, wenn Du mit uns in die Jugend-Freizeit fahren würdest‘. Auf die Idee wäre ich von alleine damals gar nicht gekommen. Bei unserem Pfarrer habe ich gelernt, mit eigenen Worten zu beten. Früher waren Glaube und Gebet in meinen Augen etwas für alte Leute wie meine Oma. Ich kannte gar keine Christen, die jünger waren als meine Oma. Damit meine ich Menschen so um die Ende 60. Ich habe auf dieser Freizeit gespürt, dass Jesus da ist, dass ich nicht alles alleine machen muss, dass die Kraft dazu nicht aus mir herauskommt. Mit dieser Erkenntnis, Jesus ist bei mir, bei allem, was ich tue, ist meine Einsamkeit allmählich verflogen.“

Hat diese Erkenntnis denn schon für Ihre Entscheidung ausgereicht, Pfarrerin werden zu wollen?

„Das war ein allmählicher Prozess, der den Gedanken in mir hat reifen lassen, dass ich Pfarrerin werden könnte. Schon während der Konfirmanden-Zeit habe ich gemerkt, dass ich gerne weitergebe, was mich selbst bewegt. Wenn ich mit anderen über Jesus spreche, dann wird mir selbst am stärksten bewusst, wie groß und großartig Jesus tatsächlich ist, weil ich dabei spüre, wie Jesus mein Leben verändert. Helfen wollte ich anderen Menschen schon immer. Ein Beruf mit sozialer Ausrichtung war das, was ich mir als Kind vorgestellt habe. Meine neuen Erfahrungen mit Jesus aber sagten mir: Ich will Menschen nicht nur in schlechten Zeiten helfen, sondern ich will sie ein ganzes Leben lang begleiten. Seit meinem 15. Lebensjahr etwa habe ich Gott in meinen Gebeten gefragt, ob ich Pfarrerin werden soll.“

Und fühlen Sie sich bestärkt in Ihrem Berufswunsch?

„Ich habe bis heute zumindest kein Nein von Gott vernommen. Also habe ich für mich entschieden: Du fängst einfach mal an. Wenn es falsch sein sollte, wird Gott es mir schon noch zu verstehen geben.“

Sehen Sie sich denn durch Ihr Theologie-Studium darin bestärkt, den richtigen Weg eingeschlagen zu haben?

„Die Hochschul-Professoren geben eine rein wissenschaftliche Arbeit wieder. Der Glaube spielt im Studium überhaupt keine Rolle. Darauf habe ich mich inzwischen eingestellt. Nebenbei ist es auch ein guter Test für mich, ob mein Glaube das aushält. Heute – gegen Ende meines Studiums – würde ich sagen: Mein Glaube hat sich verändert, aber er hat es ausgehalten. Ich will Pfarrerin werden – auch, weil ich versuchen möchte, ein wenig gegen zu steuern gegen Kirche ohne Glauben. Denn es wird sich nichts ändern, wenn wir es nicht selbst ändern wollen. Ich hoffe, dass ich unter dem Dach der Kirche Menschen in Distanz zu Gott besser ansprechen kann als außerhalb. Wenn ich merken sollte, dass ich gegen Mauern laufe, würde ich mich für eine Freikirche entscheiden. In Freikirchen sammeln sich Menschen, die in der Regel schon fest im Glauben stehen.“

Können Sie in der heutigen Zeit denn davon ausgehen, mit Sicherheit eine Anstellung als Pfarrerin zu bekommen?

„Da bin ich sehr zuversichtlich, da großer Mangel an Anwärtern herrscht. Wenn ich Ende 2017/Anfang 2018 so weit bin, werden laut einer jüngsten Hochrechnung beispielsweise im Kirchenkreis Düsseldorf 90 Prozent der aktuellen Pfarrer und Pfarrerinnen altersbedingt in Rente gehen. Wenn möglich, möchte ich lieber eine Anstellung auf dem Land als in einer Großstadt.“

Gibt es offene Fragen für Sie in Ihrer Beziehung zu Gott?

Immer wieder steht bei mir in der offenen Diskussion: Wie viel bewirkt mein Gebet zu Gott? Ändert Gott aufgrund meines Gebetes seinen Plan für mich? Und stimmt der folgende Satz absolut so: Wer bittet, dem wird gegeben, wer sucht, der findet, wer anklopft dem wird aufgetan…??? Daran knabbere ich permanent, weil ich diesen Satz für so wichtig für meinen Glauben erachte. Aber eins ist unstrittig für mich: Gott ist die Liebe!“

Gerd Heydn im Gespräch mit Wilfried Lüngen

Hausvater – eine neue Wortschöpfung für den altgedienten Beruf des Küsters. Eine Erfindung von Ihnen?

„Nein. Der Begriff Hausvater war eigentlich schon während der Dienstzeit von Paul-Heinz Müschen in unserer Gemeinde geläufig. Ich finde ihn treffend, drückt er doch mehr eine Wertschätzung als eine neue Wortschöpfung aus. Ich sehe in meiner Arbeit für die Gemeinde keinen Job, sondern eine Berufung, eine liebevolle Aufgabe in einem familiären Umfeld. Ich fühle mich in der Gemeinde heimisch. Das Gemeindeleben ist einfach wichtig für mich.“

Welche Aufgaben stellen sich dem Hausvater in der Gemeinde Kelzenberg?„Meine Aufgabe, meine grundsätzliche Herausforderung sehe ich darin, das Gemeindehaus so einladend wie möglich für die Menschen zu halten, die darin Gemeinschaft mit Jesus Christus suchen. Zur alltäglichen Arbeit gehören Vorratskontrolle und Einkauf aller Verbrauchsmittel von den Getränken bis zum Klopapier, dazu akutes Putzen und Aufräumen, Amtshandlungen, kleinere handwerkliche Tätigkeiten, Spülmaschine, Kehren, Rasenmähen, Hecken schneiden und auch die Pflege des evangelischen Friedhofs in Kelzenberg. Ich bin im Schnitt täglich mindestens eine Stunde für die Gemeinde im Einsatz, es kann auch schon mal ein halber Tag werden. Denn hier ist ja – Gott sei Dank – immer eine Menge los. Ich arbeite auf Stundenlohn-Basis. Das ist für die Gemeinde günstiger als eine Anstellung mit sozialer Absicherung, beinhaltet aber auch ein uneingeschränktes Vertrauen seitens der Gemeindeleitung. Ich trage meine Stundenleistungen selbst ein. Aber aus finanziellen Erwägungen heraus bin ich ohnehin nicht Hausvater geworden.“

Aus welchen Gründen denn? Beeinträchtigt diese Tätigkeit nicht Ihre tägliche Arbeit als Landwirt?

„Vielleicht bei Arbeitsspitzen. Den Umfang der Aufgaben als Hausvater habe ich vorher wohl doch zeitlich etwas unterschätzt. Bisher gab es aber noch keine Probleme. Ich kann mir die Arbeit ja größtenteils selbst einteilen. Es ist schon seit einigen Jahren klar, dass der landwirtschaftliche Betrieb unserer Familie nicht weiterläuft. Tochter Astrid ist bei der Polizei, Sohn Torsten Bauingenieur. Viehwirtschaft mit Mastschweinen habe ich schon vor Jahren eingestellt. Bei Weiterführung des Betriebes müsste ich investieren. Das wiederum würde auch einen noch wesentlich größeren Zeitaufwand von mir fordern.“

Haben Sie sich um die Stelle beworben, oder ist man seitens der Gemeindeleitung auf Sie zugekommen?

„Das Presbyterium wollte mich als Nachfolger von Paul-Heinz Müschen und hat mich angesprochen. Pfarrer Bodo Beuscher hat mir auf meine Frage ‚warum ich?‘ geantwortet: ‚Weil wir Dich wollen!‘ Ich sehe darin einen großen Vertrauensbeweis. Im Rückblick war die Entscheidung eigentlich gar nicht so überraschend für mich. Ich glaube, der Weg war von Gott vorgezeichnet für mich. Die Gemeinde ist mein Zuhause. Hier fühle ich mich wohl.“

Sie waren lange Jahre im Presbyterium dieser Gemeinde engagiert. War das nicht eine viel größere und verantwortungsvollere Aufgabe als Ihre neue als Hausvater?

„Das kann man, glaube ich, nur sehr schwer vergleichen. Das war eine völlig andere Aufgabe. Wenn ich mich selbst einschätzen soll, sage ich: Eine Führungskraft bin ich nicht unbedingt. Gott hat mir die Gabe des Dienens gegeben, nicht die des Führens. Gott hat mich mit zwei gesunden Händen und Beinen ausgestattet. Und es hat mir Freude gemacht, anderen zu helfen. Das war eigentlich schon immer so in meinem Leben. In den 80er Jahren habe ich der damaligen Küsterin Thea Jansen gerne schon mal mit kleineren Reparaturen oder Räumarbeiten geholfen. Wenn ich selbst Tugenden subjektiv für mich in Anspruch nehmen darf, dann wären das Verlässlichkeit und Verantwortungsbewusstsein.“

Welche geistliche Entwicklung haben Sie in Ihrem familiären und Kelzenberger Gemeinde-Umfeld genommen?

„Mit einem Aha-Erlebnis kann ich leider nicht dienen. Ich bin in Kelzenberg groß geworden, habe mein ganzes Leben hier verbracht. Als Kind bin ich in die Kirche gegangen, weil die anderen auch gegangen sind. Druck seitens meiner Familie hat es zu keiner Zeit gegeben, obwohl Mutter und Großvater auch schon im Presbyterium engagiert waren. Aber der Gang zur Kirche bedeutete für mich mehr Gewohnheit, als dass ich Gottes Nähe bewusst verspürt hätte. Meine Konfirmandenzeit Anfang der 70er Jahre bestand mehr aus Auswendiglernen von Bibelstellen und Liedern als aus der Vermittlung einer Liebesbeziehung zu Jesus. Das war damals halt so. Ich habe nie über meine Beziehung zu Jesus Christus nachgedacht. Ich fühlte mich einfach immer nur wohl in dieser Gemeinde. Bodo Beuscher hat die Bewusstseinsbildung über meine Beziehung zu Jesus Christus wohl erst richtig in Gang gebracht. Und diese Beziehung ist dann über Jahrzehnte gewachsen. Einen Schub in meinem Glauben habe ich dann bewusst noch einmal wahrgenommen, als ich nach der Presbyteriumszeit in meinen ersten Hauskreis ging.“

Also dann doch noch ein relativ spätes Aha-Erlebnis in Ihrem Leben…?

„Das würde ich nicht so nennen. Das war auch ein allmählicher Prozess in der Intensivierung meines Glaubens durch die regelmäßigen wöchentlichen Teilnahmen im Hauskreis. Diese Gesprächsrunden mit verschiedenen Menschen in einem vertrauten Kreis haben mir durch regen Gedankenaustausch mit unterschiedlichen Ansätzen neue Sichtweisen gebracht. Früher war ich befangen in meiner Meinungsäußerung, eher verschlossen. Das hat sich gelegt. Heute bin ich aufgeschlossener. Leben teilen habe ich für mich verinnerlicht.“

Gerd Heydn im Gespräch mit Jörg Matzigkeit

Ein ganz normaler, logischer Weg für einen echten Kelzenberger „Jong“ vom Elternhaus über den eigenen Besuch des Kindergottesdienstes und Jugendfreizeiten über ansteigende Mitarbeit in der Gemeinde bis zur Berufung ins Presbyterium – das heißt, Sie sind immer an Gottes Hand gelaufen…?

„Ich bin von meiner Mutter in der Tat regelmäßig zum Beten angehalten und auch in den Kindergottesdienst geschickt worden. Ja, ich denke schon, dass ich immer an der Hand Gottes gelaufen bin. Aber das war in diesem Alter wie bei den meisten eben kein bewusstes Festmachen bei Jesus Christus, sondern reiner Kinderglauben, und noch nichts darüber hinaus. Das kam erst später.“

Dieses bewusste Festmachen bei Jesus Christus haben Sie dann wann und wie verspürt?

„Das war auf meiner ersten Jugendfreizeit noch als Konfirmand in Norwegen. Ich fühlte mich stark von Gott angesprochen. Dieses Gefühl hatte ich so vorher im Konfirmanden-Unterricht nicht derart empfunden, wohl noch nicht verstanden. Am letzten Tag unseres Norwegen-Aufenthaltes beschlich mich dann plötzlich Skepsis, ich war emotional regelrecht verwirrt. Lorenz Bührmann, heute selbst Pfarrer, damals Mitarbeiter auf unserer Norwegen-Freizeit, muss mir meine Zerrissenheit angemerkt haben, als wir uns auf dem Hof über den Weg liefen. Ich wusste sofort: Gott hatte mir damals Lorenz geschickt. Er nahm sich Zeit für ein ausgiebiges Gespräch mit mir, vermittelte mir den Zuspruch: Gott liebt Dich! Nach diesem Gespräch ging es mir sofort besser. Die Skepsis war wie weggeblasen. Aber auch vor allem das tolle Gemeinschaftserlebnis in Norwegen hat einen nachhaltigen Eindruck für die Zukunft bei mir hinterlassen.“

Welche Bedeutung hat für Sie die Jugendarbeit in der Gemeinde für Ihr persönliches geistliches Wachstum, wenn Sie auf Ihre Tätigkeit in den vergangenen Jahren zurückblicken?

„Die Arbeit im JC hat mir sehr viel Spaß gemacht, besonders das Entwickeln und Vorspielen von Theater-Szenen im Anspielteam, unserem ‚A-Team‘. Dort konnte ich meine Kreativität einbringen, gemeinsam mit anderen an einer Aufgabe arbeiten, mit Freude etwas für unseren Herrn machen, lauthals dabei lachen. Bibelarbeit war für mich immer viel intensiver, wenn ich für den Jugendkreis Andachten vorbereitet habe, als wenn ich nur für mich In der Bibel gelesen habe. Geben bringt mehr als Nehmen. Ich bin der Gewinner, wenn ich versuche, Jesus nachzufolgen. Ich fühlte mich immer beschenkt in der Jugendarbeit und in unserem Anspielteam.“

Fortsetzung folgt jetzt im nahtlosen Übergang von der Jugendarbeit zur Mitarbeit in der Gemeindeleitung im Presbyterium…

„Der Herr musste mich schon immer etwas anschubsen. Das war früher so bei Leitungsaufgaben in der Jugendarbeit, und das war auch so für meine aktuelle Mitarbeit im Presbyterium. Ich bin schon 2011 von Pfarrer Bodo Beuscher angefragt worden für die Presbyteriumswahlen. Aber damals hatte ich gerade meinen Einstieg in den Beruf genommen und – Heiratspläne. Es hatte sich eigentlich innerlich nichts bei mir dagegen gesträubt. Nur der Zeitpunkt stimmte einfach noch nicht. Ich antwortete Bodo Beuscher damals: Vielleicht beim nächsten Mal…“

Und das nächste Mal kam nach dem Rücktritt von Daniel Meisen aus dem Presbyterium schneller als gedacht. Diesmal bedurfte es dann keines weiteren Anschubsers mehr?

„Nein, Beruf läuft, und verheiratet bin ich inzwischen auch. Ich wollte mich ja nicht grundsätzlich meinem Herrn verweigern. Und als Bodo kurz vor Weihnachten vergangenen Jahres wieder anklopfte, hatte ich schon das Gefühl: Ich werde gebraucht in der Gemeinde. Durch meinen Eintritt ins Berufsleben und den Tod meines Schwiegervaters hatte ich meine Mitarbeit in der Gemeinde zuletzt auf Sparflamme zurückgedreht, war auch nicht mehr auf Sommerfreizeiten mitgefahren. Ich fühlte mich einfach ausgelaugt. Ich war zwar noch dabei, aber nicht mehr mittendrin. Ich habe selbst gespürt, dass ich nicht mehr sonderlich dabei war, Jesus nachzufolgen. Da kam die Anfrage genau zum richtigen Zeitpunkt.“

Welche Vorstellungen verbinden Sie mit Ihrer neuen Tätigkeit als Presbyter in der Gemeinde?

„Meine neue Aufgabe ist mir nach so kurzer Zeit im Detail natürlich noch nicht so hundertprozentig klar, da wachse ich noch rein. Aber ich habe mich vor meiner Zusage von Bodo Beuscher und auch meinem Vorgänger Daniel Meisen schon grundsätzlich einweisen lassen. Über der technischen Frage, wer macht was im Presbyterium, steht für mich die wesentliche: Ich möchte in erster Linie meinem Herrn dienen, sehe darin den Hirtendienst für die Leitung einer Gemeinde. Ich fühle mich von Gott sehr beschenkt und bin dankbar für diese Gemeinde in Kelzenberg.“

Was macht das Gotteshaus in Ihrer Gemeinde Kelzenberg für Sie aus?

„Das ist für mich der Ort, an dem ich Gott schon oft erfahren habe. Das ist der Ort, in dem Leben stattfindet. Und deshalb möchte ich auch dazu beitragen, diesen Ort zu erhalten und nach Möglichkeit weiter auszubauen. Aus diesem Grunde möchte ich etwas zurückgeben in Wort und Tat – aus dieser Dankbarkeit heraus, dass es diesen Ort hier für mich und uns alle gibt. Menschen in ihrem Glauben zu stärken oder überhaupt erst hinzuführen zum Glauben, darin sehe ich eine große Aufgabe für mich und alle, die in und mit unserer Gemeinde leben. Kelzenberg ist eine lebendige Gemeinde.“

Aber den Theaterspieler und den Schlagzeuger Jörg Matzigkeit wird es in der Gemeindearbeit jetzt wohl nicht mehr geben, oder…?

Bei der Technik unserer Gemeinde mache ich nach wie vor mit, und auch das Schlagzeug im Gottesdienst reizt mich weiterhin. Ich möchte keineswegs sonntags nur vorne in der ersten Reihe sitzen…“

Treffpunkt ist eines seiner luxuriösen Schlösser hoch oben in einer grandiosen Bergwelt. Von hier hat man einen fantastischen Ausblick über einen großen See am Fuß der Berge und die dahinter liegende Ebene. Ich begegne einem Mann mittleren Alters mit beeindruckend maskuliner Ausstrahlung in elegantem, perfekt sitzendem Anzug, der sich so geschmeidig und selbstsicher bewegt, als wäre es das Normalste von der Welt über eine riesige Dienerschaft zu verfügen.

[columns count=“2″]Sonderkorrespondent: Ich… ääh.., ich muss sagen… also ich bin beeindruckt…!

Mr. Teufel: (lacht) Ja, wahrscheinlich haben Sie erwartet, einen haarigen Unhold mit Ziegenfüßen, Hörnern auf dem Kopf und einem Dreispieß in der Hand zu treffen. Ich muss sagen, dass ich dieses Bild für einen großen Wurf halte. Seitdem einer meiner Mitarbeiter es entworfen hat, ist es eines der bewährten Mittel, mit denen wir die Aktionen unserer Organisation verschleiern. Übrigens hat dieser ganze Luxus, den Sie hier sehen für mich und meinen Stab nicht den geringsten Wert, aber wir benutzen dieses Material, weil die Menschen es für so wichtig halten.

SK: Sie sprechen von Ihrer Organisation, ist es ein großes Unternehmen?

Mr. T.: Es gibt kein Größeres auf der Erde. (wächst sichtbar, lächelnd…) Globalisierung war für uns bereits das Thema, als noch kein Mensch wagen konnte, so etwas auch nur zu denken. Niemand hat weltweit mehr Macht, größeren Einfluss und so bewährte und effektive Methoden, wie wir. Wir kontrollieren jede Gesellschaft und verfügen über unbegrenzte Ressourcen. Dabei hat jeder meiner Mitarbeiter das Ziel, so unauffällig, wie nur irgend möglich zu arbeiten. Die größten Erfolge erzielen wir in der Regel dort, wo man uns am wenigsten wahrnimmt oder vermutet.

SK: Damit hatte ich nicht gerechnet. Können Sie mir Ihre Arbeitsweise genauer erläutern?

Mr. T.: Flexibilität ist natürlich auch ein wichtiger Faktor unserer Unternehmenskultur. Im Mittelalter beispielsweise waren für fast alle Menschen in Europa solche Begriffe wie „Sünde“, „Hölle“, „Gott“ und „Teufel“ ganz geläufig. Damals war es sehr leicht mit Angst und Leistungsdruck die Leute in unserem Sinne zu lenken. Heute dagegen wenden sich viele von den Kirchen ab und der Glaube hat in der Öffentlichkeit an Bedeutung verloren. Deshalb bieten wir ihnen Luxus, Ablenkung durch Materialismus. In der westlichen Welt ist das derzeit sehr effektiv. Übrigens sind auch hier die Werkzeuge „Angst“ und „Leistungsdruck“ fest integrierte Bestandteile zur Gestaltung der Gesellschaft und des Lebensstiles. Man kann es vereinfacht so ausdrücken: Wer sich viel anstrengt, kann sich viel leisten. Wer sich viel leistet, kann es sich nicht mehr leisten, weniger zu haben. Wer viel besitzt hat auch viel zu verlieren und muss entsprechend vorsorgen. (Schmunzeln) Menschen in Betrieb und Rastlosigkeit zu halten ist wirklich nicht schwer. Ich kann Ihnen aber sagen, dass der Materialismus global betrachtet bei unseren Aktionen eine eher untergeordnete Rolle spielt.

SK: Ist das wirklich so? Von unserem Standort betrachtet hat man doch das Gefühl, als sei der Wohlstand das einzig erstrebenswerte Ziel!

Mr. T.: In jedem Menschen gibt es ein Suchen nach dem Sinn des Lebens, eine Ahnung von irgendetwas höherem, welches über das eigene Leben hinausgeht und ein unaufhörliches Streben nach Anerkennung. Wir arbeiten ständig da-ran, individuell passende Lösungen zu bieten, die auf diese Bedürfnisse der Menschen abgestimmt sind. Die weitaus meisten meiner Mitarbeiter sind in diesem Bereich eingesetzt. Wir beschäftigen uns damit, Ideologien, Vorstellungen und Abgötter zu entwerfen. Man kann es zusammenfassend so formulieren: Wir haben einen oder mehrere Götter oder Göttinnen, die man sich günstig und wohlgesonnen stimmen muss, damit es einem gut geht, bzw. nach dem Tod oder in einem anderen Leben gut geht. Wiederum sind es die bewährten Mittel, derer wir uns bedienen, nämlich-, sie ahnen es vielleicht schon-,: Angst und Leistungsdruck! Wenn man den Zorn eines Gottes oder einer Göttin besänftigen muss, wird man möglichst viel einsetzen, um Erfolg zu haben. Je höher der Einsatz, also das Opfer ist, desto sicherer kann man sich fühlen. Allerdings achten wir da-rauf, dass immer ein kleiner Rest an Unsicherheit bestehen bleibt, damit wir das Streben nach dem Wohlgefallen der Götter in Betrieb halten. Ein wichtiger Aspekt bei den Religionen ist der, dass Menschen mit besonders großer Opferbereitschaft sich bei ihren Mitmenschen oder Anhängern Anerkennung verschaffen. Wenn dann noch ein starker Wille, Entschlossenheit und Führungsqualität dazu kommen, haben wir möglicherweise jemanden, der andere beeinflussen und hinter sich herziehen wird. Die Menschen brauchen in den meisten Fällen einen, der Ahnung hat, der ihnen sagt, wo es langgeht, der weiß, wie es richtig ist. Wenn wir solche Schlüsselpersonen kontrollieren, haben wir gleichzeitig auch die ganze Schar ihrer Nachfolger im Griff.

SK: Ich habe das Gefühl, das Effizienz in Ihrer Organisation eine wichtige Rolle spielt…

Mr. T.: Ganz genau! Es gab vor allem im Mittelalter viele künstlerische Darstellungen von der Hölle bei denen die Dämonen wie ein wüster, unsortierter Haufen wilder Unholde abgebildet wurden. Die Menschen sollen ruhig glauben, es wäre so. Ich kann Ihnen aber versichern, dass jeder einzelne meiner Mitarbeiter mit äußerster Energie und Zielstrebigkeit seine Aufgaben erfüllt.

Ich habe noch einen entscheidenden Faktor bei den Religionen bisher nicht erwähnt: Die Schlüsselpersonen, von denen ich vorhin sprach, können sich in dem befriedigenden Gefühl baden, etwas Besonderes zu sein. Sie beziehen dieses Gefühl aus der wirklichen oder vermeintlichen Einzigartigkeit ihrer Idee, Vision oder Ideologie und aus dem Erfolg, z.B. dem Wachstum ihrer Jüngerschaft, der Schlüssigkeit ihrer Ideen. Die Anhänger leben im Bewusstsein, Teil von etwas Höherem zu sein, das sie entdeckt haben. Wann immer wir die Überheblichkeit eines Menschen ansprechen, können wir mit Erfolg rechnen. Sie können mir eins glauben: Menschen sind sehr leicht zu ködern.

SK: Was Sie jetzt sagen erinnert mich an Zustände, die ich manchmal in der christlichen Szene beobachtet habe…

Mr. T.: (mit Stolz) Unser schwierigstes Terrain! Aber nicht aussichtslos. Wir haben eine Sonderabteilung eingerichtet, die sich ausschließlich damit beschäftigt, Bibeltexte zu benutzen um sie mit Angst und Leistungsdruck daran zu hindern unserem Einfluss zu entkommen. Wir lenken ihren Blick auf ihr Versagen, ihre Sünden, ihre Charakterschwächen und fördern auf diese Weise ein schlechtes Gewissen. Das ist noch immer die bewährteste Methode, sie einzuschüchtern und jegliche Entfaltung zu blockieren.

SK: Mich würde vor allem noch eins interessieren: Warum machen Sie das alles, was ist der Grund für die Vielfalt Ihrer Manöver?

Mr. T.: Meine ganze Organisation ernährt sich davon, dass wir Menschen beeinflussen, kontrollieren und besitzen. Sie sollen mir folgen, mir angehören, mir gleich werden. Ich habe es verdient, ihr Gott zu sein.

Gerd Reschke[/columns]