Der neue Hausvater: „Gott gab mir die Gabe des Dienens“

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Gerd Heydn im Gespräch mit Wilfried Lüngen

Hausvater – eine neue Wortschöpfung für den altgedienten Beruf des Küsters. Eine Erfindung von Ihnen?

„Nein. Der Begriff Hausvater war eigentlich schon während der Dienstzeit von Paul-Heinz Müschen in unserer Gemeinde geläufig. Ich finde ihn treffend, drückt er doch mehr eine Wertschätzung als eine neue Wortschöpfung aus. Ich sehe in meiner Arbeit für die Gemeinde keinen Job, sondern eine Berufung, eine liebevolle Aufgabe in einem familiären Umfeld. Ich fühle mich in der Gemeinde heimisch. Das Gemeindeleben ist einfach wichtig für mich.“

Welche Aufgaben stellen sich dem Hausvater in der Gemeinde Kelzenberg?„Meine Aufgabe, meine grundsätzliche Herausforderung sehe ich darin, das Gemeindehaus so einladend wie möglich für die Menschen zu halten, die darin Gemeinschaft mit Jesus Christus suchen. Zur alltäglichen Arbeit gehören Vorratskontrolle und Einkauf aller Verbrauchsmittel von den Getränken bis zum Klopapier, dazu akutes Putzen und Aufräumen, Amtshandlungen, kleinere handwerkliche Tätigkeiten, Spülmaschine, Kehren, Rasenmähen, Hecken schneiden und auch die Pflege des evangelischen Friedhofs in Kelzenberg. Ich bin im Schnitt täglich mindestens eine Stunde für die Gemeinde im Einsatz, es kann auch schon mal ein halber Tag werden. Denn hier ist ja – Gott sei Dank – immer eine Menge los. Ich arbeite auf Stundenlohn-Basis. Das ist für die Gemeinde günstiger als eine Anstellung mit sozialer Absicherung, beinhaltet aber auch ein uneingeschränktes Vertrauen seitens der Gemeindeleitung. Ich trage meine Stundenleistungen selbst ein. Aber aus finanziellen Erwägungen heraus bin ich ohnehin nicht Hausvater geworden.“

Aus welchen Gründen denn? Beeinträchtigt diese Tätigkeit nicht Ihre tägliche Arbeit als Landwirt?

„Vielleicht bei Arbeitsspitzen. Den Umfang der Aufgaben als Hausvater habe ich vorher wohl doch zeitlich etwas unterschätzt. Bisher gab es aber noch keine Probleme. Ich kann mir die Arbeit ja größtenteils selbst einteilen. Es ist schon seit einigen Jahren klar, dass der landwirtschaftliche Betrieb unserer Familie nicht weiterläuft. Tochter Astrid ist bei der Polizei, Sohn Torsten Bauingenieur. Viehwirtschaft mit Mastschweinen habe ich schon vor Jahren eingestellt. Bei Weiterführung des Betriebes müsste ich investieren. Das wiederum würde auch einen noch wesentlich größeren Zeitaufwand von mir fordern.“

Haben Sie sich um die Stelle beworben, oder ist man seitens der Gemeindeleitung auf Sie zugekommen?

„Das Presbyterium wollte mich als Nachfolger von Paul-Heinz Müschen und hat mich angesprochen. Pfarrer Bodo Beuscher hat mir auf meine Frage ‚warum ich?‘ geantwortet: ‚Weil wir Dich wollen!‘ Ich sehe darin einen großen Vertrauensbeweis. Im Rückblick war die Entscheidung eigentlich gar nicht so überraschend für mich. Ich glaube, der Weg war von Gott vorgezeichnet für mich. Die Gemeinde ist mein Zuhause. Hier fühle ich mich wohl.“

Sie waren lange Jahre im Presbyterium dieser Gemeinde engagiert. War das nicht eine viel größere und verantwortungsvollere Aufgabe als Ihre neue als Hausvater?

„Das kann man, glaube ich, nur sehr schwer vergleichen. Das war eine völlig andere Aufgabe. Wenn ich mich selbst einschätzen soll, sage ich: Eine Führungskraft bin ich nicht unbedingt. Gott hat mir die Gabe des Dienens gegeben, nicht die des Führens. Gott hat mich mit zwei gesunden Händen und Beinen ausgestattet. Und es hat mir Freude gemacht, anderen zu helfen. Das war eigentlich schon immer so in meinem Leben. In den 80er Jahren habe ich der damaligen Küsterin Thea Jansen gerne schon mal mit kleineren Reparaturen oder Räumarbeiten geholfen. Wenn ich selbst Tugenden subjektiv für mich in Anspruch nehmen darf, dann wären das Verlässlichkeit und Verantwortungsbewusstsein.“

Welche geistliche Entwicklung haben Sie in Ihrem familiären und Kelzenberger Gemeinde-Umfeld genommen?

„Mit einem Aha-Erlebnis kann ich leider nicht dienen. Ich bin in Kelzenberg groß geworden, habe mein ganzes Leben hier verbracht. Als Kind bin ich in die Kirche gegangen, weil die anderen auch gegangen sind. Druck seitens meiner Familie hat es zu keiner Zeit gegeben, obwohl Mutter und Großvater auch schon im Presbyterium engagiert waren. Aber der Gang zur Kirche bedeutete für mich mehr Gewohnheit, als dass ich Gottes Nähe bewusst verspürt hätte. Meine Konfirmandenzeit Anfang der 70er Jahre bestand mehr aus Auswendiglernen von Bibelstellen und Liedern als aus der Vermittlung einer Liebesbeziehung zu Jesus. Das war damals halt so. Ich habe nie über meine Beziehung zu Jesus Christus nachgedacht. Ich fühlte mich einfach immer nur wohl in dieser Gemeinde. Bodo Beuscher hat die Bewusstseinsbildung über meine Beziehung zu Jesus Christus wohl erst richtig in Gang gebracht. Und diese Beziehung ist dann über Jahrzehnte gewachsen. Einen Schub in meinem Glauben habe ich dann bewusst noch einmal wahrgenommen, als ich nach der Presbyteriumszeit in meinen ersten Hauskreis ging.“

Also dann doch noch ein relativ spätes Aha-Erlebnis in Ihrem Leben…?

„Das würde ich nicht so nennen. Das war auch ein allmählicher Prozess in der Intensivierung meines Glaubens durch die regelmäßigen wöchentlichen Teilnahmen im Hauskreis. Diese Gesprächsrunden mit verschiedenen Menschen in einem vertrauten Kreis haben mir durch regen Gedankenaustausch mit unterschiedlichen Ansätzen neue Sichtweisen gebracht. Früher war ich befangen in meiner Meinungsäußerung, eher verschlossen. Das hat sich gelegt. Heute bin ich aufgeschlossener. Leben teilen habe ich für mich verinnerlicht.“