Gerd Heydn im Gespräch mit Olaf Herrmann
Ihre Hobbies, Windsurfen und Musik, nehmen einen breiten Raum in Ihrem Leben ein?
„Ja, seit 1980 stehe ich auf dem Surfbrett und genieße es auch heute noch, mich bei richtig viel Wind auf dem Wasser auszutoben oder beim Soulsurfen die Seele baumeln zu lassen. Windsurfen ist einzigartig und bringt einzigartige Momente, die mir oft ein Lobpreislied auf dem Wasser entlocken. Wind gibt‘s aber nicht jeden Tag, und deshalb ist es auch immer ein besonderes Ereignis, auf das ich mich freue. Musik hat nicht immer eine Rolle in meinem Leben gespielt. Als Schüler, mit 16/17 Jahren, hatte ich erstmals eine Bass-Gitarre in der Hand. Ich habe mich dann als Autodidakt in verschiedenen Bands weiter entwickelt. Während meines Studiums wurden dann die Interessenskonflikte zwischen diesen beiden Hobbys immer größer, und die Musik ist dabei auf der Strecke geblieben. Erst mit 35 Jahren habe ich in einer evangelischen Freikirche in Rheydt auf Anfrage das gemeinsame Musizieren wieder entdeckt und dort lange im Lobpreis-Team mitgearbeitet.“
Sind das teure Hobbies, die Sie pflegen?
„Eigentlich schon. Deshalb habe ich meine Instrumente wie auch früher meine Surfbretter selbst hergestellt. Alles aus Holz, auch meine Surfbretter. Das war sehr ungewöhnlich, aber technisch konnte ich da lange Zeit mithalten, und es war halt erschwinglich. Meine erste Gitarre habe ich während eines Praktikums für mein Studium in einer Schreinerei aus Ahornholz gebaut. Das hat besser geklappt als erwartet, und so sind es bis heute sechs Bass-Gitarren geworden, die ich hergestellt habe. Jede anders, der Bau immer spannender als das Endergebnis. So war das auch mit meinen Alu-Flöten, sogenannten Low Whistles. Erst habe ich im Internet recherchiert, und dann habe ich einfach angefangen. Interessiert hat mich diese Art von Flöte schon gut 20 Jahre lang, aber erst durch das Musizieren in der Lobpreis-Band ist mein Entschluss zum Eigenbau gereift. Mittlerweile sind es 15 Flöten geworden. Auf drei bis vier kann ich mich gut verlassen. Jede Flöte klingt ein bisschen anders.“
Windsurfen und Musik. Welcher Raum bleibt dann da noch für den Glauben bei Ihnen?
„Alles ist eng miteinander verwoben. Vereinfacht gesagt: Musik ist gleich Outpout, Surfen Input. Ich versuche alles mit dem Bewusstsein zu tun, Kind Gottes zu sein. Musik ist Ausdruck meines Glaubens in diese Welt hinein. Windsurfen nehme ich als Geschenk und tanke auf. Das war allerdings nicht immer so. Mit 22 Jahren bin ich aus der Kirche ausgetreten. Mein kindlicher Glaube an Gott hatte sich da schon lange verabschiedet. Den hatte ich durch Anhäufung von Wissen über Natur, Technik, ferne Welten und Forschung ersetzt. Evolutionstheorie statt Gott. Für den Glauben blieb kein Platz mehr. Kirchen habe ich nur noch bei Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen von innen gesehen. Christen und Angehörige anderer Religionsgemeinschaften waren für mich weltfremd und überhaupt die Wurzel allen Übels auf dieser Welt.“
Und wie wurde dann Olaf Herrmann vom Saulus zum Paulus?
„Zum Stolperstein wurde vor etwa 24 Jahren ausgerechnet ein Zeuge Jehovas, der mich bei einem Stadtbummel auf der Straße ansprach. Meiner damaligen Auffassung nach gehörten die Zeugen Jehovas zu den Schlimmsten ihrer Gattung. Es gelang mir nicht, den Mann abzuwimmeln, geschweige denn mit meinen Argumenten zu überzeugen, und letztendlich habe ich ihn dann zu mir nach Hause eingeladen, um das Gespräch fort zu setzen. Das folgte auch bald. Und es blieb nicht bei dem einen Mal. Ihm machte es sichtlich Spaß, mit mir zu streiten. Und er hatte auf jeden Pott ‘nen Deckel. Dabei war er immer klar, authentisch und glaubhaft.“
Wer war letztlich Punktsieger in den Streitgesprächen?
„Ich war am ersten Abend schon ausdiskutiert. Als der Mann dann aus seinem Leben erzählte – er hatte sein eigenes Geschäft aufgegeben, um sein Leben ganz in den Dienst seines Gottes zu stellen – fiel irgendwann ein Schlüsselsatz für mich: ‚Gott braucht dich!‘ Und das hat mir neben vielen anderen Dingen an diesem Abend sehr zu denken gegeben. Heute weiß ich: Gott hat mir an diesem Abend den Glauben geschenkt. Das hatte ich selber nicht mehr für möglich gehalten. Es gab also nur Gewinner.“
Was empfanden Sie in dem Augenblick, als sich die neue Erkenntnis in Ihnen breit machte, Sie Gottes Geschenk auspacken durften?
„Ich saß da und verspürte plötzlich einen tiefen Frieden in mir, den ich gar nicht beschreiben kann. Und an jenem Abend war mir klar: Ich bin angekommen. Der eine Satz des Zeugen Jehovas hat das irgendwie ausgelöst: ‚Dieser Gott braucht dich!‘ Der beschäftigt mich noch heute. Ich kann das, was ich erlebt habe, in diese Welt hineingeben, damit er handeln kann.“
Über die Zwischenstation der Brüdergemeinde in Rheydt sind Sie dann nach Kelzenberg gekommen…
„Ja, nachdem ich ein halbes Jahr bei den Zeugen Jehovas war, ich mich aber nicht wirklich mit dem Gedanken anfreunden konnte, der Gemeinschaft beizutreten – meine Familie schon gar nicht, ergab sich ein Kontakt zu einer Brüdergemeinde in Rheydt. Dort wurde ich sehr herzlich aufgenommen. Die Bedeutung von Jesus Christus als Sohn Gottes für uns Menschen wurde mir da erst klar. 15 Jahre bin ich in dieser Gemeinde aktiv gewesen, getauft worden und habe Höhen und Tiefen durchlebt. Die Gemeinde ist dann leider nach und nach auseinander gegangen, heute nicht mehr existent. Durch Bekannte bin ich dann auf Kelzenberg aufmerksam geworden. Als ich das erste Mal zu Besuch war, stand da in großen Buchstaben in der Kirche: ‚Er ist unser Friede‘. Da habe ich mich direkt zu Hause gefühlt.“
Und die Musik spielt in Kelzenberg auch wieder eine herausragende Rolle für Sie?
„Ich war noch nicht lange in Kelzenberg, als Pfarrerin Gabi Beuscher im Gottesdienst anfragte, ob sich ein Bassist in der Gemeinde befinde für eine in Gründung befindliche Lobpreis-Band. Ich war unsicher, ob ich mich melden sollte. Da aber sonst niemand ‚hier‘ rief, habe ich mich doch gemeldet. Und inzwischen hat sich diese Entscheidung als Riesenbereicherung und Geschenk für mein Leben herausgestellt. Und damit meine ich nicht die Musik allein, sondern auch alle Menschen, die Jesus Christus hier in Kelzenberg, insbesondere in der musikalischen Begleitung, zusammengeführt hat.“
Was ist Ihnen noch wichtig in Ihrem Glauben?
„Gott mehr zu vertrauen, und aus diesem Vertrauen heraus das zu bezeugen, was ich bisher mit ihm erlebt habe. Dieses Thema beschäftigt mich zurzeit. Auslöser war ein Vers aus Römer 4: Abraham setzt sein ganzes Vertrauen auf Gott. So fand er Gottes Anerkennung – nicht wegen seiner guten Taten. Den Vers hatte ich morgens gelesen, danach bin ich eine Runde gejoggt und habe dabei über Vertrauen nachgedacht. Mir wurde klar, wie wichtig Vertrauen für Gott ist. Das hat mich innerlich aufgewühlt. Als ich nach Hause zurückkam, sah ich eine kleine Beule an meinem Auto. Und vor dem Reifen meines Autos lag ein kleines weißes Kreuz aus Kunststoff, schon etwas verschmutzt. In dem Augenblick schoss mir ein Gedanke durch den Kopf: Ja, Herr, ich habe verstanden. Aber diesen Satz hatte ich wohl nicht selbst in meinem Kopf entwickelt…“