Glaube kontra Wissenschaft

Das christliche Umfeld in dem ich aufgewachsen bin, hatte die feste Überzeugung, dass Gott die Erde und das ganze Universum erschaffen hat. Jedoch war diese Überzeugung, wahrscheinlich größtenteils aus Unwissenheit, mit ganz bestimmten Vorstellungen verknüpft, wie Gott alles erschaffen hat. 

Dazu gehörte unter anderem die Meinung, dass die Erde ca. 6000 Jahre alt sei, dass das gesamte Universum in dem 6-Tage-Schöpfungsakt mit enthalten war, dass die Erde im Zentrum des Universums steht, dass es unmöglich Leben außerhalb der Erde geben könne und noch verschiedene andere Vorstellungen.

Vor vielleicht 20 Jahren saß ich vorm Computer und klickte mich durch eine Lern-CD, wo es unter anderem um die großräumigen Strukturen im Universum ging. Die Bilder fesselten mich so sehr, dass ich anfing, mich für Astronomie und Physik zu interessieren. Ich begann Fachliteratur zu lesen, besuchte wissenschaftliche Vorträge und diskutierte mit Forschern und fachkundigen Laien. Daraus ergaben sich für mich immer wieder überraschende Entdeckungen. Scheinbare Widersprüche zwischen Wissenschaft und Bibeltext lösten sich auf. Am ersten Tag erschuf Gott das Licht, am dritten Tag aber erst die Sonne. Jedoch deckt sich diese Reihenfolge mit dem heutigen Verständnis von der Entstehung eines Sterns.

Wenn man den Schöpfungsbericht genau studiert, dann steht dort eben nur: „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde.“ (1. Mose 1,1, Luther 1914). Das ist keine Aussage darüber, dass dieser Schöpfungsakt vor 6000 Jahren stattgefunden hat. Auch wird nichts dazu gesagt, wie dieses Erschaffen geschehen ist. Wenn Gott das Universum erschaffen hat, dann doch vor allem die Gesetzmäßigkeiten, die wir erforschen und beobachten können und die wir Naturgesetze nennen. Dann ist es logisch, dass auch der eigentliche Schöpfungsakt im Rahmen von Gottes Naturgesetzen stattgefunden hat.

Meine Beschäftigung mit wissenschaftlichen Themen hatte verschiedene Auswirkungen: Einerseits wurden viele Vorstellungen aus meiner Kindheit in Frage gestellt und revidiert. Auf der anderen Seite wurde mein Bild von Gott als Schöpfer wesentlich erweitert. Mich fasziniert die geniale Kreativität, mit der Er aus wahrscheinlich wenigen, fundamentalen Bausteinen eine so vielfältige, durchdachte und exakt aufeinander abgestimmte Natur mit ihren Gesetzmäßigkeiten hervorgebracht hat. Dabei sind die Eigenschaften der Elementarteilchen sehr fein aufeinander abgestimmt. Wären sie nur geringfügig anders, gäbe es diese Welt nicht so, wie wir sie kennen. Das alles ist von Gott genial konstruiert und erdacht, von den mikroskopisch kleinsten Teilchen bis hin zu den unvorstellbar weiten Räumen des Universums.

Ich bin überzeugt, dass Gott das Weltall im Bruchteil einer Sekunde komplett hätte fertig stellen können. Aber offensichtlich hat Er Gesetzmäßigkeiten eingerichtet, in deren Rahmen das Universum begonnen hat und sich weiter entwickelt. Diese Gesetze können wir erforschen und dadurch die Schöpfung immer besser verstehen.

Ein Aspekt der Reformation ist die Erschütterung der allgemein herrschenden Überzeugung, dass die Kirche immer und in allen Bereichen Recht hat. Diese Erschütterung öffnete allmählich die Tür, um neue Gedanken und Vorstellungen zu verfolgen. Galileo, Kopernikus, Kepler und andere machten Beobachtungen, die jahrhundertealten Ideologien widersprachen. Jetzt wurde es allmählich möglich, ein völlig neues Weltbild zu konstru-ieren, welches auf überprüfbaren Forschungen ruhte. Wahrscheinlich ist in diesem Prozess die Distanz zwischen Religion und Wissenschaft entstanden. Es gibt sicherlich gläubige Wissenschaftler, aber der Mainstream scheint eher darum bemüht zu sein, die Welt so zu erklären, dass Gott als Schöpfer und Ursprung aller Dinge nicht nötig ist. Dabei ist mir seriöse Wissenschaft sehr sympathisch, da sie sauber trennt zwischen Daten bzw. Forschungsergebnissen und den Theorien, die daraus folgen. Theorien sind Erklärungsmodelle, mit denen man versucht, die verschiedenen Daten in Einklang zu bringen. Als jemand, der an Gott als Schöpfer glaubt, muss ich damit leben, dass für mich nicht alles erklärbar ist. Ich wünsche mir, dass wir als Christen lernende, suchende Forscher sind und bleiben, die nicht alle Antworten fertig im Gepäck dabei haben. Möglicherweise wird es wissenschaftlich Denkenden leichter werden zum Glauben zu finden, wenn sie solchen Christen begegnen.

Gerd Reschke