Martha Seibel im Gespräch mit Gerd Heydn

Die einzige Hundertjährige in unserer Gemeinde. Wie erleben Sie denn heute noch Gemeindeleben und Gottesdienste?

„Über etliche Jahre habe ich mit meiner Familie regelmäßig Gottesdienste in Kelzenberg und Jüchen besucht. Darauf habe ich mich immer die ganze Woche über gefreut. Aber in den letzten Jahren hat mein Körper das nicht mehr zugelassen. Ich habe mein Leben lang in der Bibel gelesen – wenn ich denn eine zur Verfügung hatte. Die Apostelgeschichte war mein Lieblingsbuch in der Bibel. Jetzt hat auch meine Sehkraft so sehr nachgelassen, dass ich nicht mehr selbst lesen kann. Gottesdienste höre ich mir jeden Sonntag in Fernsehübertragungen an, ganz egal, ob ein evangelischer oder ein katholischer Gottesdienst gesendet wird.“

Das heißt also, leider keine weitere direkte persönliche Anbindung mehr an die Kirchengemeinde Kelzenberg?

„Doch, doch. In diesem Frühjahr hat Pfarrerin Gabi Beuscher mit mir hier bei mir zu Hause das Abendmahl gefeiert. Ich hatte Angst, dass der Heiland mich nicht will, weil ich ein sündiger Mensch bin. Danach fühlte ich mich getröstet. Ich werde wach, und alles ist gut. Darüber bin ich so glücklich. Und Frau Beuscher hat mir versichert, dass sie auch weiterhin gerne Abendmahl mit mir feiern möchte.“      

Ein Blick auf Ihren Lebensweg zeigt, dass es ein Weg voller Schmerzen war. Ihre Mutter haben Sie kurz nach Ihrer Geburt verloren, Ihren Vater mit vier Jahren, sind dann von Ihrer 18 Jahre älteren Schwester groß gezogen worden. Wollen Sie uns weitere Stationen aus Ihrem Leben erzählen …?

„Ich habe mit 18 Jahren 1936 geheiratet. Mein Mann Heinrich ist wie ich als Waisenkind aufgewachsen. Beide mussten wir als Kinder arbeiten, um etwas Geld zu verdienen. Mein eigenes erstes Kind ist mit elf Monaten gestorben, das zweite durch eine Lungenentzündung mit drei Jahren. Als die deutsche Wehrmacht im Juni 1941 in die 

Sowjetunion einmarschiert ist, mussten wir Wolga-Deutsche innerhalb von 24 Stunden unsere Heimat verlassen. Die Familien wurden auseinander gerissen, nach Sibirien deportiert und bei russischen Familien einquartiert. Mein Mann kam in ein Lager. Ich konnte mich entscheiden, ob ich unter oder über Tage in einem Erzbergwerk arbeiten wollte. Ich habe mich für unter Tage entschieden, weil es dort wärmer war. 20 Jahre haben wir in Sibirien gelebt – ohne Kirche, nicht einmal eine Bibel hatten wir. 1961 durften wir Sibirien verlassen und sind in die Region des Altai-Gebirges gezogen.“  

Dann haben Sie ja wahrscheinlich nicht viel von Gottes Führung in jener Zeit verspürt?

„Und doch habe ich nie an Gott gezweifelt, nie den Glauben an Christus verloren. Im Altai haben wir durch die Auskunft eines fremden Mannes eine Information über meine Schwester Marie erhalten, die mich groß gezogen hatte. Und dieser Hinweis führte uns tatsächlich zu ihr. Sie lebte in Kasachstan. Da bin ich dann 1962 mit meiner Familie auch hin. Das war doch Gottes Führung!“

Und in Kasachstan hat sich dann vieles zum Guten gewendet …

„Ja. Dort gab es auch wieder die Möglichkeit, Gottesdienste in einer evangelischen Kirche zu besuchen, und wir hatten christliche Hausgemeinschaften. Ich habe damals zu Gott gebetet, mir die Weisheit zu geben, um seine Wege für mich verstehen zu lernen. Und ich habe sie bekommen und verstanden. Mein Glaube wurde intensiver. Ich fühlte mich nach einer Bibelstunde regelrecht durch den Heiligen Geist bekehrt, bin in jener Stunde aus tiefstem Herzen Christ geworden. Für mich war klar: Ich hatte gefunden, was ich so lange gesucht hatte. Auf einmal war alles gut und neu. Der einzige Wermutstropfen dabei war: Mein Mann empfand nicht gleichermaßen wie ich.“

1993 durften Sie dann mit Ihrer Familie nach Deutschland ausreisen.

„Ja. Wir mussten eineinhalb Jahre auf unsere Ausreisegenehmigung aus Kasachstan warten. Ein Jahr zuvor war schon eine Tochter von mir nach Hochneukirch gekommen. Wir haben zuerst ein Jahr in Alt-Garzweiler gelebt, dann seit 1994 in Neu-Garzweiler und direkt den Anschluss an die evangelische Kirche in Jüchen gesucht.“

Wenn Sie selbst ein Resümee Ihres Lebensweges über 100 Jahre ziehen, wie fällt das aus?

„Trotz allem, trotz meines wirklich steinigen Weges – ich bin zufrieden und glücklich, dass ich Gott gefunden habe. Ich bete jeden Morgen und jeden Abend vor und nach dem Essen. Abends singe ich auch. Ich würde am liebsten abends beten und singen – und dann eines Morgens nicht mehr aufwachen. Der Heiland ist ja da und nimmt mich mit. Der lässt mich nicht im Stich!“

Die Bibel erzählt viele Lebensgeschichten von Menschen und ihrer Beziehung zu Gott. Wenn wir diese mit ihren Höhen und Tiefen studieren, lernen wir viel über Gottes Wesen und Seine guten Absichten mit uns.

Gott segnet Menschen mit verschiedenen Gaben. Das kann materieller Reichtum sein, oder auch eine bestimmte Befähigung, um Gottes Worte zu predigen oder zukünftige Ereignisse anzukündigen. Manche werden befähigt, verantwortlich eine Machtposition auszufüllen. Immer hat der Segen von Gott die Ausrichtung, dass er durch den Gesegneten auch andere Menschen erreicht. Bei einigen Lebensbildern sieht man von Anfang an, wie diese Männer oder Frauen in kleinen Schritten ihre Beziehung zu Gott entwickeln. Bei anderen setzt die Erzählung da ein, wo das Vertrauen zu Gott schon tief gegründet ist. Ganz unabhängig von der jeweiligen Lebensgeschichte, den Umständen, in denen jemand lebt oder der Aufgabe, die er zu erfüllen hat, scheint sich alles immer um einen zentralen Gesichtspunkt zu drehen: Dass Menschen in ihrem Herzen das grundsätzliche Vertrauen auf Gottes gute Absichten entwickeln sowie Seine umfassende Kompetenz, diese in unserem Leben zu verwirklichen. Um dieses Vertrauen zu festigen und immer tiefer zu gründen, benutzt Gott die unterschiedlichsten Mittel. Eines davon ist eine Phase der Wüstenzeit. 

Es gibt dafür gleich mehrere Beispiele in den biblischen Erzählungen: Abraham (er wählte übrigens freiwillig eine wenig fruchtbare Region als Weidegrund für seine riesigen Herden aus und Gott segnete ihn trotzdem und ließ seinen Reichtum weiter wachsen), Mose musste 40 Jahre in der Wüste verbringen, bevor Gott ihm seine Lebensaufgabe anvertraute. Das Volk Israel wanderte ebenfalls 40 Jahre durch die Wüste, weil Gott sie ins Vertrauen auf Seine Macht hinein führen wollte. Und selbst Jesus wurde nach Seiner Taufe vom Heiligen Geist in die Wüste geführt. Interessanterweise sagt der Text dann (Lk 4, 14), dass Jesus nach dieser Wüstenzeit nach Galiläa zurückkommt und zwar „in der Kraft des Heiligen Geistes“. Von da an tritt Jesus in der Öffentlichkeit auf und in Seinem Reden und Handeln wird diese Kraft sichtbar. Sein Thema ist, dass Gottes Herrschaft jetzt angebrochen ist. 

Offensichtlich ist die Wüstenzeit eine wichtige Voraussetzung, um zu dieser machtvollen Repräsentation der Herrschaft Gottes befähigt zu sein. Ein weiteres Beispiel ist Johannes der Täufer. Er gilt als der größte Prophet, der ganz unmittelbar auf den jahrhundertelang angekündigten Messias hinweist und Ihm persönlich begegnet. Auch Johannes wird in der Wüste von Gott vorbereitet. Lk 1, 80: „Johannes wuchs heran und wurde stark im Geist. Er lebte in der Wüste bis zu dem Tag, an dem er öffentlich in Israel auftrat.“

Was kann eine Zeit in der Wüste an fruchtbarem Leben hervorbringen? Wüste ist doch gekennzeichnet durch Trockenheit, Einsamkeit und weitgehend unbelebte, eintönige Landschaft. Ein lebensfeindlicher Ort, den man sich nicht freiwillig als dauerhaften Lebensraum wünscht. Doch genau diese Umstände kann Gott benutzen, um Menschen zu formen und zu befähigen, ihren Auftrag zu erfüllen. Bei den Wüstenberichten scheint sich ein immer wiederkehrendes Muster abzuzeichnen:

1. Gott selbst führt in die Wüste hinein

Erst wenn es eine Basis des gewachsenen Vertrauens gibt, wird es möglich sein, den Zustand der Einsamkeit sowie die Unsicherheit der Versorgung auszuhalten. Gott ist selbst verantwortlich für die Existenz, wenn Er es ist, der in die Wüste hinein geführt hat.

2. Gott geht auf Abstand

Es kann der Eindruck entstehen, das Gott sich zurückzieht, was natürlich das Gefühl der existenziellen Bedrohung weiter verschärft. Das ist jedoch die Voraussetzung, um im Herzen die Sehnsucht nach Gott zu bündeln und sie ausschließlicher und intensiver auf Ihn auszurichten.

3. Gott offenbart sich

Immer wieder wird in der Bibel erzählt, dass Gott am Ende einer Durststrecke kommt, und in einer intensiven, erfüllenden Begegnung zeigt, wer Er ist. 

Daraus erwächst eine unerschütterliche und tiefe Bindung zwischen Gott und dem Menschen.

Nach dem Durchleben der Wüstenzeit gingen die Menschen förmlich gestählt in ihre jeweilige Lebensaufgabe hinein. Dabei ging es nicht in erster Linie darum, ihre Willenskraft und Entschlossenheit zu stärken, als vielmehr ihre Bindung an Gott zu vertiefen. Aus der tieferen Beziehung zu Gott erwächst natürlich auch Entschlossenheit, Mut, Durchhaltevermögen usw. Das sind aber die Folgeerscheinungen, die aus dieser Liebesbeziehung hervorgehen und nicht ihre Voraussetzung. Gott ist der Meister, der da am Werk ist. Es ist immer Gottes Absicht, dass Er die Geschichte mit Seinem Geschöpf, Seinen Menschen gestalten will. Menschen, die Er beruft, die Er formt und erzieht, mit Gaben ausstattet und dann zu anderen Menschen schickt, um Ihnen Worte von diesem großen, allmächtigen und guten Gott zu bringen.

Gerd Reschke

In diesem Jahr startete die Jugendfreizeit am 11. August nach Norwegen. Voller Vorfreude trafen wir uns alle am Abend vor der Kirche. 

Es war ein großes Durcheinander aus Eltern, Teilnehmern, Freunden und Verwandten und natürlich waren viele neue Gesichter dabei. Nach einem kurzen Kennenlernspiel und einer kleinen Ansprache in der Kirche ging es auch schon los. Trotz der langen Fahrt mit Bus und Fähre bot sich uns ein wunderschöner Ausblick auf die Küste Norwegens und den Hafen Oslos am nächsten Tag. Von dort aus ging es dann zu unserer Unterkunft Fjeltuun. 

Ausgeschlafen begannen wir dann die erste Woche in Norwegen unter dem diesjährigen Motto „Crazy // Call me Crazy“. Wie jeden Morgen trafen wir uns zum Morgenlob und einem anschließenden ausgewogenen Frühstück. Danach gab es die Bibelarbeiten, die uns Jugendlichen die Gottesbotschaft näher bringen sollten und dies mit Erfolg. Von der Geburt Jesu, über wilde Bootstouren im Matthäus Evangelium, einem blind vertrauenden römischen Hauptmann, einem vergrabenen Schatz bis hin zum Füße salbenden Jesus, war alles dabei. 

Gestärkt vom Mittagessen, was auch in diesem Jahr von einem tollen Küchenteam gekocht wurde, und ausgeschlafen nach der Mittagsruhe starteten wir in den Nachmittag.

Das Nachmittagsprogramm bot täglich eine ausgewogene Vielfalt an Aktivitäten, ob im sportlichen oder kreativen Bereich. Es gab keine Zeit, sich zu langweilen. Somit erlebten wir aufregende Volleyballturniere, hitzige Fußballspiele, wie auch abenteuerliche Wanderungen, Bogenschießen in der freien Natur und diskutierfreudige Baseballspiele. Natürlich durfte die künstlerische Arbeit nicht fehlen. Steine bemalen, Kreuze schnitzen, Armbänder knüpfen, Bibeln und Kladden gestalten sowie eigene Poetry Slams schreiben, standen fast täglich auf dem Programm.

Die Gemeinschaft wuchs tagtäglich. Neue Freundschaften entstanden und bestehende wurden gestärkt. Trotz all dem Spaß und all dem Lachen, gab es auch Momente voller Emotionen, Tränen und tiefgründigen Gesprächen. Die Zeit zusammen tat uns allen gut, bot uns Zeit wir selber zu sein und uns mit Gott zu beschäftigen. Ich denke, genau diese Zeit war für uns alle sehr wichtig und hilft uns, gemeinsam im stressigen Alltag Platz für Gott zu schaffen und ihn fest in unsere Zukunft einzubinden.

Sina von Hagen

Lang, lang ist‘s her! Vor 17 Jahren löste sich die ehemalige Kirchengemeinde Jüchen mit ihren drei Pfarrbezirken auf und Kelzenberg wurde wieder selbständig. 

Damit gab es dann auch keine „Kirchlichen Nachrichten“ mehr, wie die Kirchenzeitung der Gesamtgemeinde damals hieß. Es musste etwas Neues her und schnell war klar, dass sich das Layout und auch der Inhalt möglichst von normalen Gemeindebriefen abheben sollte. Schon der neue Titel „Typisch Kelz“ war außergewöhnlich und auch das Format wurde modernisiert. Im Februar 2002 erschien dann die erste Ausgabe. Seitdem kommt unser Gemeindebrief im zweimonatlichen Rhythmus. Es ist heute ganz schön amüsant, in der ersten Ausgabe zu blättern. Damals hieß das Presbyterium noch Bevollmächtigtenausschuss! Es gab noch drei Frauenhilfen und einen Mütterkreis – aber auch schon sieben Hauskreise! Den JC gab es noch nicht, die Jugendkreise trafen sich an den verschiedensten Wochentagen und hießen unter anderem Sonday, Fun-dament, Injoy oder Domino …

Katharina Hein war die erste Leiterin des Redaktionsteams. Später folgten als „Chefs“ dann Birgit Haferkamp, Thomas Gerwers und gegenwärtig Kirstin Rappmund-Gerwers. Besonders bemerkenswert ist, dass mit Elke Paulus und Gerd Heydn heute noch zwei Gründungsmitglieder im Redaktionsteam mitarbeiten. Auch Renate Jansen war von Anfang an dabei und koordiniert nach wie vor die Austeiler, ohne die die „Typisch Kelz“ nicht in den Briefkästen landen würde.

Wir wollen mit „Typisch Kelz“ nicht nur die alltäglichen Dinge wie die Veranstaltungen und den Predigtplan veröffentlichen, sondern das Gemeindeleben unserer Kirchengemeinde lebendig darstellen mit dem Ziel, auf Kelzenberg aufmerksam zu machen und Interesse zu wecken. Wir haben dabei besonders Menschen im Blick, die wir für Jesus Christus und unsere Gemeinde noch gewinnen wollen. Vor allem will „Typisch Kelz“ Sie aber im Alltag erreichen, Sie einladen zum Nachdenken, Sie neugierig machen und Ihnen beim Lesen Freude bereiten. Hauptsache, das Leben mit Jesus Christus wird lebendig rübergebracht. 

Deshalb hat sich die „Typisch Kelz“ auch im Laufe der Zeit verändert. Sie ist moderner und bunter geworden, bringt jetzt auch schon mal QR-Codes, schließlich soll sie ja auch die jungen Leute erreichen und begeistern. Andererseits ist sie sich in einigen Dingen auch treu geblieben; das Interview gibt es schon seit der ersten Ausgabe und auch die Berichte aus dem Kongo sind schon ewig drin. So ist eben für jeden Leser etwas dabei. 

Wilfried Lüngen

Als uns die Frage zu Beginn gestellt wurde, musste ich erst mal nachdenken. Worauf wollte Kerstin da hinaus? Wir wollten ja pilgern.

Nun die üblichen Verdächtigen wurden dann auch genannt. Kopf, Herz und Hände; damit versteht, glaubt und handelt man doch schließlich. Aber dann machte uns Kerstin aufmerksam auf das, wozu Jesus zu Beginn einer Beziehung sein Gegenüber aufforderte. „Denke ganz tief nach über Gott und Dich?“ Nö, hat er nicht verlangt. „Glaube ganz fest an mich?“ Nope, auch nicht. „Erledige folgende Aufgaben? Schon gar nicht.“

Folge mir nach; das war die Aufforderung von Jesus.

Und? Was braucht man dafür? Richtig! Die Füße sind der wichtigste Körperteil eines Christen. Denn Jesus ruft uns in seine Nachfolge. Tja… und pilgern, habe ich mir da an dem Morgen in der Kirche gesagt, ist jetzt für dich die sichtbare Handlung das zu tun und zu erleben – ganz praktisch.

Scheinbar sind wir Menschen so gestrickt, dass wir so sichtbare, fühlbare und erlebbare Sachen brauchen, um diese ‚Sache mit Gott‘ besser zu kapieren. Man schaue nur mal auf Taufe, Abendmahl oder die Hände beim Segnen auflegen. Alles Gesten, Handlungen und damit Erlebnisse, die uns helfen zu begreifen.

So bin ich dann losgegangen und habe für ein paar Stunden Jesus-Nachfolge und damit Jesus-Erleben und Jesus-Begreifen gemacht. Das Ergebnis lässt sich schwer beschreiben, denn es ist, glaube ich, sehr eigen. Es ist jedoch da und ich bin definitiv nicht bloß spazieren gegangen oder gewandert. Da waren Momente für Besinnung beim Tageszeitengebet und eine Zeit des Schweigens auf dem Weg, wo man mal bewusst mit sich selbst alleine war und ging … und ging … und ging.

Ich habe dabei gespürt: Da ist mehr. Ich bekam es nicht zu fassen, konnte mich bloß darauf einlassen. Und es war gut!    

Ralf Menk

220 Pastoren kamen mit Fahrrädern oder in Einbäumen viele hundert Kilometer aus dem Urwald zur Generalversammlung der Kirche. 

Richard (Verantwortlicher der Cadelu-Kirche für Diakonie und Vertrauensmann von Peter Gohl im Kongo, d. Red.) durfte da jetzt seine Arbeit vorstellen und erklären, dass praktische Nächstenliebe Christenpflicht sei, Singen und Beten alleine wohl zu wenig seien. Nachher sagten alle zu, dass sie ab sofort in ihren Gemeinden Bedürftigen helfen wollen. Fünf Kirchenkreise verpflichteten sich sogar, Richards Reise und andere Kosten mit zu tragen. Das ist da jetzt ganz neu. Menschen mit einem Herz für andere gibt es da wie hier, aber dass Nächstenliebe Glaubensergebnis und Gottesdienst ist, das war total neu. 

Angefangen hatte alles 2002 zur Zeit der Rebellen, als Gott mich durch die Gemeinde Kelzenberg nach Basankusu schickte. Damals waren alle traumatisiert und völlig arm und abgeschnitten von aller Versorgung. Aber die Gottesdienste waren überfüllt und dauerten endlos lang. Ich habe damals böse gefragt: „Denkt ihr, dass Gott eure getanzten Gesänge und diese superlangen Gebete in der Kirche erhört – oder hört er eher das Jammern der hungrigen Witwen und Waisenkinder draußen?“ 

Gute Menschen hier in Deutschland haben mir aber immer Geld geschickt, damit ich auch helfen konnte. Und Richard und andere haben Hütten für Obdachlose gebaut. Irgendwann später meinte dann mal der Oberhäuptling der Kirche, ob man daraus nicht eine Abteilung Diakonie machen könne, wie die Europäer das so haben. Das war ein zweiter Schritt, und ‚le département diaconie‘ wurde eröffnet, und Richard bekam einen Platz im Kirchenbüro. Ich habe vergessen, wie vielen kranken, behinderten Kindern und Erwachsenen wir haben helfen können. Finanziell war aber alles total von mir abhängig und natürlich den Spendern hier. 

So habe ich angefangen, rum zu stänkern: „Ich bin alt und am Sterben, und eure schöne Diakonie stirbt bald automatisch mit mir!“ Das rief absolutes Unverständnis bei allen hervor. Mit Lebensmitteln könnte die Kirche helfen, aber Geld kam ausnahmslos nur aus Europa. Ich habe mich oft geschämt, als Deutscher knauserig zu sein, und von so armen Leuten Geld zu erwarten. Aber anders bleiben sie ewig von Weißen abhängig. 

So habe ich fast 16 Jahre lang mit allen nur rumgezankt und immer geschrieben: „Nur wenn du auch was gibst, werde ich deinem Kranken helfen!“ Das war oft riskant, wenn es um Leben und Tod ging. Gut, dass ich mindestens so beten kann wie die da, und bis jetzt ist auch noch alles halbwegs gut gegangen. 

Richard muss in seiner neuen Position jetzt aber ständig Dampf machen, dass die Versprechen auch umgesetzt werden. Sonst ist doch alles wieder umsonst.

So hat sich still und leise etwas entwickelt, wofür ich nichts konnte. Und wie das mal weitergeht, weiß nur der, der bisher alles so zusammengefügt hat.                

Peter Gohl