Gerd Heydn im Gespräch mit Verena Ramrath

Beruf, Haushalt, erstes Kind, ehrenamtliche Flüchtlings- und Gemeindearbeit – wird das alles zusammen nicht ein bisschen viel in der täglichen Belastung?

„Ich bleibe jetzt erstmal ein Jahr zu Hause. In dieser Zeit möchte ich gerne zumindest gedanklich und organisatorisch den Deutschkurs für die Flüchtlinge weiter begleiten, auch weiter Gebete für den Gottesdienst schreiben und nach Möglichkeit an den Presbyteriumssitzungen und -kleingruppen teilnehmen. Ich denke, wenn sich erstmal alles eingespielt hat, kann ich so nach und nach meine Aufgaben wieder aufnehmen. Für das zweite Lebensjahr unseres Kindes geht mein Mann in Elternzeit. Ich werde dann wieder beruflich einsteigen. Und die Gemeindearbeit sehe ich ohnehin eher als Ausgleich zu meiner beruflichen Tätigkeit. Es gibt doch einen Bibelvers, der sinngemäß aussagt: Wenn ich mich um Gott kümmere, dann wird er sich schon um mich kümmern. Mit dieser Einstellung habe ich in meinem Leben bislang sehr gute Erfahrung gemacht. Außerdem habe ich durch meine Kinder- und Jugendarbeit in Kelzenberg eine große Hilfe für meinen Beruf im Umgang mit sechs- bis zehnjährigen Kindern verspürt. In Kelzenberg ist mir überhaupt erst klar geworden, dass ich mit Kindern arbeiten kann und dass mich diese Arbeit ausfüllt.“

Und Ihre beruflichen Fähigkeiten können Sie auch in Ihre Flüchtlingsarbeit mit einbringen…

„Ich gebe einmal die Woche mit einem Team zusammen Deutsch-unterricht für Flüchtlinge in einer Jüchener Grundschule. Flüchtlingsarbeit bedeutet für mich: Jesu Weg mitzugehen, gemeinsam Liebe weiterzugeben. Ich denke, dieser Weg bringt auch die Gemeinschaft unserer Gemeinde weiter, ermutigt Leute, Verantwortung zu übernehmen und erweitert unsere Gemeinde. Ich freue mich sehr darüber, dass auch meine Mutter fast seit Beginn des Deutschkurses regelmäßig dabei ist. Die aktuelle Flüchtlingssituation sollte uns allen doch verdeutlichen: Wir haben viel, wir können und müssen etwas abgeben – teilen. Wenn wir das schaffen, können wir auch das Bild der Kirche schlechthin in der breiten Öffentlichkeit in ein anderes Licht rücken. Was können wir als Gemeinde der Welt geben? Was braucht die Welt von uns? Lasst uns machen! Damit Wort und Tat nicht auseinanderklaffen.“

Wie hat sich Ihr Berufswunsch Lehrerin entwickelt?

„Der ist auch erst durch meine ehrenamtliche Arbeit mit Kindern in der Gemeinde in Kelzenberg gewachsen. Meine erste Aufgabe stellte sich mir in Kelzenberg 2001 mit den kleinen ‚Bibelschnüfflern‘. Als sich mein Berufswunsch deutlich abzeichnete, bin ich von der Realschule aufs Gymnasium gewechselt, wollte auch evangelische Religionslehre studieren. Mit 18 bin ich dann vom katholischen zum evangelischen Glauben konvertiert. Mit 19 bin ich in den Kindergottesdienst eingestiegen, danach folgten Kinder- und Jugend-Freizeiten, Leitungsarbeit im ‚JC‘ und die Mitarbeit im Gottesdienst-Team ‚Beten für andere‘. Alle diese Aufgaben haben mir bis zum heutigen Tag geholfen, meine Persönlichkeit zu entwickeln, mich herausgefordert, Dinge anzugehen, die ich eigentlich nur ungern tun würde. Ich habe z. B. grundsätzlich Schwierigkeiten, offen auf Menschen zuzugehen, weil ich eher schüchtern bin, gar nicht für Small-Talk tauge. Aber ich finde, in der Gemeinde gehört es dazu, auf Menschen zuzugehen. Als Jugendliche hatte ich auch oft große Schwierigkeiten, so langsam und deutlich zu sprechen, dass andere mich verstehen. Aber meine Aufgaben in der Gemeinde haben erfordert, das zu trainieren. An Weihnachten stand ich auf der Kanzel. Wer hätte das gedacht?

Und so ähnlich ist es auch in der Schule. Ich denke, dass die Kinder, die heute in meiner Klasse vor mir sitzen, nicht Ausdruck eines Zufallsgenerators sind, sondern dass Gott mir diese Kinder in den Weg gestellt hat, damit ich sie neben ihren Eltern ein Stück auf ihrem Lebensweg begleite, um ihnen eben nicht nur Schulstoff zu vermitteln, sondern auch Werte und Wertschätzung weitergeben kann, die ich durch IHN, meine Familie und die Gemeinde erfahren habe. Mir ist es sehr wichtig, die Kinder als Ganzes zu sehen. Das ist besonders dann hilfreich, wenn es schwierige Kinder sind. Mit dieser Herangehensweise habe ich bisher sehr gute Erfahrung gemacht.“

Wie verlief denn Ihre Umstellung von der Katholikin zur Protestantin?

„Glaube und Kirchgang gehörten bei uns zu Hause zum Leben, aber über den Glauben gesprochen haben wir nicht. Als ich von meiner ersten Kelzenberger Jugend-Freizeit als Teilnehmerin 2000 aus Spanien zurückkam, konnte ich meinen Eltern nicht so richtig erzählen, was mich bewegt hatte. Und in der katholischen Kirche fühlte ich mich seitdem irgendwie fremd. Die Person Jesus und das Kreuz waren neu für mich als Mittelpunkt des Glaubens. Ich habe damals bei einem Abend in Spanien geweint, als ich verinnerlicht habe, dass Jesus gelitten hat und gestorben ist für mich. Ich hatte als Kind oft Angst vor dem Tod und keine Antworten auf die Frage, wie geht es nach dem Tod weiter. Ich wusste zwar, dass Jesus an Karfreitag gestorben und an Ostern auferstanden war, aber nicht welche Perspektive das für mein Leben bedeutet. Mit meinem Übertritt zum evangelischen Glauben wollte ich noch mal ganz bewusst „Ja“ zu Jesus und unserer Beziehung sagen.“

Was ist Ihnen klar geworden auf dieser Jugend-Freizeit im Jahre 2000?

„Diese Tage in Spanien sind zum Knackpunkt in meinem Leben geworden. Als auf dem Abschlussabend jeder Einzelne von uns gesegnet worden ist, hatte ich das Gefühl, dass Gott neben mir sitzen würde. Und mir war klar: Diesen Weg will ich weitergehen! In der Folge habe ich versucht, mit Jesus durchs Leben zu gehen. Seit dieser Freizeit bin ich regelmäßig nach Kelzenberg gekommen. Nach etwa einem Jahr fühlte ich mich dann auch so richtig in Kelzenberg angekommen.“

Werten Sie Ihre Berufung ins Presbyterium als weiteren Schritt in Ihrer Beziehung zu Jesus Christus?

„Unbedingt. Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass man mir eine derartige Aufgabe zutraut. Für mich persönlich bedeutet diese Berufung, meine Gaben an einer neuen Stelle einzusetzen, die Chance, meine Jesus-Beziehung, aber auch wieder meine Persönlichkeit und mein Leben, weiter zu entwickeln.“

Worin sehen Sie Ihre wesentliche Aufgabenstellung im Kelzenberger Presbyterium?

Ich bin ja noch sehr frisch in unserer Gemeindeleitung. Aber für das gesamte Presbyterium sehe ich die große Herausforderung für die Zukunft, Kelzenberg als lebendige, zeitgemäße Gemeinde zu erhalten, weiterzuführen und auszubauen – auch über die Zeit von Gabi und Bodo Beuscher hinaus.“

Elisabeth und ich waren 1982 erst drei Monate im Zaïre, da erlebten wir abends einen Überfall. 

Wir waren gerade mal aus dem Haus rausgegangen, als Elfenbeinjäger das Haus mit ihren Gewehren durch alle Verandafenster und Türen durchschossen. Der Hund, den wir verwahrten, bellte. Es fiel noch ein Schuss, dann war auch der still, und wir sind auf allen Vieren durchs hohe Gras bis in die nächste Lehmhütte geflüchtet. „Kommt schnell rein“, sagte die Frau, „ich versteck euch hinten in der Kammer.“

Weil ein Nachbar ein Gewehr und zwei Patronen dazu hatte, schoss er damit in die Luft, um Abwehr zu demonstrieren. Dann wurde es so still, dass man nur noch unser ängstliches Zähneklappern hörte. Ein ganz Mutiger fuhr mit dem Fahrrad in die Stadt, um die Polizei zu alarmieren.

Als die da war, gingen wir auch wieder in unser Haus und sahen die Verwüstung. Alles war durchwühlt worden, und unsere zwei Koffer waren aufgeschlitzt. Überall waren Einschusslöcher in den Wänden, und auf dem Boden lag der tote Hund in seinem Blut. Die Banditen hatten offensichtlich nur nach dem Projektgeld gesucht, das wir aber noch gar nicht hatten.

Die Polizisten machten einen sehr langen Bericht und räumten ein bisschen auf, wie man denn da so aufräumt. Unser gutes Brotmesser fand ich später bei jemandem, der es gekauft hatte, und die Taschenlampe habe ich ein halbes Jahr später einem Polizisten am Hafen abgenommen. Damals konnte ich schon ziemlich auf Lingala schimpfen.

Wir hatten noch kein Fahrzeug, wegen Niedrigwasser konnte kein Schiff auf dem Fluss fahren, und die Air Zaïre war in Reparatur. Wir konnten also gar nicht weg.

Tagsüber hatten wir genug zu tun, wenn es aber dunkel wurde und die vielen für uns fremdartigen Laute aus dem Dschungel auf uns einwirkten, schlich sich auch die Angst bei uns ein. Wir fantasierten, sahen dunkle Gestalten auf der Wiese hinter dem Haus. Eins war klar: So können wir hier nicht weiterleben!

Aber jeden Abend, wenn es dämmerte, kamen alte und junge Leute aus dem Dorf, um nach uns zu sehen. Sie sangen ihre alten Kirchenlieder, bis wir fast mitsingen konnten. Am Ende, wenn es schon lange dunkel war, segneten sie uns und beteten für uns und unsere Kinder in Europa.

Wie alle Weißen waren wir ja als Belehrende nach Zaire gekommen, um zu bauen und zu helfen. Aber jetzt wurden wir plötzlich deren Kinder, denen sie helfen mussten. Hilfloser als wir konnte aber auch kaum jemand sein… Nie werden wir vergessen, wie Nachbar Itaka uns zeigte, dass wir in der Bibel Psalm 146 lesen sollten. Wir lasen – und Itaka kommentierte: Der HERR behütet die Fremdlinge. – „Das hat er getan. Ihr lebt noch!“ Er erhält Waisen und Witwen. – „Eure Kinder sind wie Waisen in Europa, und er erhält sie!“ Die Gottlosen führt er in die Irre. – „Die Banditen schossen, als ihr gerade draußen wart!“ Der HERR ist König ewiglich. – „Darauf könnt ihr euch immer und ewig verlassen!“

Wir sahen, dass es pechschwarze Engel gibt, ganz und gar ohne Flügel auf dem Rücken.

1982 sind wir mitten im Urwald so liebevoll integriert worden, und damals ist da mehr als nur Freundschaft entstanden.

Einheimische, Flüchtlinge und Asylanten brauchen doch mehr als nur Wohnung und Arbeit. Elisabeth und ich haben damals etwas von der Energie gespürt, die in ganz einfachen gesprochenen und gesungenen Gebeten steckt. Von dieser Erfahrung leben wir immer noch.

Wir wünschen allen für 2016 auch eine ganz neue Gebetserfahrung.

Peter Gohl

Januar 2016, die erste Woche im neuen Jahr. Viele sind noch im ruhigen „Jahresanfangsmodus“. Noch sind Ferien, allmählich verabschiedet man sich von den Festtagen und beginnt den Start ins neue Jahr.

Auch in und um die Kirche in Kelzenberg ist es noch ruhig – auf den ersten Blick. Irgendetwas ist da los. Und das anscheinend rund um die Uhr. Immer wieder, tagsüber und auch mitten in der Nacht, kommen Autos an und fahren wieder weg. Nachbarn machen sich Sorgen: „Im Gemeindehaus brennt noch Licht.“

Ja, es scheint relativ ruhig zu sein in der ersten Woche 2016, aber es ist gewaltig was los:

Im Gemeindehaus Kelzenberg wird rund um die Uhr gebetet! Damit wird hier das neue Jahr eröffnet: für eine Woche, von Sonntag bis Sonntag, 24/7, ist unser Gemeindehaus ein Gebetszentrum. 168 Stunden am Stück sitzen immer Menschen hier und haben sich eine oder mehrere Stunden Zeit genommen, um zu beten. Dazu ist der große Saal umgestaltet worden, um an vielen „Stationen“ Beten in seiner ganzen Vielfalt und Reichhaltigkeit zu ermöglichen:

Da steht ein Globus, zusammen mit Infos über die Situation von Christen in verschiedensten Ländern. Dort liegen Noten, Liedtexte und Instrumente fürs singende Beten. Hier hängt eine Wäscheleine, die am Kreuz befestigt ist; Bitten, Anliegen, Klagen etc. kann ich da dranheften. Große Papierbahnen laden ein, Erlebnisse und Gedanken aus dem Beten heraus offen auszuschreiben. Wer will, kann an einem langsam entstehenden Bild mitarbeiten. Aufgeschlagene Psalmen der Bibel und Schreibmaterial regen an, einen eigenen Psalm zu formulieren; ich kann einfach Stille als Gottes-Begegnung erleben, Gebetstagebuch schreiben….

Manche entdecken dadurch erst, wie groß die Palette des Betens im Reden mit und Hören auf Gott sein kann. Phantasie beim Beten wird deutlich und wird geweckt. Vorbereitet haben diese Woche eine Kleingruppe aus dem JC und ein Gebetskreis. Natürlich stand vorher die bange Frage im Raum: „Wird sich der große Stundenplan an der Pinnwand im Gemeindehaus überhaupt annähernd füllen?“ Doch als es dann losging, war keine einzige der 168 Stunden frei geblieben. Rund um die Uhr schien Licht.

Oberflächlich betrachtet ein „Projekt“ unserer Gemeinde, eigentlich aber mehr: eine Lebensäußerung, eine Dienstwoche, eine Perspektiv-woche, eine Schulung, ein Erlebnis, eine Beziehungsintensivwoche.

Ein toller und dynamischer Start in das neue „Jahr des Herrn 2016“.

Bodo Beuscher

Die Auferstehung von Jesus Christus war der sichtbare Beweis für die Tatsache, dass Er den Tod überwunden hat. Wenn das wahr ist, dann kann es nicht sein, dass mit dem Tod alles aus ist. Wenn das wahr ist, dann ist der Tod eher eine Pforte, hinter der sich die unbegrenzte Ewigkeit Gottes eröffnet. Diese Erkenntnis erschließt eine Perspektive mit weitreichenden Auswirkungen.

Eine davon ist, dass das Beste, das eigentlich Große und Schöne für mich noch kommt. Hinter der Pforte des Todes wartet die helle, ewige Welt Gottes auf mich. Eine Welt, die frei ist von Krankheit, Schmerzen und allen Nöten, die uns jetzt noch zu schaffen machen. In der ewigen Welt Gottes wird niemand andere übervorteilen, verletzen oder unterdrücken. Der Friede Gottes wird die Basis für alle Beziehungen zwischen den Menschen sein. Niemand wird Gewalt ausüben oder andere einschüchtern. Es gibt keine Kriminalität und keine Ungerechtigkeit mehr. Der zentrale Fixstern wird die Person Jesus Christus sein. Die Grundlage für Seine uneingeschränkte Autorität wird die Faszination sein, die jeden erfasst, der Ihn sieht. Jeder wird zutiefst davon überzeugt sein, dass es nichts Besseres geben kann, als Seine guten, weitblickenden Weisungen zu befolgen. Der Traum von dieser schönen, neuen Welt Gottes wird bereits im Hier und Jetzt anfangen sich auszuwirken, sobald man sich für Gott öffnet. Die Beziehung zu Jesus Christus ist der Zugang in diese Realität. Ein Traum für religiöse Spinner? Für mich ist es zu einer Erfahrung geworden, die mein Leben immer mehr prägt.

Gerd Reschke